Gestern konnte man hier und an anderen Stellen lesen, dass der EuGH die Nutzung von Vorratsdatenspeicherung gegen Filesharing erlaubt hat. Die Rechtssache Bonnier Audio ist jedoch komplizierter als man denkt. European Digital Rights hat daher gestern eine umfangreiche FAQ veröffentlicht.
Ganz im Gegenteil zu den gestrigen Nachrichten stellt der EuGH sogar die derzeitigen Praktiken in Deutschland und Großbritannien an mehr als einer Stelle im Urteil in Frage. Denn das Gericht hat die Nutzung ausschließlich für Einzelfälle erlaubt, bei denen die Nutzung verhältnismäßig und außerdem dazu geeignet sein muss, die Untersuchung der Urheberrechtsverletzung zu erleichtern. Hierzu muss man sagen, dass in Deutschland 1. monatlich etwa 300.000 IP-Adressen von Providern herausgegeben werden und man also kaum von Einzelfällen sprechen kann, dass es 2. unverhältnismäßig ist, die häufig ahnungslosen Internetnutzer mit hohen Kosten abzumahnen und dass 3. die Auskünfte nicht dazu genutzt werden, eine Untersuchung einzuleiten, sondern direkt eine bestimmte Geldsumme von Internetnutzern zu fordern.
Das Urteil bestätigt, wie wichtig es ist, dass Mitgliedstaaten EU-Recht so interpretieren und umsetzen, dass es nicht in Konflikt mit den Grundrechten der EU-Bürger gerät. Das schwedische Gericht wurde aufgefordert zu prüfen, ob die angeforderten Daten überhaupt rechtmäßig gespeichert wurden. Patrick Breyer schreibt hierzu, dass es nun eine spannende Frage sei, “ob künftig auch deutsche Gerichte vor Auskunftsanordnungen prüfen müssen, ob die zur Auskunfterteilung erforderlichen Verkehrsdaten überhaupt legal gespeichert sind.”
Zum Hintergrund:
Der Verlag Bonnier Audio hatte den schwedischen Internetdienstanbieter Perfect Communications (ePhone) verklagt, da 27 Hörbücher über einen Filesharingdienst zur Verfügung gestellt wurden. Auf Grundlage von Artikel 8 der sogenannten IPRED-Richtlinie, wollte Bonnier Audio ein Urteil erreichen, um von ePhone die Informationen über die Identität der angeblichen Rechteverletzer zu bekommen. ePhone weigerte sich jedoch mit der Begründung, dass dies nicht mit der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung zu vereinbaren sei.
Die Frage des schwedischen Gerichts an den EuGH war daher, ob es in der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung eine Vorschrift gibt, die die Nutzung der Daten für die Identifizierung mutmaßlicher Urheberrechtsverletzer ausschließt – vorausgesetzt, es liegen klare Beweise liegen vor und die Maßnahme ist verhältnismäßig.
Der EuGH entschied nun, dass – solange die Auskunft über die Identität des Internetnutzers verhältnismäßig und notwendig ist und klare Beweise vorliegen – nichts in der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung und in der E-Privacy-Richtlinie einen Mitgliedstaat davon abhalten kann, solche nationalen Vorschriften einzuführen.
Der EuGH erklärte weiterhin, dass die Rechtsvorschriften zur Weitergabe von Daten in einem Zivilverfahren zur Feststellung einer Urheberrechtsverletzung gar nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung fallen – also doch nicht so klar in einer Linie mit dem Terrorismus. Mit Hinweis auf die Rechtssache Promusicae gegen Telefónica, müssen Mitgliedstaaten auch darauf achten, dass ein Gleichgewicht zwischen den Rechten sichergestellt wird.
Dies bedeutet aber nicht, dass der EuGH es allgemein für zulässig oder erforderlich erklärt hat, die Vorratsdatenspeicherung – sei es für die Durchsetzung der Urheberrechte oder andere Zwecke – zu nutzen. Nur in bestimmten Fällen ist der Zugriff auf Nutzerdaten möglich:
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Wenn die Voraussetzungen in Artikel 15(1) der E-Privacy Richtlinie (2002/58/EC) erfüllt werden;
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wenn (im Gegensatz zu den meisten Fällen in Deutschland oder Großbritannien) die Daten dazu genutzt werden, eine Untersuchung der Urheberrechtsverletzung zu erleichtern und
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wenn ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Grundrechten sichergestellt wird.
