CCC veröffentlicht Max-Planck-Studie: Vorratsdatenspeicherung hilft noch nicht einmal beim Enkel-Trick

Von Befürwortern der anlasslosen Überwachung von Telefon- und Datenkommunikation wird gerne mit einer ‚Schutzlücke‘ argumentiert, die durch die ‚fehlende‘ Vorratsdatenspeicherung entstanden sei, seit diese vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig zurückgewiesen wurde.

Der Chaos Computer Club hat eine wissenschaftliche Studie zugespielt bekommen und veröffentlicht, in der diese Behauptung geprüft wird. Sie wurde im Auftrag des Bundesamts für Justiz zwischen Mai und August 2010 von der kriminologischen Abteilung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht durchgeführt und trägt den Titel „Schutzlücken durch Wegfall der Vorratsdatenspeicherung?“

Das Fragezeichen im Titel lässt das Fazit schon erahnen:

„Die umfangreiche europaweite Erhebung und Auswertung des MPI offenbart, daß die Stammtischparolen von der ‚Schutzlücke‘ durch den Wegfall der anlaßlosen Telekommunikationsdatenspeicherung keine Faktenbasis haben“, faßte CCC-Sprecher Frank Rieger die Ergebnisse der Studie zusammen.

Selbst bei der Untersuchung ebenso prominenter, wie intuitiv zunächst einleuchtender Beispiele wie dem Enkel-Trickbetrug, der hauptsächlich per Telefon durchgeführt wird, können die Wissenschaftler keinen positiven Einfluss der Vorratsdatenspeicherung auf die Aufklärungsquoten ausmachen:

Im Vergleich der Entwicklungen des Enkeltrickphänomens in Deutschland, Österreich und der Schweiz, […] ergibt sich nicht, dass durch die unterschiedliche Gestaltung der Vorratsdatenspeicherung (die in Deutschland 2008/2009 zur Verfügung stand […] und in der Schweiz seit 2002/2004 Abfragen über 6 Monate in die Vergangenheit zulässt) Unterschiede in Ermittlungseffizienz […] resultieren.

Auch in den Bereichen beliebter Totschlag-Argumente wie Terrorismus und Kinderpornographie müssen sich Vorratsdaten-Fanatiker mit einem eklatanten Mangel an empirischen Anhaltspunkten zufrieden geben, wenn sie auch in Zukunft noch an ihren Parolen festhalten wollen.

Die 271-seitige Studie wird in der Pressemitteilung des CCC ausführlich zusammengefasst und steht unter vds.brauchts.net zum Download bereit.

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25 Ergänzungen

  1. Fakten haben fanatische Befürworter fragwürdiger Angelegenheiten noch nie davon abgehalten, noch fanatischer von den großartigen Vorteilen zu fabulieren.

  2. Dieses Verbrechen zeigt doch deutlich, dass wir die VDS brauchen. Es kann doch nicht sein, dass irgendwelche Leute mit Hilfe der Chaoten vom CCC das Urheberrecht der Ersteller der Studie verletzten können.
    Es macht mich schon sehr betroffen, wenn hier Pauschal der Eindruck entsteht, dass das in Ordnung ist.

    1. Genau! Das ist Urheberrechts-Terrorismus!

      (Hoffentlich genau so mit unsichtbaren Ironie-Tags wie der Kommentar von Martin.)

  3. Wir brauchen die Vorratsdatenspeicherung / Mindestspeicherfrist doch nur, weil die Polizei unterbesetzt, langsam und ineffizient ist. Damit sie auch noch 10 Jahre Rückwirkend in einer riesigen Datenhalde ermitteln können (siehe NSU)…

    Die Kosten für die Speicherung tragen natürlich die Provider. Je länger gespeichert werden muss, desto weniger Polizisten brauchen wir.

