Syrien-Akte: Mehr westliche Technologie für das Regime

Dieser Beitrag wurde von Leila Nachawati für GlobalVoices geschrieben und von Katrin Zinoun übersetzt. Er steht unter der CC-BY-Lizenz.

Westliche Technologie hat seit Jahren eine Hauptrolle bei der Versorgung des syrischen Regimes mit Instrumenten zur Verfolgung und Unterdrückung der Bürger gespielt. Die aktuellste Wikileaks-Akte zu Syrien , die mehr als 2 Millionen Mails von Politikern und Unternehmen enthält, offenbart, dass die Beteiligung westlicher Unternehmen an der Unterdrückung der syrischen Bürger weitergeht trotz Sanktionen und internationalem Druck.

Unterstützung für Kommunikationsausrüstung

Laut der E-Mails, die von Wikileaks am 5. Juli veröffentlicht wurden, liefert die italienische Verteidigungsfirma Finmeccanica seit 2008 Unterstützung für Kommunikationsausrüstung für das syrische Regime. In diesem Jahr unterzeichnete Selex Elsag, eine Tochter der Finmeccanica, einen Vertrag mit der syrischen Funkorganisation durch das führende griechische Telekommunikationsunternehmen Intracom S.A. Über die Lieferung von Hightechfunkgeräten. Im Mai 2011, zu der Zeit, als sich die Unruhen schon im ganzen Land ausgebreitet hatten, stimmten sie zu, den Umfang des Vertrages zu vergrößern.

Finmeccanica-Selex Elsag ist nicht das erste westliche Unternehmen, das an der Hilfe für das syrische Regime beteiligt ist. Protokolle, die von der Aktivistengruppe Telecomix im letzten Jahr veröffentlicht wurden , enthüllten, dass die syrische Telekommunikationsindustrie Geräte des US-Unternehmens Bluecoat benutzte, um HTTP Verbindungen im Land zu filtern und überwachen. (Anmerkung: Ein Sprecher des US-Handelsministeriums gab im April dieses Jahres zu, dass Blue Coat unter Beobachtung steht.) Area SpA, eine Überwachungsfirma außerhalb von Mailand, arbeitete mehrere Jahre daran, ein System zu installieren, das es der syrischen Regierung erlaubt “nahezu jede Ecke des Internet im Land anzugreifen“, genauso wie Handys, Festnetzverbindungen und Autos. Kurz vor Fertigstellung des Projektes und angesichts des Mediendruckes gegen dessen Unterstützung der Unterdrückung syrischer Bürger, kündigte Area seinen Austritt aus dem Projekt an. Selex beliefert das syrische Regime jedoch weiterhin.

Da Sanktionen ein Problem für die Versorgungskette darstellten, hat Selex hart daran gearbeitet, alternative Wege zu finden, die Komponenten für das Projekt zu beschaffen. Im Februar 2012, fast ein Jahr nach dem Anfang des Aufstandes und als die Todeszahl fast schon 10.000 erreicht hatte, wurde bestätigt, dass Unternehmensvertreter Damaskus besuchten, um Ingenieure des syrischen Unternehmens Intracom Telecom zu schulen. Die Beziehung zum syrischen Regime kompromittiert nicht nur das Unternehmen, sondern auch die italienische Regierung, da Selex von Rom kontrolliert wird.

Beratung zu PR und Kommunikation

Technische Unterstützung ist nicht die einzige Hilfe, die das syrische Regime von westlichen Unternehmen erhält. Andere von Wikileaks veröffentlichte E-Mails legten offen, dass das Unternehmen Brown Lloyd James dem Regime Beratung für PR und Kommunikation angeboten hat. Eine E-Mail, die am 19. Mai 2011 an Fares Kallas, langjähriger Berater von Asma al-Assad, gesendet wurde, enthält einen spezifischen Leitfaden, wie man die Medienschlacht gewinnt.

Wenn harte Macht notwendig ist, um einen Aufstand zu unterdrücken, dann wird sanfte Macht benötigt um den syrischen Menschen und Außenstehenden zu versichern, dass die Reform zügig fortschreitet.

Die E-Mail wurde mit dem Betreff „Analyse der Krisenkommunikation“ versendet und enthält eine Liste von Maßnahmen, um Geschichten zurückzuhalten, die das Image der Regierung im Ausland beeinflussen könnten. Diese Geschichten werden von Brown Lloyd James beschreiben als „negative von Oppositionellen außerhalb Syriens verbreitete Mediengeschichten“. Das Unternehmen bietet Empfehlungen, diesen entgegenzuwirken:

  • 24-Stunden-Medienüberwachung und Warnsystem sollte aktiviert sein, vorzugsweise in Märkten in Großbritannien und den USA
  • Social-Media-Seiten sollten überwacht werden und falsche Seiten sollten verboten und entfernt werden
  • Ein ständiges fortwährend geführtes Kommunikationsdokument, dass Argumente enthält, die auf die neuesten Entwicklungen abgestimmt sind

Neben diesen Maßnahmen besteht das Unternehmen darauf, dass „Anstrengungen unternommen werden sollten, die Normalität vermitteln und einen Kontrast zu den aktuellen Nachrichten darstellen, die Syrien am Rande des Chaos zeigen. Es empfiehlt auch den Patriotismus der Syrer anzusprechen und die Präsenz der First Lady zu intensivieren, um „Stärke und Sympathie zu zeigen”

Die Beratung der Firma Brown Lloyd James stimmt mit der Strategie überein, die das Regime seit Jahrzehnten entwickelt hat: Die Legitimität der Opposition abstreiten und sich auf die Verbesserung des Images der Regierung im und außerhalb des Landes konzentrieren, anstatt wirklichen Wandel vor Ort durchzusetzen.

Es gibt eine deutliche Beziehung zwischen der Technologie, die von Unternehmen wie Finmeccanica bereitgestellt wird, und der Unterdrückung der Opposition in Syrien. Durch die Legitimierung und der Hilfe für das Narrativ des Regimes trägt Brown Lloyd James dazu bei, den Kampf des syrischen Volkes für Freiheit und Gerechtigkeit zu verhindern. Beide Beispiele, die nicht die Letzten sein werden, beweisen den Widerspruch zwischen dem offiziellen westlichen Diskurs, der die Notwendigkeit das Regime zu isolieren betont, und dem Mangel an Willen, eine profitable ökonomische Beziehung zu beenden.

Danke an Wassim Zabad für seine Hilfe beim Durchsuchen der Akten.

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2 Ergänzungen

  1. Wenns denn keine Waffen sein dürfen, dann wenigstens „Überwachungstechnologie“…:-(

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