Presserat-Beschwerde gegen Spiegel

Christiane Schulzki-Haddouti hat eine Beschwerde an den Presserat formuliert, weil der Spiegel Exklusiv-Zugriff auf die Wikileaks-Depeschen hat.

In ihrem Blogppost dazu begründet sie diesen Schritt:

Am 12.12. wurden erst 1 344 Depeschen veröffentlicht. Die Redaktionen werden daher – das gegenwärtige Veröffentlichungstempo vorausgesetzt – über Monate hinweg einen exklusiven Zugang zu dem Hauptteil des Materials haben.

[…]

Laut Richtlinie 1.1 des Pressekodex’ darf die “Unterrichtung der Öffentlichkeit über Vorgänge oder Ereignisse, die für die Meinungs- und Willensbildung wesentlich sind”, “nicht durch Exklusivverträge mit den Informanten oder durch deren Abschirmung eingeschränkt oder verhindert werden”. Denn damit schließe derjenige, der “ein Informationsmonopol anstrebt”, “die übrige Presse von der Beschaffung von Nachrichten dieser Bedeutung aus und behindert damit die Informationsfreiheit.”

Sowohl die stückweise Veröffentlichung, als auch die engere Zusammenarbeit mit den Medien waren Schritte, die Wikileaks ursprünglich nicht vorgesehen hatte, sondern erst bei späteren Leaks einführte, um den medialen Impact zu steigern.

Meinem Laienverständnis leuchtet das Argument gegen Exklusivverträge ein – und die Exklusivverträge scheinen mir auch nicht wirklich im Sinne von Wikileaks‘ Grundidee zu sein. Andererseits gibt es natürlich gute taktische Gründe, die für genau diesen Weg sprechen. Eine spannende Frage.

Sollte Wikileaks also Stück für Stück, jedoch für alle Medien gleichzeitig veröffentlichen? Spontan fällt mir wenig ein, was dagegen sprechen würde.

Auch an der stückweisen Veröffentlichung und redaktionellen Überarbeitung der Depeschen gibt es übrigens Kritik: Bei Cryptome zum Beispiel argumentiert man sinngemäß „Ganz oder gar nicht“. Die Sichtung und Überarbeitung sei ein feiges Einknicken vor den USA.

37 Ergänzungen

  1. Ich finde es für mediale Verarbeitung und für die Öffentlichkeit eigentlich ganz gut so. Selbst jetzt wird man jeden Tag erschlagen von vielen Enthüllungen und kann ihnen nicht so viel Aufmerksamkeit schenken, wie sie teilweise vielleicht verdienen.
    Angenommen all diese Dinge kommen an einem Tag raus, wie soll die Tageszeitung von morgen aussehen? ^^
    Nur ruhig Blut, bald wissen wir alles.

  2. hm, also wenn das alles gleichzeitig veroeffentlicht wird, und dann noch an alle, dann ueberbeiten sich unsere Qualitaetsmedien doch gegenseitig darin wie ich am schnellsten einen schlecht recherchierten Artikel schreiben kann. Weil sonst bin ich ja nicht mehr der erste der die News hat.
    Fuer mich hat die Forderung ein bischen an, wenn ich kein Geld verdienen kann, dann sorge ich wenigstens dafuer das es auch kein anderer kann.
    Und welche Story die auf einem Informanten beruht der sich an EINEN Journalisten wendet, verstoesst nicht gegen die Richtlinie?

    und @cryptome Also recht ham sie ja irgendwie schon finde ich.

  3. Ich verstehe diese Beschwerde sehr gut, ich hätte es auch gerne gesehen wenn die Daten zeitgleich allen Medien zur verfügung gestellt worden wären.
    So gäbe es wenigstens eine erhöte Konkurenz zwischen den einzelnen Redaktion und eventuell würde man sich mehr Zeit lassen die wirklich wichtigen Informationen aus den Dokumenten zu ziehen.

    Gegen die Stückweise veröffentlichung kann ich nicht wirklich etwas sagen, hätte man alles auf einmal Veröffentlicht wären wir erschlagen worden.

