Vor kurzem hat Markus mit seiner Frage „Einfach mal die Kommentare schließen?“ über 350 Kommentare und eine Debatte über digitale Kommentarkultur ausgelöst. Ingrid Brodnig, für netzpolitische Themen zuständige Redakteurin der Wiener Stadtzeitung Falter, hat sich nun für einen längeren Artikel mit dem Titel „Täter hinter der Tastatur“ auf die Suche nach den Menschen hinter Kommentaren in Zeitungsforen gemacht. Kein einfaches Unterfangen:
Selten war eine Recherche so schwierig: Es dauerte Wochen, um genügend Interviewpartner zu finden. Fast alle von ihnen forderten Anonymität – und noch mehr als das: Viele Gespräche konnten nur unter der Zusage stattfinden, dass ihre Identität verschleiert wird. Für eine Journalistin ist das eine skurrile Situation: Man sitzt im Wohnzimmer einer Person, spricht über ihr Leben und kann nahezu nichts davon verwenden. Es herrscht Geheimhaltung, als würde man den Angehörigen eines Zeugenschutzprogramms interviewen.
Anonymität sei aber nicht der einzige Grund für das bisweilen enthemmte Kommentarverhalten in Online-Medien:
Auch die Unsichtbarkeit der Akteure, die Asynchronizität der Kommunikation oder das Fehlen von Autorität spielen eine Rolle. Online sieht man nicht, wie eine Beleidigung beim Gegenüber Schmerz auslöst. Man muss sich nicht mit den Konsequenzen beschäftigen.
Brodnig zu Folge kann Enthemmung aber auch positiv sein, wenn sie dazu führt, dass sich auch Schüchterne zu Wort melden. Lesenswert.
Anonym | Pseudonym | Klarnamen – schick :-)
Ich finde, dass zumindest zu Blogs eine Kommentarfunktion gehört. Bei größeren Zeitungen habe ich bisher eher selten Kommentiert, da bin ich dann doch irgendwie zu schüchtern für ;-). Aber ich verstecke mich auch nicht wirklich, bin nicht wirklich Anonym, vielleicht liegt das auch daran ;-)
Wenn ich der Meinung bin, dass Herr Friedrich in seiner Funktion als Bundesinnenminister eine Gefahr für die Freiheit ist sage ich das ohne mich hinter einem Pseudonym zu verstecken. Wenn ihm das nicht gefallen sollte kann er mich dann gerne verklagen, denn damit bekomme ich die Möglichkeit zur Begründung.
…soweit, so nett.
Aber nicht jede Person kann es sich aufgrund von beruflichen Abhängigkeiten (z.B. beschäftigt bei Behörden oder öffentlich geförderter Institution) so offen mit Klarnamen aufzutreten.
Wer kann es sich heute leisten, omit Familie und ohne Job nach kurzer Zeit HartzIVler zu sein?
Es darf auch nicht sein das sich Deutsche sogar offline im realen Leben hinter annonyme Pseudonyme wie „Meier, Müller oder Schmidt“ verstecken und damit schon ganze Adress- oder Telefonbücher „Zugespamt“ hatten… ;-)
Damit könnte man sich ganz gut bei „Wetten, dass…?“ bewerben.
Wette: „Ich wette, 20 Seiten des Kölner Telefonbuchs auswendig wiedergeben zu können! “
Einlösung: „Schmitz, Schmitz, Schmitz, Schmitz, Schmitz, …“
Zum Thema: Mir persönlich wird nicht ganz klar, welches Fazit die Dame zieht bzw. zu welchen Ergebnissen (nebst etwaiger Handlunsempfehlungen) ihre Portraits führen. Vielleicht übersehe ich es einfach nur…
Außerdem fehlt mir persönlich ein entscheidener Punkt. Nàmlich die Auseinandersetzung mit z.B. sogenannten „Whistleblowern“, „Leakern“, „Hackern“. In dem Zusammenhang sollte man sich m.E. auch mal fragen, wer eigentlich federführend und warum so vehement die Anonymität
verteufelt.
Ich für meinen Teil kann ganz gut mit Trollen und Pöblern in blogs, Foren und Co. leben. Es ist mitunter nervig, keine Frage, und oftmals auch nicht des Themas dienlich. Besonders für die Betreiber, admins und Moderatoren die solch eine fantastische der direkten Interaktion ermöglichen. Ich zolle meinen Respekt den Machern solcher blogs und Foren und bewundere deren teilweise erforderliche Geduld.
