Plagiat: Houellebecq macht die Hegemann

Ja, ich bin ein bisschen stolz auf die Überschrift.* So stolz, wie man es freitags kurz nach sechs halt sein kann. Worum es geht? Michel Houellebecq, ein nicht ganz unbekannter französischer Schriftsteller („Elementarteilchen“) soll abgeschrieben haben. Und zwar aus der Wikipedia. Das zumindest berichtet Slate.fr und liefert 3 Belege aus seinem Mittwoch erscheinenden Buch „La carte et le territoire:

Michel Houellebecq a toujours aimé truffer ses romans de longues descriptions encyclopédiques de personnalités, de lieux ou de concepts scientifiques. Son dernier roman, l’excellent La carte et le territoire, à paraître mercredi 8 septembre, n’y coupe pas et l’écrivain se lance dans de fastidieuses digressions sur la mouche domestique ou la ville de Beauvais. Ça ressemble tellement à du Wikipedia qu’on a voulu faire le test. Et surprise, au moins 3 passages du dernier Houellebecq sont empruntés à l’encyclopédie en ligne.

Nun ist es bekanntlich nicht verboten, sich aus der Wikipedia zu bedienen. Nur sollte man entsprechende Übernahmen bitte auch kennzeichnen. Das scheint Houellebecq irgendwie vergessen zu haben.

(via Tim Bartel)

*Auch bei Houellebecq ist wieder von Collage, Stil und Arbeitsweise die Rede.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

10 Ergänzungen

  1. Naja, wenn man den Namen schon nicht buchstabieren kann, geschweige den aussprechen, braucht man wenigstens eine Kontante im Leben – die allwissende Müllhalde.

  2. Ist auch mal irgendwo herumgespießt dem oder dem, da oder dort, des und des nachzuweisen, was er abgeschrieben hätte und Quellennachweis usw. Will ich in einem Roman drei Kilometer Quellennachweise: „Frau Ingeborg Maier geborene Schmidt, U5 Richtung Hönow, 20:33: ‚Das ist mir Wurstegal, ist mir das‘, Seite 22 ff.“ lesen?
    Kann es ja auch nicht sein auf Teufel komm raus alles zu einer Magisterarbeit machen zu wollen.

  3. @Iljuschin: Nein will ich nicht, aber dann macht man’s wie jeder normale Mensch mit einer kleinen hochgestellten Zahl und einem Hinweis am Ende des Buches.

  4. Also das jetzt Plagiarismus zu nennen ist etwas übertrieben. Wenn man sich die betreffenden Stellen anschaut, dann wurden dort die Sätze auch stark umgestellt, es ging dem Autor ja auch um eine Vermittlung von nackten Fakten für den Leser. Das ist mit einem Plagiarismus Hegemannscher Prägung ja wohl kaum zu vergleichen, da es sich ja dort um literarische Idiome ging die absatzweise übernommen wurden, und nicht um nüchterne Informationen, die sich vielleicht in selber Reihenfolge und Anzahl daherkommen wie in der Wikipedia. Hoffe eher, dass diesen Plagiarismusgedanken jetzt nicht jeder Blog abschreibt / aufnimmt und somit künstlich aufkocht, das wärs jetzt echt nicht wert…

  5. @Iljuschin & @Javos: Alternativ könnte man seine Romane auch selber schreiben und sich nicht bei Dritten bedienen. Im Gegensatz zu einer wissenschaftlichen Arbeit, wo Zitate und Quellennachweise elementar sind, sollte das bei einem Roman nicht weiter schwer sein.

    Wenn man aber, wie Houellebecq, „Wissen“ einbauen will, scheinen mir die etablierten Zitatkonventionen durchaus passend.

    @artischockt: Für ein Plagiat ist keine wörtliche Übernahme erforderlich. Ob sich jemand wie Houellebecq derart offenkundig bedienen muss, kann man gleichwohl thematisieren. Ansonsten kann man den Fall durchaus diskutieren, entsprechend neutral habe ich formuliert.

  6. Schon bei Hegemann war die Aufregung künstlich. Die gesamte moderne Kunst funktioniert beinahe komplett über Zitation. Das fängt an bei Tarantinos Kadrierungs-Zitaten anderer Hollywood-Klassiker, geht über die Kunst, deren Realismus-Konzept der 60er Jahre nur eine Neuauflage des Realismus im 18. Jhd. war, deren abfotografierten Originale als neues Werk in Ausstellungen präsentiert werden und hört auf in der Musik, wenn z.b. die Kuhglocke in Technosongs als Wiederholung eingesetzt wird, von Rockmusik als einziges Zitat von schwarzer musik mal komplett abgesehen. Soll jeder Journalist, der seinen Satz mit „Ein Gespenst geht um“ beginnt eine Fußnote einfügen und sagen, „Hab ich von Marx.“ Das ist lächerlich. Wenn Houellebecq solche Sätze bringt, dann ist es eine simple Re-Interpretation. Von daher: Egal

  7. So… und an dieser Stelle wuerde ich jetzt erwarten, dass der/die autor[en/in/innen] es gpl-violations.org aehnlich tun, und auf einhaltung der CC klagen :-) und wenn’s nur „for da lulz“ ist.

    Am Abschreiben finde ich, ist aus sicht des Lesers das eigentlich schlimme, dass der Autor dem Leser unbedarftheit unterstellt. Das wuerde ich mir als Leser nicht gefallen lassen.

  8. Yasunari Kawabata, japanischer Schriftsteller und Nobelpreisträger, hat ganze Passagen aus Zeitungsartikeln und Lexika in seinen Werken verarbeitet. Damals hat sich keine Sau darüber aufgeregt. Warum sollte man heutzutage bei Houellebecq andere Maßstäbe anlegen?

  9. @ichgehschlafen: Viele Worte für eine lausige Ausrede ,) Eine Plagiat bleibt kein Plagiat. Gerade im Fall Hegemann gab es da auch eher wenig zu diskutieren.

    @Viel Lärm um nichts: Zu Kawabta kann ich nichts aagen. Es wäre mir aber neu, dass sich „keine Sau“ über Plagiate aufregt. Auch ein Nobelpreis ändert da gewöhnlich nichts.

  10. Ich finde es in Foren schon nervig, wenn man Quellen nicht angibt und insbesondere die Wikipedia. Zuweilen machen sich Schreiberlinge die Inhalte wirklich zu eigen und manchmal versucht man es sogar zu verschleiern indem man eine vier Jahre alte Version eines Wikipedia-Artikels verwendet.
    In Foren (o.ä.) will ich nicht verlangen dass die Lizenz oder gar der Lizenztext erwähnt wird aber ein einfaches (Quelle: Wikipedia.org) ist nun wirklich nicht zu viel verlangt.

    Über das Buch kann ich nicht urteilen, sehe das im Falle des Falles genauso, Fußnote dran (eine fürs ganze Buch) und fertig. In gedruckten Werken ist das nun wirklich ein Klacks (Audio hat’s da schwieriger) und niemand könnte sich mehr erregen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.