    Natürlich hat die stückweise Veröffentlichung, täglichen neue „Enthüllungen“ bzw. Berichte, die Gefahr das es abstumpfend wirken könnte…

    Aber die Stückweise Veröffentlichung der Quelldokumente auf WikiLEaks hat für mich persönlich den VOrteil das ich einfach einmal täglich etwas Zeit investieren kann um die neusten Dokumente zu lesen, ich weiß nicht ob ich mich hätte Zwingen können mit dem Lesen anzufangen wenn da auf einen Schlag ca. 250.000 Dokumente veröffentlicht worden wären, ich wüsste garnicht wo ich dann anfangen soll :)

  4. das klingt doch stark nach „hey, die anderen erreichen höhere verkaufszahlen und publicity durch wikileaks, nun will ich auch ein stück vom kuchen abhaben“…
    klar mag es nicht im sinne von wikileaks sein, wenn nur bestimmte medien auf den depeschen sitzen, nur das hätte entsprechenden „journalisten“ auch schon früher (colateral murder war auch nur eben diesen ausgewählten medien zugängig) auffallen müssen und nicht erst jetzt, wenn der strom an otto-normal-bürgern auf den zug aufgesprungen ist und sich für nen weilchen mal die augen öffnen lässt

  5. „Vorgänge oder Ereignisse, die für die Meinungs- und Willensbildung wesentlich sind“ ist ein waager Begriff. Wenn Wikileaks in Deutschland Spiegel als Kooperationspartner aussucht, dann haben sie wohl gute Gründe dafür.

    Was mich in diesem Zusammenhang interessiert: spendet Spiegel Geld an Wikileaks oder gibt es andere abzählbare Zeichen der Dankbarkeit?

  6. „Sollte Wikileaks also Stück für Stück, jedoch für alle Medien gleichzeitig veröffentlichen? “

    Ich würde eher behaupten daraus ergibt sich auch kein Vorteil. Immerhin hat Wikileaks das vorgehen ja offenbar nach den Ereignissen von 2006 gewählt, als die Mehrheit der Presse die Leaks ignorierten da der Inhalt eben NICHT exklusiv war. Aus dieser warte würde also auch ein „Stück für Stück für alle“ keinen Sinn machen da jede Zeitung befürchten würde die Konkurrenz sei schneller.

    Genau diesen Fehler möchte ja auch OpenLeaks mit der herangehensweise der „exklusiven Leakpostfächer“ vermeiden, deren Inhalte erst bei Nichtveröffentlichung durch OpenLeaks selbst bearbeitet werden.

    Der Einwände von Cryptome erscheinen, da mit dem selben Problem behaftet, doch eher fadenscheinig. Man hat selbst keine Lösung für das Resonanzproblem, fordert aber von der Leak-Konkurrenz ein vorgehen, dass definitiv eine negative Resonanz hervorrufen oder zumindest begünstigen würde. Damit würde aber dem eigentlichen Ziel des Informanten nicht gedient, da es so ein leichtes wäre den Leak zu diskreditieren.

    Es wird sicherlich spannen sein zu beobachten wie die Beschwerde gewertet wird, allerdings sehe ich da Probleme die Relevanz von noch unveröffentlichtem Material zu bewerten.

  7. Ich denke nicht das der Spiegel Geld spendet.

    Ich gehe davon aus das die ausgewählten Medienpartner für die \Exklusiverechte\ als Gegenleistung zugesagt haben die Ressourcen zur verfügung zu stellen um alle Dokumente zu sichten.

    Bei über 250.000 Dokumenten ist das glaube ich schon eine Mamutaufgabe!

  8. Ich glaube, man muss einfach unterscheiden zwischen dem Versuch das Thema der Transparenz auf die öffentliche Agenda zu setzen und dem besten Modus mit dem eine Plattform für Quellenanonymisierung bzw. die Publikation von anonym weitergebenen, geheimen Inhalten betrieben werden sollte. Obwohl sich WikiLeaks jetzt als journalistische Organisation porträtiert, sehe ich sie immer noch in aller erster Linie als Transparenzaktivisten und ich glaube unter der Führung von Assange haben sie bewusst auf diese mediale Eskalation hingearbeitet, um ihr Grundprinzip in der Öffentlichkeit sowohl als machbar zu verankern als auch ein Bewusstsein zu schaffen, dass es einen Bedarf dafür gibt. Trotzdem kann man natürlich an vielen Stellen mit Kritik ansetzen, was die Organisation dieses Jahr ja auch schon entzweit hat. Diese Kritik ist aber wesentlich konstruktiver, weil sie das was WikiLeaks grundsätzlich tut als gegeben hinnimmt und damit allen fundamentalen Gegnern der Organisation den Wind aus den Segeln nimmt.