Der Gerichtshof urteilte, dass nationale Gerichte bewerten müssen, inwieweit diese Voraussetzungen durch die Umsetzung der EU-Mitgliedstaaten erfüllt werden.
Leider wurde die Beantwortung der tiefer gehenden Problematik, nämlich ob die Vorratsdatenspeicherung an sich verhältnismäßig und notwendig ist und ob Zugang zu den Daten (in diesem Fall oder generell) verhältnismäßig ist, nicht beantwortet. Dies war vermutlich eine bewusste Entscheidung, denn der irische High Court hat erst vor kurzem erklärt, die Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung dem EuGH vorzulegen und unter anderem folgende Fragen stellen: Ist die Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung mit Artikeln 7,8 und 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 8 und 11 der EU-Grundrechtecharta zu vereinbaren? In Deutschland wie auch in in den Institutionen der EU ist noch nicht das letzte Wort hierzu gefallen…
(Text von EDRi)
„ahnungslose nutzer“
http://www.filestube.com/search.html?q=jack+white%09blunderbuss&select=All
Man muss wirklich sehr ahnunglos sein, wenn man nicht ahnt, dass die Nutzung von z.B. Filestube zum Finden von Musik und die hier erzielten Ergebnisse und der Weg zu den Hostern und das dortige anmelden und das dann folgende Herunterladen ganz ohne bezahlen zu müssen…..vielleicht….oder doch nicht…..oder aber doch ein bisschen?…..äh?….problematisch sein könnten.
Ich denke es wäre wirklich besser für uns wenn wir nicht in der EU wären. Die EU untergräbt zuviele unserer Grund und Freiheitsrechte, VDS, Indect, Fludatenabkommen usw nur um mal ein par Beispiele zu nennen.
Wenn wir unsere Freiheit retten wollen dann müssen wir raus aus der EU.
Ohne die EU wäre das nicht anders, denn nahezu alles was von der EU kommt wurde letztlich von unserer nationalen Führungsebene entweder dort eingebracht oder aber zumindest abgesegnet.
Mit dem gewaltigen Unterschied, dass die europäischen Einzelstaaten wohl bei Sachen wie Fludatenabkommen, ACTA, usw. in einer wesentlich schlechteren Verhandlungsposition gegenüber den mächtigen USA wären. Wenn wir denen Paroli bieten wollen, geht das nur als EU. Das es in vielen Fällen trotzdem nicht dazu kommt, ist eine andere Geschichte. Ich würde mir auch lieber ein „anderes Europa“ wünschen, aber „kein Europa“ ist auch keine Lösung.
…sorry, hart off-topic o.O
Der Beitrag ist viel tiefschürfender als der erste Hüftschuss, dafür zunächst vielen Dank.
In einem Punkt ist aber auch dieses Posting noch ungenau:
Es ging in dem entschiedenen Fall nicht darum, Daten zu nutzen, die wegen der Vorratsdatenspeicherung (VDS) im Sinne der Richtlinie 2006/24 (VDS-Richtlinie) gespeichert waren. Schweden hat die VDS-Richtlinie nämlich noch gar nicht umgesetzt, so dass es solche Vorratsdaten dort überhaupt nicht gibt. Die Frage war vielmehr, ob die VDS-Richtlinie gewissermaßen eine allgemeine Sperre dafür errichtet, Telekommunikationsdaten – die aus irgendwelchen anderen Gründen als der VDS-Richtlinie nach nationalem Recht zulässigerweise bevorratet worden sind – für andere Zwecke als die Verfolgung schwerer Straftaten zu nutzen. Diese Frage wurde verneint, was mir auch ganz einleuchtend erscheint.