Damit komme ich dann zu der Frage, zu welchem Preis eine Anonymität dann aufgegeben werden soll. Weil sich einzelne etwa beleidigt fühlen (wer definiert eigentlich „Beleidigung“), weil einzelne evtl. auch Kraftausdrücke in ihren Formulierungen einbauen („Scheiße“, „Arsch“, u.ä. sind für mich persönlich übrigens keine „bösen“ Worte sondern stehen sogar im Duden. Werde ich jetzt zensiert?). Meines Wissens nach wurde beispielsweise das Mädchen, welches sich demletzt bedauerlicherweise das Leben genommen hatte von Menschen Klarnamen zu dieser Entscheidung getrieben. Ist doch Richtig, oder? Man kann jetzt natürlich nur noch mutmaßen, ob sie sich Kommentare von anonymen Kommentatoren genau so zu Herzen genommen hätte…
Aber auch Dinge, wie [off-topic] zum Beispiel können m.M.n. gewisse Themen bewusst oder eher zufällig befruchten. Auch mal ’n Witz, Sarkasmus/Zynismus, Provokation u.s.w. entwickeln sich oftmals zu interessanten Dialogen. Viele Menschen fühlen sich dazu anonym offenbar eher in der Lage interaktiv mitzuwirken. Die „Zeit“ zum Beispiel ist da in dem Punkt m.E. zu restriktiv – sämtliche Kommentare wiederholen sich lediglich, eine wirkliche Diskussion findet nicht statt. Im Grunde sind das also m.M.n. digitale Leserbriefe, bei denen sich die 3-5 in der Printausgabe gedruckten Leserbriefe in der Online-Ausgabe einfach nur um einen Faktor X wiederholen. Lediglich durch individuelle Autoren anders formuliert. Dadurch wird m.M.n. das Potential, welches das Interagieren bietet arg beschnitten…
Kurzum: Ich persönlich erachte die „Anonymität im Netz“, wie es ja so oft genannt wird, als eine schützenswerte Möglichkeit, Meinungen frei auszutauschen und z.B. leaks zu veröffentlich die genau diejenigen offenbar stören, die die Anonymität mit aller Gewalt abschaffen wollen (wie auch immer dieses Unterfangen auch aussehen mag). ;-)
Übrigens heiße ich in Wahrheit gar nicht „Baxter“, sondern Jupp Schmitz… oder so… ;-)
In diesem Sinne, Baxter
Ich bin im Internet nicht aufmüpfiger und auch nicht zurückhaltender als im realen Leben. Wer mir gegenübersteht bekommt meine Klare Meinung zu hören. Mit dem Unterschied, dass ich im Netz nicht unter alles meinen Namen schreiben muss und das ist auch gut so.
Ich halte Nix vom Klarnamenszwang. Anonymität muss sein. Amanda Todd ist hier allerdings kein gutes Beispiel. Sie war schon deshalb nicht anonym, weil sie ein Bild von sich einem Erpresser gegeben hatte, der sie damit erpresst hat. Aufgrund der dann folgenden Mobbingaktionen hat sie irgendwann aufgegeben und sich umgebracht. Es war bodenlosr Leichtsinn von ihr, einem Kriminellen solche Möglichkeiten zu geben.
Anonymität ist ganz besonders wichtig, wenn es gegen Regierungen geht. Das gilt nicht nur für Diktaturen, sondern hier durchaus auch. Resultat = Hartz4 wurde ja schon genannt.
Aber: Anonymität darf kein Freibrief sein für das Vergessen jeder guten Erziehung. Offen und frei geradeheraus schreiben bedeutet nicht, Jemanden als „Arsch“ zu bezeichnen. Hinter solchen Äusserungen steht einfach nur maßlose Dummheit. Man kann anderer Meinung sein, und die Anonymität sollte es erlauben, diese andere Meinung auch äussern zu können. Aber das hat Nix mit persönlichen Beleidigungen zu tun. Ich akzeptiere es, wenn Andere andere Meinungen haben. Auch nicht begründete Meinungen sind Meinungen. Ich kann diese ignorieren. Aber weder werde ich es dulden, von Jemadem deswegen als „Arsch“, „Idiot“, „Versager“ oder ähnliches betitelt zu werden, noch werde ich mich dazu hinreissen lassen, jemand Anderen so zu bezeichnen. Solche Entgleisungen haben Nichts, aber auch gar Nichts mit freier Meinungsäußerung zu tun. Wer einfach nur Andere runterputzt gehört nicht ins Internet. Wer nicht kommunikationsfähig ist sollte eben die Klappe halten.
Nur kurz, da ich mir nicht sicher bin ob du dich im Bezug auf beispielsweise das Wort „Arsch“ auf meinen Beitrag (mit)bezogen hattest: Ich meinte damit nämlich lediglich die Art der Formulierung und NICHT etwa direkte Beleidungen unter Verwendung von Kraftausdrücken.
Bei manchen reicht eine pure Verwendung derartiger Begriffe nämlich bereits schon aus, um den gesamten Kommentar zu zensieren (bei diversen Online-Ausgaben verschiedener Zeitschriften, z.B.).