  9. Die Beschwerde wird keine Aussicht auf Erfolg haben. Wikileaks ist ja nicht dazu verpflichtet, die Dokumente auf einen Schlag zu veröffentlichen. Wenn sie zunächst nur die vier zeitschriften/Zeitungen damit versorgen wollen, dann ist das ihre Sache. Der Presserat hat da keinen Einfluss darauf. Und der Spiegel ist noch weniger dazu verpflichtet, die Depechen zu veröffentlichen. Zur Not fällt das immer noch unter Quellenschutz. Und wer sagt, dass die noch nicht veröffentlichten Dokumente so relevant sind, dass Richtlinie 1.1 hier greift. Und das Wikileaks von der Spiegel-Redaktion abgeschirmt würde, kann man auch nicht gerade sagen.

  10. Was geschieht, wenn alle Informationen und Verträge eines Themas sofort geleakt werden hat man doch bei den MAUT-Verträgen gesehen: Den meisten redaktionen und Journalisten war das einfach viel zu viel Lesestoff. In Folge dessen kam es nur zu wenigen Artikeln die die MAUT-Verträge thematisierten.
    Wenn nun alle Cables gleichzeitig veröffentlicht werden, würde es ähnlich sein: Einzelne bedeutende Cables würden in der Masse der Veröffentlichung untergehen und allenfalls nach einigen Monaten oder Jahren durch zufällige Recherchen in Rahmen einer Forschungsarbeit entdeckt werden…

  11. @Amator Phasma:

    Tatsächlich hat Wikileaks versucht, sich durch den Verkauf von „exclusiven Zugänge“ zu refinanzieren. Man wollte Material meistbietend versteigern. Für Assange ist Wikileaks immer auch ein Geschäftsmodell gewesen – und genau das ist Teil des Problems.

    Siehe z.B.
    https://stefanmey.wordpress.com/2010/01/01/leak-o-nomy-die-okonomie-hinter-wikileaks/

    Die Unternehmen hätten also einen zeitlich privilegierten Zugang zu allen WikiLeaks-Dokumenten, die für Nordamerika relevant sind.

    Ja. Stellen wir uns vor, dass es in der Auktion nur zwei Bieter gibt. Der eine bezahlt doppelt so viel wie der andere. Und sagen wir, die Quelle will, dass das Dokument erst nach einem Monat veröffentlicht wird. Dann hätten wir ein Zeit-Fenster von einem Monat, in dem die Journalisten das Dokument durcharbeiten, weiterrecherchieren und schreiben können. Die Organisation, die am meisten bezahlt, bekommt das Material sofort und kann somit den fundiertesten Artikel schreiben. Die Organisation, die halb so viel bezahlt, bekommt es nach der Hälfte der Zeit, in dem Fall zwei Wochen später. Und nach einem Monat veröffentlichen sie es beide.

    Das klingt vielversprechend. Wäre damit nicht das Finanzierungsproblem für Wikileaks gelöst?

    Das hängt davon ab, wie viel Ressourcen die Auktion selbst verschlingt. Und Medien haben auch nicht so viel Geld. Aber insgesamt denke ich, dass wir nur ein paar Auktionen pro Jahr benötigen würden. Das würde reichen, um uns zu finanzieren.

    Soweit ich mich erinnern kann, ist bei den Deals mit NYT, Guardian & Spiegel aber kein Geld mehr geflossen (Zumindest erinnere ich mich an die Aussage eines Verantwortlichen vom Guardian in einer arte-Doku).

    Assange hatte erkannt, dass ihn die Zusammenarbeit mit den drei Medienhäusern für Wikileaks einen enormen Popularitätsschub bedeuten würde. Er wollte endlich erste Liga spielen.

