Udo Vetter hat über einen neuen Beschluss des Oberlandesgerichts Köln gebloggt, unter welchen Umständen das Gericht die Weitergabe von IP-Adressen an die Abmahnindustrie erlaubt. Und das ist recht interessant. Das OLG Köln ist für die Deutsche Telkom zuständig, die wiederum soll derzeit rund 190.000 IP-Adressen pro Monat auf Aufforderung rausrücken.
Als Grund für die Weitergabe der IP-Adressen muss ein „gewerbliches Ausmaß“ vorliegen. Das klingt erstmal nach „Mit einer Urheberrechtsverletzung Geld verdienen“, heißt aber in der Realität konkret, dass man einen finanziellen Vorteil erlangt.
Udo Vetter schreibt:
“Es bedeutet aber nach Auffassung der Gerichte nicht, dass der Filesharer selbst finanzielle Vorteile gehabt haben muss. Vielmehr reicht es für sie, wenn dem Rechteinhaber ein wirtschaftlicher Schaden entsteht.”
Und dieser „finanzielle Vorteil“ wird zumindest bei Musik für die „Abverkaufsphase“ bis zu sechs Monate nach Veröffentlichung vom Gericht gesehen (Ausnahmen sind spätere Singleauskopllungen oder wenn sich ein älteres Album wieder in den Charts befindet). Für Filme gibt es ebenfalls eine“Abverkaufsphase“, allerdings beginnt diese nicht nach Erscheinen im Netz oder im Kino, sondern gilt bis zu sechs Monate nach Veröffentlichung auf DVD.
Für Hörspiele gibt es derzeit wohl noch keine „Abverkaufsphase“.
Das Fazit von Udo Vetter:
Bei älteren Werken müssen die Rechteinhaber den Gerichten also genau darlegen, wieso die Urheberrechtsverletzung noch ein gewerbliches Ausmaß erreichen soll. Dies alles geschieht aber, bevor der Filesharer überhaupt angeschrieben wird. Bewilligt ein Gericht fälschlich die Herausgabe seines Namens und seiner Adresse, kann er selbst sich dagegen nicht mehr wehren. Er hat kein Rechtsmittel. Die Preisgabe der persönlichen Daten lässt sich also nicht rückgängig machen.
Trotzdem bleibt es natürlich ein gutes Argument gegen die Abmahnung selbst, dass die Urheberrechtsverletzung wegen des Alters der abgemahnten Titel jedenfalls kein gewerbliches Ausmaß hatte. Es lohnt sich also immer, das juristische Verfallsdatum der fraglichen Werke zu prüfen.
Hintergründe, was man bei Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen tun sollte, gibt es hier:
Der Netzpolitik-iRights-Podcast: Netzrecht im Gespräch 001.
Vorgehensweise bei Abmahnungen: Post vom Anwalt, was tun?
Moin!
Kleine Korrektur zum „gewerblichem Ausmaß“. Udo Vetter schreibt:
„Es bedeutet aber nach Auffassung der Gerichte nicht, dass der Filesharer selbst finanzielle Vorteile gehabt haben muss. Vielmehr reicht es für sie, wenn dem Rechteinhaber ein wirtschaftlicher Schaden entsteht.“
Es geht also eben nicht um den eigenen finanziellen Vorteil …
@tim: Danke für die Korrektur.
Gibt es eine Seite, auf der ersichtlich ist, welche Provider in DE im welchem Umfang mit der Rechteindustrie kooperieren? Telekom ist natürlich auf Kuschelkurs zu den Verwertern, aber wie sieht es bei den lokalen Providern aus. Eine Übersicht wäre klasse. Noch spannender wäre, wenn direkt auch Informationen zur Speicherdauer der IP-Adressen vorliegt. Dies scheint nach Ende der Vorratsdatenspeicherung ja auch jeder Provider zu halten, wie er möchte, wobei ich mich noch gut an Gerichtsurteile von vor der VDS erinnere, die den Providern die Speicherung der IPs bei Flatratekunden für die Abrechnung untersagten.
So weiß man doch nie, woran man wirklich ist. :/
versteh ich dass also richtig dass es einen unterschied macht ob ich mir ein erst vor weniger als 6 monaten erschienenes musikalbum oder eines mit vorheriger V.Ö raubkopiere???
das wär ja doch etwas sehr perfide! statt einem (jüngeren) best-of album zieht man sich dann halt alle alben….
könnte mich da jeman aufklären!?!
Das ist doch verrückte Logik direkt aus „Alice in Wonderland“:
‚When I use a word,‘ Humpty Dumpty said, in rather a scornful tone, ‚it means just what I choose it to mean — neither more nor less.‘
‚The question is,‘ said Alice, ‚whether you can make words mean so many different things.‘
‚The question is,‘ said Humpty Dumpty, ‚which is to be master — that’s all.‘
Gewerbliches Ausmass bedeutet nun mal, dass es auf den Gewinn ankommt, denn gewerbliches Handeln ist auf den Gewinn ausgerichtet. Das darf ein Gericht nicht einfach umdefinieren, weil es das vielleicht schön findet, oder weil es vielleicht wirklich gerecht ist. Sicher ist es extrem sinnvoll, dass die Zeit nach der Veröffentlichung eine Rolle spielen sollte, ist deshalb auch eine wichtige Forderung der Neugestaltung des Urheberrechts der Piratenparteien. Das sollen aber nicht die Gerichte eigenmächtig interpretieren, sondern dass muss der Gesetzgeber im Urheberrecht definieren.
Schaden aus „entgangener Lebensfreude“? Den vermeindlichen fianziellen Nachteil des einen als gewerblichen Vorteil eines anderen zu definieren ist schon extrem verquer.
Dabei wird auch noch die Beweislast umgekehrt, denn weder kann der „Geschädigte“ beweisen das seine „Schädigung“ im interesse des Gegners liegt, noch das ihm sonst mehr Umsatz beschert worden wäre. Real verloren hat er ja sowieso nichts.