Wie soll der NSA-Untersuchungsausschuss Aufklärung leisten, wenn die Intransparenz vorprogrammiert ist?

Anfänglich hatten wir uns noch gefreut, dass es endlich losgehen kann: Heute um 13.00 Uhr wird sich der NSA-Untersuchungsausschuss konstituieren, der die Überwachungsaffäre und die Rolle der eigenen Geheimdienste darin aufklären soll. Doch mittlerweile wissen wir nicht mehr, ob noch Grund zur Freude besteht.

Gestern gab es einige schlechte Vorzeichen. Die Antworten auf Kleine Anfragen des Abgeordneten für die Linkspartei Jan Korte machten wenig Mut. Er hatte zum einen gefragt, wie es mit Antworten aus Amerika auf Fragen deutscher Politiker zur Ausspähung durch amerikanische Nachrichtendienste stehe. Das Ergebnis: Bisher gab es keine Auskünfte. Zum anderen wollte er wissen, wie der Stand der Verhandlungen zum EU-No-Spy-Abkommen und die Rolle des BND in den selbigen sei. Die Antwort: Man könne keine Antwort geben, denn die Informationen seien so vertraulich, dass sie mit einer höheren Geheimhaltungsstufe als „Streng geheim“ eingestuft werden müssten. Ergo: Keiner der Parlamentarier wird sie einsehen können.

Und dann erreichte uns noch die Information, dass die Mitglieder des nahenden U-Ausschusses eine Sicherheitsüberprüfung der Stufe Ü3 bestehen müssen, um Dokumente betrachten zu können, die als streng geheim gelten und vermutlich im Laufe der Aufklärung zu Rate gezogen werden müssen. Das ist zwar normales Procedere, dürfte aber einige Abgeordnete – und deren Mitarbeiter – ausschließen. Entweder komplett oder zumindest für mehrere Monate, denn solch eine Sicherheitsüberprüfung lässt sich nicht innerhalb von ein paar Wochen durchführen.

Die schlechten Omen reißen nicht ab. Gestern fand im Bundestag eine Fragestunde statt, in der Andrej Hunko, Abgeordneter der Linken, wissen wollte:

Inwieweit teilt die Bundesregierung meine Ansicht, dass die Nichtbeantwortung ihrer Eingaben vom 11. Juni 2013 an die USA […] sowie die Ergebnislosigkeit der zahlreichen weiteren Nachfragen […] auch einer fehlenden Bereitschaft geschuldet sein könnten, mehr Druck gegenüber US-Repräsentanten auszuüben und aus meiner Sicht stattdessen zu signalisieren, man sei letztlich einverstanden mit den Überwachungsvorhaben […], und inwiefern glaubt sie weiterhin daran, jemals Antworten auf die besagten Fragen zu erhalten?

Zur Beantwortung wand sich der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder zunächst in wohlbekannten Floskeln. Man führe Gespräche mit den US-Vertretern, brächte deutlich seine Kritik zum Ausdruck und ziehe die entsprechenden Konsequenzen, um in Zukunft das Vertrauen in die digitale Kommunikation wiederherzustellen. Aber:

Letztlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Austausch von nachrichtendienstlichen Informationen mit ausländischen Diensten, insbesondere mit den Sicherheitsbehörden der USA, für die Gewährleistung der Sicherheit in Deutschland von großer Bedeutung ist. Insoweit ist es besonders wichtig, gemeinsam zukünftige Lösungen zu finden.

Subtext: Bloß nicht die amerikanischen Freunde verärgern. Und deshalb lautete Schröders Antwort auf die Nachfrage, ob er der Meinung sei, die Bundesregierung übe genügend Druck aus, um Antworten und Aufklärung zu bekommen, ganz einfach:

Ja.

Aber Ole Schröder demonstriert hier nicht nur die Aufklärungsmüdigkeit unserer Regierung. Er setzte nach und machte unmissverständlich klar, dass er sowieso nicht an Aufklärung und Transparenz glaubt:

Ich bin eher skeptisch, dass wir unmittelbar von den USA sämtliche Antworten bekommen und dass wir sie dann auch dem Parlament öffentlich bekannt geben können.

Wieder mal stellt sich die Frage: Wie soll das Parlament kontrollieren können, was die Geheimdienste tun, wenn es nicht einmal Antworten auf Nachfragen bekommt? Und diese selbst wenn sie vorlägen, sie nicht einmal erfahren dürfte?

Doch nicht nur wir sind mittlerweile skeptisch, ob der Ausschuss überhaupt wirksam arbeiten kann. Auch Clemens Binniger von der CDU, der dem Gremium vorstehen wird, äußerte in einem Interview mit der FAZ Zweifel. Er bestätigt, dass er nicht gänzlich von der Idee des Ausschusses überzeugt sei und davon ausgehe, man werde viele Informationen gar nicht bekommen. Momentan sei nicht davon auszugehen, dass amerikanische und britische Stellen sich kooperativ verhalten wöllten. Binninger ist auch der Meinung, es sei nicht zweckmäßig Snowden zu laden und hält das wohl eher für ein Mittel, mediale Aufmerksamkeit zu sammeln.

Eine Befragung des Whistleblowers ist dennoch wahrscheinlich, denn Grüne und Linke wollen gleich im ersten Antrag dessen Befragung initiieren. Und da sie gemeinsam 25% der Stimmen im Ausschuss halten, können sie dies bei Einstimmigkeit per Minderheitenquorum auch ohne Zustimmung der Regierungsfraktion durchbringen – fragt sich nur, ob diese dann auch der Einreise Snowdens zustimmen würde oder man beschwerlich klären muss, in welcher Form eine Befragung denn stattfinden kann – vorausgesetzt Edward Snowden stimmt dieser zu. Damit wäre aber immer noch nicht nichts gewonnen, denn um zu bestimmen, an welcher Stelle Snowden aussagt, braucht es eine mehrheitliche Entscheidung. Und die können die Vertreter der Regierungsfraktionen leicht dazu nutzen, Snowdens Befragung so weit es geht nach hinten zu schieben.

Die Sorge darüber, ob wir mit einer regierungsseitigen Aufklärung der Überwachungsstrukturen rechnen dürfen, ist groß. Und sie wird uns vermutlich noch länger begleiten, denn Binninger kündigte bereits an, er rechne damit, dass der Ausschuss mindestens zwei Jahre für seine Arbeit benötigen werde.

4 Ergänzungen

  1. „noch nicht nichts gewonnen“?

    Bitte niemals die doppelte Verneinung nicht unverwenden. :-)

  2. „Das Land wird von Sicherheitsbehörden geleitet …. – und so soll es auch sein.“ (Hans-Peter Uhl, CDU – 19.10.2011)

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