    Es gibt aber noch einen anderen, veröffentlichungstaktischen, Aspekt:

    Der Wert einer Information hängt davon ab, in welchem Ausmaß sie allgemein zugänglich ist. Wenn jeder die Information hat, ist sie wertlos. […]

    Bei der Ansage geht’s jetzt weniger darum, dass Assange ganz gerne cash sehen würde (Gut, das auch). Primär geht es um die Kontrolle des Spins. Und die hat man nunmal nicht, wenn man einfach so irgendwo im Netz 400.000 Dokumente veröffentlicht.

    Deutlich größer ist der Impact eines „Leaks“, wenn Journalisten einzelne Aspekte nachrecherchieren und aufarbeiten. Das kostet Zeit und Geld. Wenn eine Redaktion aber weiß, dass die Konkurrenz auf dem gleichen Material sitzt, wird sie – so Assange – im Zweifel nichts investieren, bzw. nur die einfach zugänglichen Geschichten mitnehmen, die wenig Aufwand erfordern:

    Das führt zu dem kontra-intuitiven Mechanismus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Presse über eine Geschichte schreibt, sinkt, je größer und wichtiger der Skandal ist. Wenn es keine Exklusivität gibt.

    D.h. will man den Spin kontrollieren und sein Material voll ausgeschöpft wissen, braucht es entsprechende Medienpartnerschaften.

    Aus journalistischer Sicht sind solche Deals allerdings nicht ohne, da hat Christiane vollkommen recht! Wenn Assange zudem Medienhäuser durch Informationsentzug abstraft, weil sie nicht nach seinem Wunsch berichten (z.B. über ihn), wird es endgültig problematisch.

    Falls sich in obigen Interview jemand gefragt hat, warum Assange mit der Zusammenarbeit mit dem Stern nicht zufrieden war? Das erklärte Stern-Reporter Hans-Martin Tillack aktuell in seinem Blog:

    Wikileaks hatte erbeten, dass wir auch ihr Projekt in größerer Form im gedruckten stern vorstellen. Den Wunsch schlugen wir angesichts der vergleichsweise begrenzten Relevanz der Maut-Enthüllung ab. Und beschränkten uns auf ein Wikileaks-Portrait auf stern.de.

    Tja, so läuft’s Business ,(

    Im Prinzip ist das auch der Punkt, für den ich hier schon öfter kritisiert wurde: Wikileaks ist keine neutrale, sondern eine Kampagnenplattform. Und das ist – insbesondere wenn gezielt Dokumente zurückgehalten werden – ein durchaus ernsthaftes Problem.

  12. Für mich persönlich ist es völlig in Ordnung, wenn Wikileaks gemeinsam mit ausgewählten Presseorganen zuerst einmal einen Teil von Dokumenten veröffentlicht. Beim Angeln nennt man so etwas glaube ich anfüttern. Sollte das aber zur konsequenz haben, das die anschließend zu veröffentlichen Dokumente Tröpfchenweise an die Öffentlichkeit gelangen, die Medien vielleicht sogar Einfluss auf Datum und Inhalt haben, dann ist dies aus meiner Sicht abzulehnen.
    Es darf nicht vergessen werden, das bei vielen Themen die ach so qualitativ hochwerigen Journalisten vorher geschwiegen haben.
    Mir Sicherheit war doch z.B. der US- Beschuss aus dem Hubschrauber genau diesen Medien bekannt, immerhin sind dabei Journalisten getötet worden!
    Sie haben geschwiegen, diese Qualitätsjournalismus predigenden Mitarbeiter der freien Presse.
    Ich denke, nachdem ein gewisses öffentliches Interesse durch die Medien erzeugt wurde, sollte alles veröffentlicht werden um es dann aufzubereiten.
    Und daran könnten sich dann ja auch alle Medien beteiligen ohne neidisch auf den Nachbarn zu schauen.
    Wäre doch auch interessant zu erfahren, wie groß das Interesse der sich jetzt beschwerenden tatsächlich ist.

  13. @xwolf: Schlechtes Beispiel. Die Maut-Verträge waren eines der ersten Beispiele, wo es Wikileaks mit exclusiven „Medienpartnerschaften“ versucht hat. Die Sache mit dem Stern hatte ich oben ja schon angerissen, hier ist die zugehörige Frage aus dem Assange-Interview von Stefan Mey:

    In Deutschland gab es einen Exklusivitäts-Deal mit dem Stern und dem Heise-Verlag, denen die Leaks der Toll-Collect-Verträge vorab zugänglich gemacht wurden. Sind sie mit dieser Art von Lösung zufrieden?