Wichtig wird diese Differenzierung in dem Moment, wo die VDS-Richtlinie umgesetzt ist. Die VDS-Richtlinie sieht bekanntlich eine Speicherung für mindestens sechs Monate vor. Eine so langfristige Speicherung kommt für andere Zwecke oft nicht in Betracht. Das bedeutet, ab einem bestimmten Zeitpunkt sind die betroffenen Verkehrsdaten zumeist nur noch aus dem einen Grund vorhanden, dass ihre Speicherung wegen der (Umsetzung der) VDS-Richtlinie gesetzlich angeordnet wurde. Über die Frage, ob solche Vorratsdaten im engeren Sinne auch für Filesharing-Fälle genutzt werden dürften, sagt das Urteil nichts aus; sie stellte sich in diesem Fall auch nicht, s.o. Ich halte es für eher wahrscheinlich, dass diese Frage schon europarechtlich zu verneinen ist, so dass die „reinen“ VDS-Daten tatsächlich nur für sicherheitsbehördliche Zwecke genutzt werden dürfen.
Natürlich wissen doch alle längst das die VDS hauptsächlich gegen Kleinkrimminelle , Urheberrechtsverletzer , Steuerbetrug oder zur politischen Einschüchterung und Überwachung wirksam ist.
Zudem ein Wirtschaftfaktor für die Abmahnindustrie.
Auch ist sie eine Grundvorraussetzung für Überwachungsmaßnahmen, „Three strikes“ Regelungen bzw. ACTA und deren Nachfolger und daher wohl hauptsächlich Verpflichtend.
Schwerkrimminelle wie Mafia oder die Wirtschaftskrimminalität haben sich längst darauf Eingestellt und besitzen zudem die finanzellen Mittel VDS zu Umgehen. Terroristen benutzen meist gar kein Handy oder Internet.
Nur das dürfen die Politiker nicht dem Volk erzählen wenn sie VDS oder ACTA durchsetzen wollen.
Wenn das EuGh wirklich die Verfolgung der Raubkopiertäter so erschert sollte das Urteil nicht beachtet werden. Viel sinnvoller währe es, bei mutmaßliche Raubkopierer sofort ,neben der Abmahnung, ein vollumfängliche Vermögensperre (So ähnlich wie eine Einstweilige Anordnung) zu verhängen, (und ggf. auch den Sozialleistungsbezug zu stoppen) bis der Sacherhalt geklärt ist. Die jetzige Abmahnregelung krankt daran, das die berechtigten Forderungen der Rechteinhaber durch Vermögensverschiebung und Verschleierung nicht befriedigt werden können. Dieser Zustand ist an sich Unhaltbar.
mfg
Ein Steuerzahler
Viel sinnvoller wäre es beim mutmaßlichem Verdacht die ganze Familie des Anschlussinhabers in Untersuchungshaft zu stecken, Hausdurchsuchung, alle elektronischen Geräte bechlagnahmen und erst mal in Ruhe auswerten.
Die jetztige Abmahnregelung krankt daran, das die berechtigten Forderungen der Rechteinhaber durch Grundrechte und eine Unschuldvermutung nicht befriedigt werden können. Dieser Zustand ist an sich unhaltbar
Greetz,
GHad
…aber dann bitte gleich mit 12 Jahren in den Knast, denn es geht wohl hauptsächlich um die Kinderzimmer der Nation.
Vielleicht sollten sich einige Scharfmacher mal Überlegen wo denn der Unterschied zwischen einen Download im Internet und einem „Legalen“ Radio /Video bzw (Digital/ Internet Radio) Mitschnitt liegt?
Ehrlich gesagt es gibt keinen, das ganze wird lediglich politisch so Aufgebauscht als würde am Copyrecht die Welt untergehen statt an der Klimakatastrophe.
Dabei geht es den Politikern mit der Wirtschaft dabei nicht um „Verarmte“ Künstler sondern lediglich um die Hoheit und Kontrolle des Internet.
Vermutlich wurde früher genausoviel auf Videorecorder, Tonbänder und Kassetten Kopiert / Mittgeschnitten nur hat es keiner sehen können wie heute im Internet und es war ihnen egal solang der Absatz dieser Geräte deshalb „Brummte“.
Warum wurden eigentlich die Hersteller solcher Geräte oder wie der CD/DVD Brenner, des iPod oder die Erfinder von MP3 denn niemals strafrechtlich belangt.