Beispiel(e):
Ob jemand „das geht mir am Arsch vorbei“ oder „das tangiert mich peripher“ schreibt ist in meinen Augen zumindest genauso wenig ein zwingendes Kriterium wie wenn jemand schreibt das er etwas „scheiße“ anstatt „suboptimal“ findet…
That’s all
Nur sicherheitshalber: Ich meine die direkte Beleidigung. Da ich ja in meinem Kommentar dieses Fäkalwort selbst gebraucht habe, sollte dadurch eigentlich dieser Sachverhalt zu erschließen sein :)
Aber sicher ist sicher.
Die Pläne zum Ende der „Anonymität“ reichen doch schon längst viel weiter , von der Abschaffen des Bargeldes um alle Einkäufe Überwachen zu können bzw. Anonymes Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder den privaten Verkehrsmitteln mittels „Notruf“ GPS Sender…..bis zum Bio DNA Chip in Ausweisen.
Das Internet Pseudonym und Klarnamen Debatte spielt da nur eine untergeordnete Rolle ist aber wohl ein Testfeld wie weit man gehen kann und welche Agrumente bei der Bevölkerung dafür ankommen.
Mit der flächendekender Einführung von IPv6 sollte sich das sowieso Erübrigen , vermutlich bekommt jeder von seinen Provider dann 20-50 persönliche IP Adressen und jedes seiner Geräte ist im Netz eindeutig Identivizierbar.
So einen Quatsch musste ich hier schon neulich lesen.
Dabei gibt es offizielle Statements von Providern, welche versichert haben mit der Einführung von V6 bei dynamischen Adressen zu bleiben.
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/neues-internet-protokoll-provider-versprechen-datenschutz-bei-ipv6-a-760274.html
http://www.datenschutz.de/news/detail/?nid=4902
Hier ist nur die Rede von Vodafone und Telekom, ich bezweifel aber dass die Wettbewerber statische Adressen verteilen und der Telekom dadurch Kunden zuspielen.
Da die dynamische Adressen technisch nicht mehr nötig sind , kann das dynamische System auch jederzeit wieder abgeschalten werden sowohl vom Provider als auch Softwareseitig vom Betriebssystem.
Darauf zu Vertrauen das dies nicht Geschehen wird bei einer Politik und Wirtschaft im Überwachungswahn welche selbst vor den „Klarnamenzwang“ und anderen „Quatsch“ nicht Haltmacht?
Ist IPv6 erst einmal Flächendeckend eingeführt werden diese Forderungen sicher kommen , da es Einfach und Bequem ist.
Denn wie war es zb. mit der Verwendung der Mautdaten ? Nur für Abrechnungszwecke oder der „Deep Packet Inspection“?
Nein, diesen Glauben habe ich Verloren , was technisch in dieser Hinsicht zur Überwachung möglich ist wird auch „früher oder später“ auch Realisiert .
Die feste IP Adresse hat auch ganz signifikante Vorteile. Gerade wenn es um Abmahnungen aufgrund schlecht recherchierter Zuordnungen geht, haben feste IP Adressen so ihren Vorteil. Zu klären wäre dann allerdings noch, wie es bei den Abzockern mit Tippfehlern aussieht. Und es gibt noch ein paar andere Scenarien, die hier falsche Anschuldigungen denkbar machen. Aber zumindest die Unsicherheit aufgrund schlechten Timings wäre damit vom Tisch. Ich glaube, das wäre es mir wert.
Und wenn ich anonymisieren will, kann ich noch immer Proxynetzwerke wie TOR verwenden.
Ich halte gerade auch anonyme und pseudonyme (gerne aber auch anonym, das heißt ohne Pflicht überhaupt einen Namen zu wählen) Kommentare für das wertvollste im Internet.
Es muss nur ein Umgang mit der Anonymität gefunden werden, und zwar gar nicht so stark bei den Schreibern, als viel mehr bei den Lesern. Jeder sollte wissen, was da steht kann von irgendwem kommen, man kann, muss es aber nicht ernst nehmen. Stört es einen, liest man es nicht. Oder liest es und lacht drüber.
Ein anonymer Kommentar ist die purste Form der Meinung die es gibt, der Schreiber hat nichts zu befürchten und kann daher völlig ehrlich sein. Natürlich kann er auch provozieren, aber das ergibt für ihn nur solange Sinn, wie sich die Leser provozieren lassen und er auch Reaktionen bekommt.
Steht ein Kommentar ohne Name irgendwo, in dem viel Unsinn und Provokation steht, dann ist einem medienkompetentem Leser einfach klar, Schwachsinn und Provokation, nicht reagieren. Erst derjenige der alles ernst nimmt macht den Kommentar gefährlich. Und erst seine heftige Gegenreaktion stößt wirklich die Diskussion an, wo entweder er gut getrollt wurde und sich mit anderen Mitpostern zerfleischt, oder wo einfach nur der anonyme Provokant ihm immer neue Aufreger hinwirft, auf die er sich dann stürzen wird.