  14. @Carlos:

    Mir Sicherheit war doch z.B. der US- Beschuss aus dem Hubschrauber genau diesen Medien bekannt, immerhin sind dabei Journalisten getötet worden!

    Ja, er war bekannt. Von Schweigen kann aber keine Rede sein. Der Vorfall ging durch die US-Medien und wurde u.a. in einem Buch thematisiert. David Finkel, Autor des Bestsellers, ist Journalist bei der Washington Post.

    Von „Schweigen“ kann also echt keine Rede sein. Neu waren das Videomaterial und die manipulative Inszenierung während der PK. Der Rest war ein mehr oder weniger gekonntest Spiel mit den Mechanismen, die Wikileaks sonst aufzudecken vorgibt ,(

  15. Und wie soll das organisiert werden? Ich mein, wenn man eine Art „Zugang“ für die Medien schafft, wo zieht man da die Grenze? Nur die Zeitungen? Nur Zeitungen und Fernsehen? Oder auch Blogs?

    Aber wenn man das so weiter führt, dann kommt man am Ende wieder dahin, wo Wikileaks am Anfang war – nämlich alles Allen direkt zur Verfügung stellen.

    Dies hat aus meiner Sicht zwei signifikante Nachteile:
    1.) Die Aufbereitung und Qualtitätsicherung durch professionelle Journalisten ist unbedingt notwendig – das Ganze ist vergleichbar mit Rohdiamanten…
    2.) Vollständiger Zugriff durch Alle würde das momentan einzige Argument gegen Wikileaks – nämlich die Gefährdung dritter Personen, die in den Leaks benannt werden – wieder stärken. Und das ist der einzige legale Schwachpunkt!

    Ergo ist es meiner Meinung nach durchaus sinnvoll, nur einige Journalisten/Medien einzubeziehen. Und da es sich um renommierte, gesellschaftlich akzeptierte, aber nicht komplett von Lobbyismus durchsetzte Zeitungen handelt, kann man erwarten, dass das Ergebnis sehr brauchbar sein wird.

  16. @J.O.S.

    Wieviele Deutsche lesen die amerikanische Presse?
    Entschuldigung bitte, ich habe mich wohl etwas unklar ausgedrückt.
    Natürlich beziehe ich mich auf die deutsche Medienlandschaft.
    Habe gerade einen Artikel auf Telepolis gelesen, den ich jetzt sowieso als Ergänzung posten wollte.

    Dort heißt es u.A.:

    „… da wird also ein Medium, ein Organ der Presse, massiv und ohne rechtliche Grundlage seiner finanziellen und publizistischen Mittel beraubt, und die Großmedien, die eben noch mit Wikileaks-Informationen Auflage und Kasse gemacht haben, sagen dazu: Nichts!?“

    Den ganzen Artikel gibt es hier:

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33829/1.html

  17. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Informatenschutz. In den Geleakten Dokumenten gibt es viele Informationen über Personen, deren Leben durch eine komplette Veröffentlichung der Dokumente in Gefahr geraten könnte.

    Vor einer Veröffentlichung ist also eine journalistische Durchsicht erforderlich, nach der entschieden werden kann, womit man an die Öffentlichkeit gehen kann, ohne Menschenleben zu gefährden.

    WikiLeaks selbst kann sowas bei der großen Anzahl nicht leisten, das können nur Zeitungen, Zeitschriften oder Magazine mit der entsprechenden Manpower.

    Eine komplette Offenlegung wäre also m.E. verantwortungslos.

    Allerdings gäbe es neben dem Spiegel auch noch weitere Institutionen in Deutschland, die eine mit diesem Material zurecht gekommen wären.

  18. Sorry, Wikileaks hat doch nicht die grundlegende redaktionelle Arbeit in den Verlagen revolutioniert und wird es auch nie tun! Es ginge einfach zu weit, wenn jeder Informant – und sei es auch ein „professioneller“ Whistleblower – gezwungen wäre, alle (!) Medien an seinem Wissen teilhaben zu lassen. Man konnte sich schon immer aussuchen, welche Publikation man als Informant wählt – und das bleibt hoffentlich so, denn sonst wäre das Chaos vorprogrammiert.

