Die Bundeszentrale für politische Bildung erklärt in einem neu aufgelegten Video die Bundestagswahl und wie das mit den Überhang- und Ausgleichsmandaten funktioniert.
Weitere Artikel
31 Ergänzungen
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.
Woher kommt das „bis zu 800 Sitze“?
Oder anders gefragt: Mal angenommen, eine Partei bekommt keine einzige Zweitstimme, aber ein Direktmandat. Wird dann der Bundestag auf unendlich viele Sitze erweitert oder wie funktioniert das?
Wäre froh, wenn mich da jemand aufklärte.
„Woher kommt das “bis zu 800 Sitze”?“
Die Frage ist berechtigt, denn die Angabe der Bundeszentrale für politische Bildung ist schlicht und einfach falsch. Die Zahl der Abgeordneten ist theoretisch unbegrenzt, in der Praxis natürlich durch die Zahl der Listenkandidaten der in den Bundestag einziehenden Parteien beschränkt.
Die Zahl von 800 war ein Beispiel eines Experten von Wahlrecht.de bei der Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages: Dazu musste etwa die CSU ihre Direktmandate halten und bei den Zweitstimmen etwa auf das Niveau der CDU in Mecklenburg-Vorpommern fallen. Das ist für die nächste Bundestagswahl zwar nicht zu erwarten, aber ein Gesetz sollte ja nicht nur für eine Wahl gelten.
5% Hürde
=========
Jede Partei muss doch mindestens 5 % haben (oder min. 3 diekt Mandate..) Keine Ahnung wie das berechnet würde wenn man 0 zweitstimmen kriegt aber aus der Hürde könnten sich die 800 ergeben.
Der Gesetzestext den Manuel (siehe Kommentar weiter unten) dankenswerterweise verlinkt hat ist für einen Normalbürger sehr, sehr schlecht verständlich. D.h. ich habe mit meinem Mann zusammen über eine Stunde gemeinsam versucht den Gesetzestext zu verstehen und so ganz klar ist uns immer noch nicht alles, aber unserer Meinung nach kann man soweit sagen:
Das neue Gesetz scheint leider eine üble wenn nicht gar gefährliche Verschlimmbesserung des alten Gesetzes zu sein.
Nach Paragraph 3 reicht es wenn eine Partei 3 direkte Sitze (Erststimme) errungen hat um in den Bundestag zu kommen, egal wieviel Zweitstimmen. D.h. bei null Zweitstimmen müsste man wirklich mit unendlich rechnen.
D.h. so wie es aussieht könnte z.B. folgendes Szenario passieren:
Nehmen wir mal an eine Partei gewinnt 3 Wahlkreise über die Erststimme, bekommt aber nur eine Zeitstimme, dann ergibt sich aus dieser Zuteilungsdivisorformel in Paragraph 2, dass (falls wir uns nicht verrechnet haben) 3 mal soviele Sitze gebraucht werden wie anrechenbare Zweistimmen (also ca. 3x40Mio), bekommt die Partei zwei Zweitstimmen halbiert sich die Zahl etc.
Hauptsächlich wegen dem Satz:
können aber nur soviel Sitze wie Kandidaten auf den Zweistimmenlisten vorhanden verteilt werden, wobei ich nicht weiss ob es da eine gesetzlich festgelegt Obergrenze gibt.
Das scheint auch so ungefähr das zu sein was auch Thorsten sagte:
Dh. die Verteilung bricht dann irgendwann ab – und zwar nicht unbedingt wie die prozentale Verteilung vorschreiben sollte.
Wenn wir das alles richtig verstanden haben, dann schlagen wir dringend vor, lieber erstmal wieder das alte Gesetz wieder herauszukramen!
Das Video ist anschaulich, die Aussage, Überhangmandate würden entstehen, wenn viele Wähler mit Ihrer Zweitstimme eine andere Partei wählen als bei der Wahl des Wahlkreiskandidaten, ist jedoch falsch. Überhangmandate können auch entstehen, wenn alle ihre Erst- und Zweitstimme der gleichen Partei geben. Der Grund liegt darin, dass zum Gewinn eines Wahlkreise die einfache Mehrheit der Erststimmen ausreicht. Eine Partei könnte also 35% aller Erst- und Zweitstimmen gewinnen, damit theoretisch aber 100% der Wahlkreise gewinnen, wenn keine der übrigen Parteien in einem Wahlkreis über 34% kommt.