    1. Sogar hier hilft die VDS nicht…

      „Die Vorratsdatenspeicherung wird offensichtlich von vornherein nur begrenzt nützlich, da die Auswertung von
      Computern und Datenträgern häufig weitaus länger als 6 Monate dauert“

  4. in your face cdu/csu !
    imo, das schreit doch gerade zu nach einem dicken fetten gesetz, dass sowas niemals, unter keinen umständen eingeführt werden soll.
    kann dem nur zustimmen, dass man die ressourcen lieber in mehr + kompetentere polizei-ermittler stecken sollte.

    1. Das Dokument über die Studie wurde im September 2011 erstellt. Wann wurde die Studie offiziell auf der Website des MPI bereit gestellt?

  5. Jeder vernunftbegabte Mnesch weiss seit langem, das die Bürger das Ziel der faschistoiden Überwachungsparanonien sind und nicht selbsterfundene Terroristen.

  6. Jetzt wird auch mit dem staubalten Enkeltrick argumentiert. Es soll auch noch Leute geben, die Telefonzellen nutzen. In aller Öffentlichkeit ganz anonym?? Ein Skandal!!! Wann werden sie abgebaut? Kluge Enkelkinder nutzen Telefonzellen, noch klügere Omas legen auf. :-)

  7. Mmmhhh…

    Die Studie als solches überrascht hier ja wohl niemanden ernsthaft. Im Grunde dürfte man doch jetzt allerdings die Herrschaften (Ziercke und Konsorten) öffentlich als „Lügner“ bezeichnen, oder!?

    Das, was mich persönlich allerdings ein wenig irritiert ist die Tatsache daß diese Studie offensichtlich bereits Mitte 2010 beauftragt wurde. Und zwar im Auftrag des Bundesamts für Justiz. Bekanntlich das Resort von Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger!

    Wenn die Ergebnisse dieser Studie der Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bereits im Sommer 2011 bekannt waren, weshalb hat sie diese nicht offensiv kund getan!?

    Warum mussten wir uns zu dem Zeitpunkt immer noch diese Lügengeschichten ertragen und in meinen Augen viel wichtiger: Weshalb gab es überhaupt noch diese heuchlerische „Alternativen“-Diskussion?

    Solche Studien belegen doch genau das, was wir bereits wussten: Die einzige „Alternative“ zur VDS ist KEINE VDS! Punkt! Period! E basta!

    Es braucht schlicht und einfach keine sog. „Alternativen“. Wenn gefährliche Straftaten verübt wurden oder wenn die innere Sicherheit tatsächich einmal gefährdet sein sollte, dann gibt das Gesetz doch bereits die Möglichkeit zum entsprechenden Handeln. Es braucht doch niemand so zu tun, als sei man völlig machtlos nur weil irgendwelche Daten nicht anlasslos (!) gespeichert würden.

    Frage @all:
    Das Frau Leutheusser-Schnarrenberger meiner persönlichen Meinungen nach quasi „umgefallen“ ist, wird durch die offenbare Zurückhaltung der Studie m.E. untermauert. Gleichzeitig kommt sie mit ihrer sog. Alternative „Quick Freeze“ um die Ecke, wie man dieser Tage ja erfahren durfte. Siehe hier: http://www.bmj.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2011/20110117_Leutheusser_Schnarrenberger_legt_Eckpunkte_zu_Quickfreeze_vor.html

    Wetten das entwickelt sich dann genau wie dieser „Auskunftanspruch“ (§ 101 UrhG), der trotz Grundrechteinschränkung zum ungeprüften Durchwinkverfahren wird?

    A propos: Wofür „kämpfen“ die Herrschaften eigentlich so sehr für die VDS? Könnten evtl. die gleichen Motive wie bei „Zensursula“ vorliegen? Ich denke schon.
    –> VDS, Netzsperren, ACTA, SOPA, PIPA… alles in einen Sack und kräftig draufknüppeln!

    Daß die sog. „digitale Revolution“ nicht kampflos ablaufen würde, war ja vor Jahren schon klar. Aber daß das so dermaßen plump ablaufen würde – damit hätte ich für meinen Teil nicht gerechnet…

    Persönliches Fazit: Wir werden weiterhin nach Strich und Faden verarscht! Bitte aufwachen…

    Gruß aus Kölle, Baxter

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.