  19. Sorgt den Herr Christiane Schulzki-Haddouti auch mit dafür, daß bereits geleakte Depeschen weiterhin frei zugänglich sind.
    Und das auch weiterhin gewährleistet wird, wie z.B. von den Piratenparteien in Europa.

    Z.B.:
    http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/medien/schweizer_piratenpartei_unterstuetzt_wikileaks_1.8549554.html

    oder

    http://www.piratenpartei.de/Pressemitteilung-101205-Piratenparteien-spiegeln-Wikileaks-zur-weltweiten-Unterstuetzung-des-Whistleblowings

    1. @Nicht nur reden. MACHEN: Lesen können ist sicher was für Gewinner. Das gilt auch für Namen, um Geschlechter identifizieren zu können.

  20. Ich hätte es allen Medien zur Verfügung gestellt mit ner Deadline, wann man alle Dokumente veröffentlicht. Dann hätte es zwar dutzende Einschläge innerhalb weniger Tage gegeben, aber wir wären nicht auf die in meinen Augen eher zweitrangige Berichterstattung des Spiegel angewiesen. Man hätte auch alle Dokumente auf 10 Zeitungen aufteilen können (waren ja genug). Jede Zeitung sagt ein paar keywords und bekommen die Depeschen dazu.

    Was interessiert mich denn, ob Guido im Ausland als Vollpfosten gilt? Dafür hält man ihn auch im Inland, so what? Wenn aber dutzende Zeitungen parallel berichten und ihre Erkenntnisse schreiben, dann wird es wirklich eng für unsere Politiker weltweit.

  21. Ich finde die Exklusivität auch falsch, denn sie sorgt dafür, dass einige Medien über Wochen gute Geschäfte mit den Informationen machen sich dafür aber mit Wikileaks gut stellen müssen.

    Für eine offene Berichterstattung ist beides nicht hilfreich, ausserdem können nun die Leute, die Zugang zu allen Daten haben, versucht sein diese zu Geld zu machen und die Cables an weitere Medienhäuser verkaufen.

  22. Es ist offensichtlich, dass die „Qualitätsmedien“ eine politisch tendenziöse Auswahl der Depeschen veröffentlichen und kommentieren, die der Agenda der „Freien Welt“ nutzt, und den Feinden dieser Länder, allen voran dem Iran, der VR China und Venezuelas schadet. Damit wird die aufklärerische Absicht von Wikileaks in ihr Gegenteil verkehrt und die Veröffentlichungen zur Kriegshetze gegen den Iran und gegen Venezuela ausgenutzt, während israelische Politiker vollständig davon überzeugt sind, dass ihnen die Veröffentlichungen von Wikileaks nicht schaden können. Das bedeutet doch, dass eine politisch motivierte Vorauswahl der Veröffentlichungen getroffen wurde, dass also z.B. Dokumente, die Israels Politik diskreditieren könnten, entweder gar nicht veröffentlicht werden oder zu einem Zeitpunkt, an dem das Publikum der Enthüllungen langsam überdrüssig wird.

    Zum Iran:
    http://www.jungewelt.de/2010/12-08/008.php

    zu Venezuela:
    http://www.heise.de/tp/blogs/8/148927

  23. Hier muss man aber auch eindeutig sagen, dass sich Wikileaks einer erheblichen Gefahr ausgesetzt hat. Durch die kleckerweise Veröffentlichung, haben die USA eine Möglichkeit gesehen die Seite anzugreifen, um den Rest nicht veröffentlichen zu lassen. Wenn alles offen ist, wäre der ganze Kampf nicht mal angefangen worden.

    Im Grunde kann es natürlich auch positiv gesehen werden, dass die USA sich durch die Massnahmen noch tiefer hat in die Karten schauen lassen …

  24. Die Veröffentlichungsstrategie ist ideal so, und geht vollkommen auf. So wie es jetzt ist, werden durch die selektive Veröffentlichung Themen gesetzt, anstatt einen Haufen Dokumente in die Weltgeschichte zu kippen, die nach 2 Wochen keine Meldung mehr wert sind, weil irgendwer schon darüber berichtet hat.