Ich habe da eine Frage, die mir bisher niemand zweifelsfrei beantworten konnte.
Wenn ich bei der BTW nur meine Zweitstimme ankreuze,
ist dann a) meine Wahl gültig, also „keine ungültige Stimme
b) Welche Auswirkung hat das auf die Wahl
c) Welche Auswirkung hat das für die Wahlkampfkostenerstattung?
Herzlichsten Dank für Erläuterungen!
a) Deine Erststimme ist ungültig, deine Zweitstimme ist gültig.
b) Deine ungültige Erststimme hat keine Auswirkungen auf das Wahlergebnis, da nur gültige Stimmen bei der Berechnung des Direktmandats bzw. der Sitzverteilung berücksichtigt werden. Ungültige Stimmen werden lediglich bei der Wahlbeteiligung mitgezählt.
c) Die Parteienfinanzierung bemisst sich in erster Linie nach den erhaltenen Zweitstimmen (sowie nach Mitgliedsbeiträgen und Spenden; außerdem gilt eine Stimmuntergrenze von 0,5%), d.h. du kannst sie hauptsächlich durch eine gültige Zweitstimme beeinflussen (sowie in Ausnahmefällen auch durch eine gültige Erststimme, nämlich dann wenn die Partei in dem Bundesland keine Landesliste hat und der Direktkandidat mindestens auf 10% kommt).
Dann ist also „mein“ vorgesehener Weg – nur eine Zweitstimme abzugeben, eigentlich doch nicht schlecht.
Ich „vermehre die ungültigen stimmen, mache damit also meine Unzufriedenheit deutlich.
Dem „Platzhirsch“ im Wahlkreis verhelfe ich zu weniger Stimmen, bzw. erhöhe u.U. die Chancen der anderen Bewerber..
Und gebe schließlich der Partei, die ich präferiere, trotzdem im Land meine Stimme.
Sehe ich das also aus meiner Sicht richtig – d.h. ich nehme an der Wahl teil, wähle eben die Partei, die grad noch „geht“, aber keine Stimme dem Platzhirsch und Dauer-MdB?!
„Ich ‚vermehre‘ die ungültigen stimmen, mache damit also meine Unzufriedenheit deutlich.“
Ja. Du wärst damit auch längst nicht allein; bei der letzten BTW haben rund 1,7% der Wähler eine ungültige Erststimme abgegeben (insgesamt 757.575 – tolle Zahl!); dieser Wert liegt übrigens schon seit langer Zeit – ich bin mal bis zur BTW 1990 zurückgegangen – ziemlich konstant irgendwo zwischen 1,5 und 1,7%. Bei den Zweitstimmen sind es jeweils ein paar Zehntelprozentpunkte weniger.
„Dem ‚Platzhirsch‘ im Wahlkreis verhelfe ich zu weniger Stimmen, bzw. erhöhe u.U. die Chancen der anderen Bewerber.“
Nein. Für das Wahlergebnis zählen nur die gültigen Stimmen, du kannst es durch Nichtwählen nicht negativ beeinflussen. Wer in einem Wahlkreis die meisten Erststimmen bekommt (egal wieviele, Hauptsache mehr), geht ins Parlament. Wenn du dem Platzhirsch schaden willst, musst du also entweder einen der anderen Direktkandidaten wählen und hoffen dass er/sie den Platzhirsch überflügelt, oder du musst einen Platzhirsch-Wähler finden und überzeugen, ihn nicht oder jemand anderen zu wählen.
Kurz gesagt: Wenn du den Platzhirsch nicht magst und deshalb keine gültige Erststimme abgibst, erhöhst du damit unter Umständen seine Wahlchancen! (Je nachdem, welchen der anderen Kandidaten du ansonsten wählen würdest.)
„Sehe ich das also aus meiner Sicht richtig – d.h. ich nehme an der Wahl teil, wähle eben die Partei, die grad noch ‚geht‘, aber keine Stimme dem Platzhirsch und Dauer-MdB?!“
Ja. Aber wie gesagt – wenn du dem Platzhirsch schaden willst, ist eine ungültige Erststimme die schlechteste Idee.
Das leuchtet mir ein; also kann ich ja ohne weiteres ja auch einen Kandidaten mit der Erststimme wählen, der mir eigentlich gar nicht passt..