    So war das bei den Afghan War Logs, so war das bei den Iraq War Logs. Das waren ja auch immerhin um die 600.000 Dokumente. Und was war? Es gab die große Meldung, 5-10 Punkte wurden rausgegriffen, und nach 2 Wochen hat es niemand mehr gekümmert. Weil nach 2 Wochen waren die Wikileaks War Logs „old news“.

    Diese Beschwerde hat für mich einen Geschmack nach „ich würd gern, aber ich darf nicht“.

    Wikileaks möchte den größtmöglichen impact seiner Meldungen. Wie man einen vergleichsweise geringen impact bekommt, hat man schon erfahren. Nämlich durch die Veröffentlichung von Dokumenten en gros, die dann keiner liest, weil es zu viele sind, bei denen berichtenswerte Dinge unter den Tisch fallen, weil sich Redakteure unter Zeitdruck die in ihren Augen wichtigsten Depeschen suchen, um darüber Artikel zu schreiben, und im Zweifelsfall bei ihren Kollegen gucken, über was die so berichten. Die Medien können nur eine geringe Zahl an Themen pro Tag verarbeiten, alles andere geht einfach unter. Insofern ist die Strategie so aus Sicht von Wikileaks genau richtig.

  25. @Carlos:

    Wieviele Deutsche lesen die amerikanische Presse?

    Vermutlich viele, die sich für amerkanische Politik oder Details aus dem Irak-Krieg interessieren.

    Man könnte vielleicht auch anders fragen: Wer interessiert sich für einzelne Opfer eines Krieges, wenn es nicht gerade ein reisserisch präsentiertes Video gibt?

    Laut http://www.iraqbodycount.org/ (die afaik recht seriös Medienbericht auswerten) hat der Irak-Krieg bisher etwa 100.000 Opfer gefordert. Darunter sicher auch ein paar hundert Journalisten. Von den wenigsten haben wir gehört. Es hat sich offenbar auch niemand weiter für sie interessiert, sonst wäre das anders.

    Ach, übrigens: In deutschen Medien war der Vorfall durchaus ein Thema. Für mehr als eine kurze Nachrichtennotiz hat es aber nicht gereicht. Hier z.B.:
    http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,494141,00.html

    Bröckers Empörung bei TP, die Medien würden nicht berichten, ist natürlich so auch erstmal die lausigste self-fulfilling prophecy, die man ideologisch motiviert raushauen kann. Man muss schon eine arg selektive Wahrnehmung haben, um sowas zu schreiben. Nunja. Bröckers halt ,)

    @Jan:

    Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Informatenschutz.

    ACK, aber das kollidiert eben auch wieder mit dem „Anspruch“ auf totale Transparenz.

    Allerdings gäbe es neben dem Spiegel auch noch weitere Institutionen in Deutschland, die eine mit diesem Material zurecht gekommen wären

    Die sind bei Assange leider in Ungnade gefallen.

    Latrinum:

    Es ginge einfach zu weit, wenn jeder Informant […] gezwungen wäre, alle (!) Medien an seinem Wissen teilhaben zu lassen.

    Darum geht es ja auch nicht. Auf der anderen Seite ist der Vorwurf einer konzertierten Kampagne schwer von der Hand zu weisen, findest du nicht? Was aber deutlich interessanter ist: Hat sich mal wer gefragt, wem die Leaks in dieser Form nützt?

    @Andragon:

    Durch die kleckerweise Veröffentlichung, haben die USA eine Möglichkeit gesehen die Seite anzugreifen, um den Rest nicht veröffentlichen zu lassen

    Das ist aber ein Problem, das man zum Teil abfangen kann. Zum Beispiel dadurch, dass man „Leak-Packages“ mit einem Zeitschloss im Netz deponiert.

    Solange die internen Strukturen intakt sind, kann jemand Countdown immer wieder hochsetzen. Läuft der Countdown runter, weil die Struktur zerschlagen ist, setzt ein Mechanismus ein, der die Pakete veröffentlicht oder an bekannte Pressevertreter verschickt.