Ich danke für die Ergänzungen; wäre schön, wenn uns dies die Zeitungen und die Guck-Medien auch so klar erklären würden…
sehr schlecht erklärt, völlig überflüssiges Video. So wie sich das Video versteht, wurde vor 2013 die Anzahl der Sitze genau und allein nach der Anzahl Erststimmen verteilt.
wenn wahlen was ändern würde, wäre wahlen verboten.
der müll hört sich danach an, sich den gewinn der wahlen vorher zu sichern.
ich glaube nicht mehr an demokratie in deutschland und gewinnt die cdu/csu, was eigentlich eine partei sind, hat sich das wählen dann sowieso erledigt.
erst recht nach prism, xkeyscore, tempora, …
anmerkung, durch die nichtwähler, die die schnauze voll haben….
„Die anderen Parteien erhalten, abhängig von ihrem Wahlergebnis, Ausgleichsmandate“, der Teil war mir unklar. Habe dann nochmal nachgelesen [1]:
„[…] Die Erhöhung der Sitzzahl bis zur An-
rechenbarkeit aller Überhangmandate dient dazu, dass die
Verteilung der Mandate auf die Parteien vollständig der
Summe der Wählerstimmen entspricht und nicht erwar-
tungswidrig im Sinne der Entscheidung des Bundesver-
fassungsgerichts vom 25. Juli 2012 (Rn. 85) mit der auf
diese oder eine konkurrierende Partei entfallenden Stim-
menzahl korreliert. Durch die Vergabe zusätzlicher (Aus-
gleichs-)Mandate erhalten zwar auch andere Parteien mehr
Sitze, wenn Wahlbewerber einer Partei mehr Stimmen und
infolgedessen mehr Wahlkreismandate erzielen, die in der
ersten Stufe der Sitzverteilung nicht anrechenbar sind und
darum zu einer Sitzzahlerhöhung nach § 6 Absatz 5 BWG
– neu –führen. Die Vergabe weiterer Sitze auch an andere
Parteien entsprechend dem Zweitstimmenergebnis der Ver-
hältniswahl nach einer Sitzzahlvergrößerung zum Verhält-
nisausgleich stellt aber keine für den Wähler nicht erkenn-
bare Auswirkung seiner Stimmabgabe auf den Erfolg oder
Misserfolg der Wahlbewerber im Sinne der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts (Urteil v. 25. Juli 2012,
Rn. 85; BVerfGE 121, 266 [307]) dar […]“
Also die Gesamtzahl der Sitze wird erhöt bis alle Platz haben und dann wird verteilt. Keine Ahnung ob sich das auf die 5% Hürde auswirkt, aber denke nicht weil das gehört dann ja noch zur ersten Stufe und verteilt wird dann nur noch unter den Gewinnern. Also 5% von 598 sind 29,9 Sitze und in der zweiten Stufe können es dann nochmal mehr werden!? Man… keine Ahnung???
[1]: http://www.bundesanzeiger-verlag.de/fileadmin/Betrifft-Recht/Dokumente/edrucksachen/pdf/1711819.pdf
Die 5%-Hürde gilt bei der Berechnung der Sitzverteilung. Dabei zählt man den Anteil der Parteien bei den Zweitstimmen aus; wer dort bundesweit über der Hürde liegt, kommt ins Parlament.
Überhangmandate bedeuten, dass eine Partei aus einem Bundesland mehr über die Erststimme gewählte Abgeordnete hat als ihr laut Zweitstimmenergebnis von dort eigentlich zustehen; im Parlament hat sie dann also beispielsweise trotz 30% Zweitstimmenanteil plötzlich 33% Abgeordnetenanteil. Um das zu verhindern wird der Bundestag nun soweit vergrößert, dass die tatsächliche Anzahl Abgeordneter einer Partei wieder dem Zweitstimmenanteil entspricht.
Beispiel: Es gibt 10 Wahlkreise, und das Parlament hat 20 Sitze. Die Partei A erhält 45%, Partei B 30% und Partei C 25% der Zweitstimmen, also ergibt sich eine rechnerische Sitzverteilung von 9/6/5 Sitzen. Partei B hatte aber tolle Kandidaten, die in acht Wahlkreisen das Direktmandat geholt haben, also ergibt sich eine tatsächliche Sitzverteilung von 9/8/5 = 22 Sitzen (= prozentual 41%/36%/23%). Um das wieder anzugleichen, macht man das Parlament jetzt noch größer bis man der rechnerischen Sitzverteilung möglichst nahe kommt, also hier z.B. 14/9/8 = 31 Sitze (= 45%/29%/26%). Je nachdem, wie gross die auszugleichende „Unwucht“ ist, könnte der gesetzlich aus 598 Personen bestehende Bundestag daher theoretisch auf die genannten 800 oder noch mehr Abgeordnete anwachsen.
Darf ich da auch nachfragen: Sitzverteilung,Überhangmandate….
Ich meine mal was gehört zu haben, dass das auch mit den Bundesländern „verknüpft“ ist, d.h. dass die Zweitstimme länderbezogen ermittelt wird und damit auch die Mandate…
????
Ja, so ungefähr. :)
Was Bundestagswahlen so kompliziert macht ist der Umstand, dass dabei mehrere verschiedene Dinge miteinander kombiniert werden, nämlich a) zwei unterschiedliche Wahlsysteme und b) die Bundes- und Landesebene. Das klemmt und hakt ein wenig, aber man nimmt das in Kauf in der Hoffnung, dass das Ergebnis den tatsächlichen Willen der Wähler möglichst gut abbildet.
a) Bei der Erst- und Zweitstimme gelten zwei unterschiedliche Wahlsysteme: Bei der Erststimme die Mehrheitswahl (= der mit den meisten Stimmen gewinnt alles, die anderen haben Pech gehabt) und bei der Zweitstimme die Verhältniswahl (= alle bekommen unterschiedlich viel vom Kuchen ab, je nachdem wie beliebt sie sind). Beides hat Vor- und Nachteile: Bei der MW können die Wähler unmittelbar eine konkrete Person ins Parlament schicken, aber je nachdem wie groß ihr Stimmenanteil ist fallen auch eine ganze Menge Wählerstimmen der „Verlierer-Kandidaten“ hinten runter und werden vom Ergebnis nicht abgebildet. Bei der VW ist es umgekehrt: Hier wählt man eine Partei, hat also keinen Einfluss auf das Personal sondern bestimmt bloss eine grobe politische Richtung, aber dafür finden sich dann auch Minderheitenpositionen im Parlament wieder.
b) Obwohl der Bundestag das Parlament für ganz Deutschland ist, spielen auch die einzelnen Bundesländer eine wichtige Rolle. Jedes Bundesland ist in mehrere Wahlkreise aufgeteilt, die alle ungefähr gleich groß sind (grob über’n Daumen gepeilt je etwa 300.000 Bürger). Insgesamt gibt es davon 299 Stück, und aus jedem davon wird über die Erststimme eine Person direkt ins Parlament geschickt. Daneben stellen die Parteien in den einzelnen Bundesländern einige Monate vor der Wahl jeweils eine Namensliste zusammen mit den Personen, die diese Partei im Parlament vertreten sollen; aus diesen Listen werden die übrigen Mitglieder des Bundestages bestimmt.
a+b) Nach der BTW schaut man sich nun zuerst an, welche Parteien deutschlandweit mindestens 5% der Zweitstimmen oder mindestens drei Direktmandate (Mandat = Wählerauftrag von lateinisch mandare = beauftragen) erzielt haben. Im ersten Schritt werden dann auf diese Parteien entsprechend ihrem Stimmenanteil die 598 Bundestagssitze verteilt. Im zweiten Schritt schaut man sich an, wie viele Zweitstimmen die jeweilige Partei in den einzelnen Bundesländern erzielt hat, und teilt die der Partei zugewiesenen Sitze entsprechend auf. (Siehe oben im Filmchen ab ca. 1:00.) Die so „reservierten“ Sitze werden dann zunächst mit den erfolgreichen Direktkandidaten aus dem jeweiligen Bundesland gefüllt, und bei dem Rest kommt die Landesliste zum Zuge. Wenn es nun in einem Bundesland mehr erfolgreiche Direktkandidaten als reservierte Plätze gibt, spricht man von Überhangmandaten. Die sind dann zwar quasi „zuviel“, aber weil hinter ihnen ein unmittelbarer Wählerauftrag steht kann man diese Personen nicht einfach wieder nach Hause schicken. (Siehe oben im Filmchen ab ca. 1:35.)