    Meines Wissens wurde bei Wikileaks über sowas nachgedacht (Das wissen die Jungs von den Dreibuchstaben-Organisationen natürlich auch). Ob und mit welchen „Leaks-Packages“ es umgesetzt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.

    1. @Jörg-Olaf Schäfers

      Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Informatenschutz.

      ACK, aber das kollidiert eben auch wieder mit dem “Anspruch” auf totale Transparenz.

      Natürlich gibt es Kollisionen und natürlich muss man sich widersprechende Anforderungen und Ansprüche gegeneinander abwägen.

      Ich finde, dass im aktuellen Fall der Informantenschutz ein höheres Gewicht hat, da es hier um Menschenleben geht.

      Nicht alle Cables befassten sich mit der Charakterisierung von Angela und Guido, auch wenn der Spiegel zunächst ausschließlich darüber geschrieben hat.

      Es wurde auch viel über Dissidentenbewegungen in Diktaturen, über die Beziehungen zwischen China und Nordkorea, über den Iran und seine Nachbarn geschrieben.

      Transparenz um jeden Preis (oder um der Selbstinszenierung Willen) ist Tüdelkram. Sie ist weniger wichtig als ein Menschenleben.

    2. @Jörg-Olaf Schäfers:

      Die sind bei Assange leider in Ungnade gefallen.

      Wirklich? Was ist genau passiert?

      Was hat ihm die Süddeutsche Zeitung getan? Was hat ihm die Zeit getan? Was hat ihm die FAZ getan? Was hat ihm die TAZ getan? Was hat ihm das TV-Magazin Monitor getan? Und die Frankfurter Rundschau? Und die NZZ?

      Die sind alle in Ungnade gefallen? Womit?

  26. Jörg-Olaf Schäfers @xwolf: Schlechtes Beispiel. Die Maut-Verträge waren eines der ersten Beispiele, wo es Wikileaks mit exclusiven “Medienpartnerschaften” versucht hat.

    Aber genau das macht das Beispiel wieder gut: Egal ob es zu einer Partnerschaft kam und egal ob hier in Netzpolitik danach aufgerufen wurde die Verträge zu sichten: Es änderte kaum etwas daran, daß die schiere Masse des Materials (und dessen Alter) dazu führte, daß relevante Informationen im Datenwust unbemerkt blieben.

    Mein Argument hat ja nichts damit zu tun, an wen die Infos zuerst gehen, sondern damit, daß eine große Datenberge durch eine endliche Menge an Personen nur begrenzt durchsucht werden kann. Da ists egal, ob die Personen bei Verlagen arbeiten, Blogger sind oder Forscher.

    Das ganze erinnert mich eher Steganografie durch (plausiblen) Datenmüll.

  27. @J.O.S.

    Vielleicht habe ich wieder schlampig gefragt, ich denke aber du weißt genau was gemeint war!

    Wieviel Prozent der Deutschen lesen die Amerikanische Presse? Besser??
    Allerdings denke ich, das ist eher im Promillebereich, also faktisch nicht vorhanden.

    Also mach mal jetzt nicht den Klugscheißer, das steht dir erstens nicht zu und zweitens must du keineswegs damit deinen Intellekt beweisen! Das hast du doch wohl nicht nötig?

    Bei den deutschen Meien gibt es nichts zu verteidigen, sie entscheiden manipulativ gemeinsam mit Wirtschaft und Politik was uns zu interessieren hat und was nicht!

    Du verlegst die Aussage meines Beitrags auf einen Nebenschauplatz, der Kern meiner Aussage bleibt und dazu stehe ich auch!

  28. Ganz ehrlich, wenn ich etwas veröffentliche, auch auf einer Plattform wie WL dann weiss ich ganz gern was ich da tu. Exklusivverträge würde ich sicher keine Abschließen, ich würde diverse Archive erstellen und die jeweiligen Keys zu stichtagen veröffentlichen. Dann können die fröhlich in gecrypteten Archiven rumwühlen und ich in Ruhe meine Arbeit machen. Den Weg zu gehen Bergeweise ungesichtetes Material rauszuhaun würd ich für extrem bedenklich halten, weiss der Geier was tatsächlich drinsteht oder ob ich meinen Informanten versehentlich Preisgebe oder oder oder

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.