Plakativ formuliert ist so weitestgehend sichergestellt, dass wir nicht bloß zwei Parteien im Bundestag haben und die Abgeordneten nicht alle entweder aus NRW oder aus Bayern kommen. ;)
Vielen Dank für das Beispiel, – das macht es klar. Interessant ist, wie die Anzahl der Sitze für Partei B anwächst. Von 6 über 8 auf 9.
Ich habe da was anders verstanden.
Also erstmal zu der Motivation des Bundesverfassungsgerichts. So wie ich das Video oben verstanden habe, dann war der ausschlaggebende Grund für die Gesetzesänderung das sogenannte negative Stimmgewicht und eher nicht die Bedeutung von Zweit zu Erststimme auch wenn das durch das neue Verfahren so erscheint.
Dann – die Berechnung der 2. Runde habe ich anders verstanden.
Aber erstmal die erste Runde – meinem Verständnis nach funktioniert die Berechnung in der ersten Runde mit dem Zuteilungsdivisor folgendermassen (bundesweit):
Anzahl der (anrechenbaren) Zweitstimmen der Partei (bundesweit) geteilt durch Zuteilungsdivisor. Der Zuteilungsdivisor ist hier Anzahl der (anrechenbaren) Zweitstimmen (bundesweit) geteilt durch Anzahl aller Sitze (also hier 20).
Für Partei A ist die Anzahl der Zweitstimmen also 0.45 mal Anzahl aller Zweitstimmen, da Partei A ja 45% der Zweitstimmen bekommen hat.
Setzt man das in die Formel ein, dann kürzt sich die Anzahl aller Zweitstimmen raus und man hat 0.45*20=9, wie Eule auch oben schrieb, d.h. da haben wir also das gleiche Ergebnis.
Für die zweite Runde will man jetzt aber die 2 Überhangmandate von Partei B ausgleichen, d.h. aber insbesondere -so wie ich das verstanden habe- würden die 2 Überhangmandate von Partei B gleich bleiben.
Man weiss nun das
0.3 *Zweitstimmen geteilt durch Zuteilungsdivisor die Zahl 2 ergeben muss (Nämlich diel zwei Überhangmandate von B).
Der Zuteilungsdivisor ist Zweitstimmen geteilt durch unbekannte Anzahl von Auffüllsitzen.
Daraus erhält man für die unbekannte Zahl von Auffüllsitzen (nach Kürzen der Zweitstimmen):
2 geteilt durch 0.3 ist gleich 6.6666.. , also aufgerundet 7 Sitze.***
Der Zuteilungsdivisor ist also Zweitstimmen geteilt durch 7 damit ergibt sich für Partei A also 0.45*7 = 3.14 also 3 Sitze
Und für Partei C dementsprechend 0.25*7=1.75, also aufgerundet 2 Sitze. Dh die Verteilung der Überhangmandate würde jetzt
3/2/2 lauten und die Gesamtsitzverteilung damit: 12/8/7 (also ca. 44.444%/29.62%/25.92% )falls ich mich jetzt nicht verrechnet habe.
*** Hier sieht man auch wie das Ergebnis was ich oben im Kommentar erwähnt habe zustande kommt:
In diesem Beispiel ist die Anzahl der Zweitstimmen, die die Partei bekommen hat 1 (also eine Stimme), d.h. kompliziert ausgedrückt man hat hier einen Anteil von 1 geteilt durch ca 43 Mio aller Zweitstimmen (falls 43 Mio die Anzahl aller Zweitstimmen ist), statt z.B. einen Anteil von 0.45 aller Zweitstimmen, wie Partei A in Eules Beispiel. Wenn man drei Überhangmandate hat, dann errrechnet sich also die unbekannte Zahl von Auffüllsitzen aus der Formel:
1 geteilt durch 43Mio mal unbekannte Zahl von Auffüllsitzen ist gleich 3 (nämlich die Anzahl der Überhangmandate), daraus ergibt sich, dass die unbekannte Zahl von Auffüllsitzen hier also 3 mal 43 Millionen ist.
Stimmt, bei dem Urteil des BVerfG ging es primär um das negative Stimmgewicht; die Überhangmandate fallen aber in die gleiche Problematik hinein (nämlich dass der Wählerwille durch die Zusammensetzung des Bundestages verfälscht werden kann), weshalb das BVerfG im selben Urteil den Gesetzgeber zu einer Entschärfung der Überhangmandat-Gefahr verpflichtet hatte.
Was den Ausgleich von Überhangmandaten angeht: In der Begründung des Gesetzentwurfes heißt es: “ Die ohne die Sitzzahlerhöhung auftretenden Überhangmandate werden durch Vergabe weiterer Sitze bis zur Herstellung des bundesweiten Proporzes nach dem Verhältnis der Zweitstimmen ausgeglichen.“ (Hervorhebung von mir.) In §6 Abs. 5 BWG heißt es jetzt: “ Die Zahl der […] verbleibenden Sitze wird so lange erhöht, bis jede Partei bei der zweiten Verteilung der Sitze […] mindestens die bei der ersten Verteilung […] für sie ermittelten zuzüglich der in den Wahlkreisen errungenen Sitze erhält […].“ (Hervorherbungen von mir.)
Im Fall von Überhangmandaten wird also nicht von der Anzahl der Überhangmandate ausgehend pauschal eine Formel angelegt und fertig, sondern es muss schrittweise eine Gesamtsitzanzahl ermittelt werden („so lange erhöht“, also im Grunde Trial-and-error-Methode), die so auf die Parteien verteilt werden kann dass das Sitzzahlverhältnis dem Zweitstimmenverhältnis möglichst genau entspricht, also der Proporz erreicht ist. Das kann auch bedeuten, dass eine Partei zusätzlich zu Überhangmandaten noch weitere Sitze draufbekommt, wenn man dadurch näher an den Proporz kommt – jedenfalls ist dies soweit ich sehen kann nirgendwo ausgeschlossen.
Hallo Eule
Ich werde jetzt erstmal auf den ersten Teil eingehen, zum zweiten Teil dann später – insbesonder habe ich eigentlich nicht die Zeit mich zu lange mit den Sachen hier zu beschäftigen, finde das Ganze aber einigermassen beunruhigend.
Ich finde schon mal die Bemerkung, dass „der Wählerwille durch einen Wahlalgorithmus verfälscht werden kann“ problematisch. Bei jeder Art von Vertreter-Wahl kann der Wählerwille nicht haargenau eins zu eins abgebildet werden. Da kann also dann auch nichts verfälscht werden. Es kann natürlich sein dass ein Wahlmechanismus nicht geeignet ist das widerzugeben, was man wiedergeben möchte, dh man sollte vielleicht eher sowas sagen, wie dass der Wählerwille durch eine bestimmte Art der Wahl schlecht widerspiegelbar ist.
Insbesondere was hier wohl gemeint ist (???), ist das die meisten Leute denken, dass die Zweitstimme die Parteienverteilung und damit den „Wählerwillen“ vorgibt. (???) Aber ich habe das zum Beispiel nicht so gesehen und meine Erst und Zweitstimmenwahl dementsprechend so in etwa angepasst. Dh es könnte sein, dass da Annahmen über die Wähler gemacht werden, die nicht unbedingt stimmen müssen. Wenn man einen Wahl-Algorithmus kennt dann kann man sich im Prinzip so ungefähr ausrechnen, wie welche Wahl wie wirken könnte.
Bin mir nicht ganz sicher ob ich das mit dem negativen Stimmgewicht richtig verstanden habe, also so wie ich Wikipedia zum negativen Stimmgewicht verstanden habe funktioniert das zb so:
Angenommen eine Partei hat im Bundesland A 50% alle ihrer Zweitstimmen und im Bundesland B die anderen 50% aller Zweitstimmen. Dafür bekommt sie jeweils einen Sitz in Bundesland A und B. Nun nehmen wir zusätzlich an, dass diese Partei zwei Direktmandate in Bundesland A gewonnen hat. Dann würde die Partei mit 3 Abgeordneten in den Bundestag kommen. Dh. ein Direktmandat würde mit dem Listenplatz im Bundesland A verrechnet werden, der andere Direktkandidat würde als Überhangmandat in den Bundestag komen und ein Listenplatz würde aus B kommen. Würden nun bei einer erneuten Wahl mehr Leute im Bundesland A diese Partei wählen als vorher und in B die Anzahl der Wähler geleich bleiben, dann würde sich die regionale Gewichtung verschieben, dh. es könnte passieren, dass nun 60% aller Zweitstimmen der Partei in Bundesland A gemacht worden sind und nur noch 40% im Bundesland B. Durch die unterschiedliche regionale Gewichtung kann es wohl nun so sein (habe das nicht überprüft), dass daher die Partei im Bundesland B ihren Listenplatz verliert und dafür aber in Bundesland A einen hinzugewinnt. Nun müsste sie aber den zweiten Direktkandidaten auf diesen Listenplatz schicken. D.h. die Partei würde damit, obwohl sie insgesamt mehr Stimmen gewonnen hat nur noch 2 Kandidaten in den Bundestag schicken können.
Wann das Verständnis so richtig ist, dann bedeutet das aber im Umkehrschluss, dass dieser „negative Stimmgewicht Mechanismus“ dazu führen kann, dass Überhangmandate abgebaut werden, also die Zweitstimme mehr Bedeutung erlangt, oder mit den Annahmen oben „der Wählerwille weniger verfälscht wird“. Dh negatives Stimmgewicht und Überhangmandate können, so wie es erstmal aussieht, auf eine bestimmte Art und Weise eine gegensätzliche Rolle bei der Widerspiegelung des Wählerwillens, spielen.
Okay, das ist sicher zu einem gewissen Grad Definitionssache. „Wählerwille“ bedeutet hier soviel wie „was Wähler durch gültige Stimmen ausgedrückt haben“, und das ergibt in der Summe bei der Zweitstimme einen bestimmten Parteienproporz, der sich möglichst genau in Mandaten niederschlagen soll. Durch Überhangmandate wird nun diese Mandatverteilung extern beeinflusst, also in diesem Sinne verfälscht.
Zum Thema negatives Stimmengewicht ist dieses etwas ältere Beispiel hier vielleicht ganz anschaulich:
http://www.wahlrecht.de/ueberhang/bsp98.html
(Anmerkung der Vollständigkeit halber: Dort ist noch nach Niemeyer gerechnet, seit 2009 wird Sainte-Laguë/Schepers verwendet.)
Oder auch in dem Filmchen der bpb oben ab ca. 3:00, speziell veranschaulicht von 3:13 bis 3:18.
Hallo Eule
Das Filmchen zeigt den ungefähren Mechanismus so ähnlich wie ich das was ich mit Worten beschrieben hatte und benutzte insbesondere genauso wie ich nur irgendwelche Phantasiezahlen, daher ist der Link zu http://www.wahlrecht.de zur der Erklärung dort mit richtigen Zahlen und konkreten Rechnungen sehr hilfreich gewesen. Jetzt glaube ich habe ich verstanden wie das mit dem negativen Stimmgewicht genau zustande kommt. Ich hatte es ja schon fast geahnt – es handelt sich hier also um Rundungserscheinungen!
Ich vermute mal Sainte-Laguë/Schepers ist ein anderes Rundungsverfahren ?, daher wäre das jetzt schon interessant zu wissen wie das funktioniert. Leider hat wahlrecht.de nur Beispiele mit dem Niemeyerrundungsverfahren, also Beispiele bis 2005. Sollte es daher hierzu irgendwelche weiteren Informationen geben wäre ich dankbar für jeden Hinweis.
Ja, Rundungserscheinungen, die bei der Unterverteilung zu Verschiebungen führen können. Sehr gut zu beobachten war das bei der BTW 2005, als im Wahlkreis Dresden I eine Nachwahl stattfinden musste und die Wähler den Effekt taktisch gezielt einplanen konnten:
http://www.wahlrecht.de/ueberhang/beispiel-bundestagswahl-2005.html
(Dieser konkrete Fall spielte eine Rolle bei den Wahlprüfungsbeschwerden, die zu den BVerfG-Urteilen geführt haben aufgrund derer das Wahlrecht geändert wurde.)
Zu den verschiedenen Berechnungsmethoden gibt es eine hilfreiche Kurzdarstellung beim Bundeswahlleiter:
http://www.bundeswahlleiter.de/de/aktuelle_mitteilungen/downloads/Kurzdarst_Sitzzuteilung.pdf
Hallo Eule und Manuel
Eule, vielen Dank für den Link zum Bundeswahlleiter.
Also nachdem ich mir die Berechnungsmethoden angeguckt habe denke ich nach wie vor das die Rechnungen, die ich hier in Kommentaren vorgestellt habe richtig sind und daher habe ich eigentlich auch noch vor hierzu was zu sagen. Im Moment habe ich aber lauter Stichtage vor Augen (heisst etwas wenig Zeit) und der Stichtag der Wahl ist ja noch hin. :) In diesem Sinne habe ich auch noch nicht weiter nach einer lustigen Iforgraphik zum Thema Direktkandidaten zu den Bundestagswahlen gesucht.
Hallo Manuel
habe keine Übersicht über alle Wahlkreise Deutschlands gefunden, aber zB. Mecklenburg Vorpommern bietet eine schöne interaktive Übersicht, wie sich Wahlkreise geographisch verteilen, durch raufklicken, bekommt man dann genaueres zu sehen, wie hier z.B. nur so als Beispiel die Erst- und Zweitstimmenverteilung im Wahlkreis 35.
Hier bekommt man auch einen Überblick über die genauen Zahlen, so sind z.B. 10% der Wähler 1496 Personen. Also ungefähr 1500 Personen haben hier „Sonstige“ gewählt. Die Wahlbeteiligung lag in diesem Wahlkreis allerdings auch nur bei 53,8%. Im gesamten Bundesgebiet lag sie laut Wikipedia bei 70,78%.
Man sollte vielleicht der Vollständigkeit noch hinzufügen, dass es sich hier um den Landtag handelt, Habe leider keine so eine gute Karte für den Bundestag gefunden.
Danke, vielen Dank für das Beispiel und die Mühe. Den Zuteilungsdivisor zu berechnen ist die saubere Lösung. Bei Eule habe ich mir einfach gedacht Partei B bekommt ihre 2 Direktmandate und das Ergebnis am Ende kommt der Verteilung der Zweitstimmen nahe.
Also für den einfachen Fall, dass nur Partei B Direktmandate bekommt, wird es außer den Direktmandaten keine weiteren Ausgleichsmandate geben.
Jetzt habe ich ein bisschen mehr zu den Bundestagswahlkreisen gefunden:
So wird z.B. die Region, die im obigen Landtagswahlkreis liegt, wohl nun im neuen Bundestagswahlkreis 16 liegen.
D.h. die alte Aufteilung der Wahlkreise wurde wohl für die neue Bundestagswahl zumindest in Mecklenburg Vorpommern verändert.
Eine Prognose der Wahlkreisergebnisse ist daher für diesen neuen Wahlkreis schwierig.
Daher wäre es aus offensichtlichen Gründen interessant zu sehen, wie sich die Anzahl der Listenplätze gestaltet.
Der Bundeswahlleiter veröffentlicht hierzu wohl nichts, d.h. man findet unter dem Link Direktkandidaten:
Bei den Parteien habe ich z.B. auf den Seiten der CDU und SPD auf denen ich nachgeguckt habe auch nichts zu den jeweiligen Listen gefunden, daher war ich dann doch erfreut das Wahlheft 1/2013 des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommerns zu finden. Da scheint sich zwar ein kleiner Tippfehler eingeschlichen zu haben (die Liste der Anzahl der Listenbewerber scheint nicht ganz deckungsgleich mit der Anzahl der genannten Namen), aber so ungefähr kann man anhand dieses Dokuments gut sehen, wie eine Komplettumwandlung aller Listenplätze in Auffüllsitze (welche bei dem oben beschriebenen Fall von 3 Direktkandidaten und kaum Zweitstimmen eintreten könnte) eine doch erheblich andere Sitz-Verteilung, als die ursprüngliche Verteilung der Zweitstimmen geben könnte. In meinen Augen wäre solch eine – zwar nicht sehr wahrscheinliche aber doch mögliche Verteilung definitiv keine Widerspiegelung des Wählerwillens und somit klar verfassungswidrig. Aber ich bin kein Rechtsgelehrter und vielleicht habe ich ja daher auch die Gesetzestexte einfach nur ganz falsch verstanden.
Bliebe also nur die Frage: Welche Wahltaktik sollten wir verfolgen, um die Zahl der Überhangmandate so gering wie eben möglich zu halten?
Wow, plötzlich kommen allerhand sehr gut gemachte Erklärvideos zur Bundestagswahl zum Vorschein! Ich persönlich habe bisher auch einfach noch nicht verstanden, wie das mit den Ausgleichsmandaten funktionieren soll. Gelernt habe ich es dann mit dem interaktiven Film auf http://www.bundestagswahl-erklaert.de . Das Geniale daran ist, dass man selbst entscheiden kann, welche Themen einen interessieren und man muss sich nicht irgendwas ansehen, was einen gar nicht interessiert, oder was man bereits weiß.