Per Dekret will die italienische Regierung Internetnutzer dazu verpflichten, vor dem Hochladen von Videos eine Erlaubnis von Kommunikationsministerium einzuholen. Über entsprechende Warnungen der Opposition berichtet The Industry Standard.
Bei dem Dekret handelt es sich um die Umsetzung einer EU-Direktive Product Placement. Die Regelung soll Ende Januar in Kraft treten. Zuvor gibt es eine Abstimmung im Parlament, die aber nicht bindend ist.
Mit der Pflicht zur Autorisierung würden Video-Uploader der gleichen Regulierung wie Fernsehsender unterliegen. Artikel 4 des Dekrets legt fest, dass die Verbreitung „von bewegten Bilder, ob begleitet von Ton oder nicht,“ über das Internet eine ministerielle Authorisierung erfordert.
Daneben gewährt das Dekret Personen, die sich beleidigt fühlen, ein Recht auf Gegendarstellung. Zudem richtet sich die Regelung gegen die Wiederveröffentlichung urheberrechtlich geschützter Werke. Oppositionspolitiker sehen darin eine Bedrohung der Meinungsfreiheit. Paolo Gentiloni von der Demokratischen Partei sagte auf einer Pressekonferenz am Donnerstag:
The decree subjects the transmission of images on the Web to rules typical of television and requires prior ministerial authorization, with an incredible limitation on the way the Internet currently functions.
Die Kritiker sehen in der weitgreifenden Umsetzung der EU-Direktive einen Versuch von Premierminister Berlusconi, Konkurrenten auszustechen. „It’s the Berlusconi method: Kill your potential enemies while they are small“, schreibt Alessandro Gilioli laut The Industry Standard auf seinem Blog für L’Espresso. Der zuständige Minister Paolo Romani wies allerdings Vorwürfe zurück, das Dekret werde die Meinungsfreiheit einschränken. Man sei zudem zu Veränderungen bereit.
Update: Dirk hat in den Kommentaren einen Link zur deutschen Fassung der entsprechenden EU-Direktive gepostet. Die hat in der Tat Zündstoff, von einer Meldepflicht für Webvideo-Dienste ist aber nirgends die Rede. Wer es nachlesen will, findet die relevanten Paragraphen ab Seite 12.
Auch hübsch ist dieser Paragraph, der zeigt, dass man – wie es scheint – auch bei der EU Gesetze kaufen kann:
Artikel 3d
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbieter Kinospielfilme nicht zu anderen als den mit den Rechteinhabern vereinbarten Zeiten übertragen.
Unglaublich was sich manche Leute einfallen lassen.
Hoffentlich schielt da keiner von Berlin aus rüber…
Also ich finde in dem Fall „Umsetzung von EU-Direktive“ immer etwas fehl am Platz. So wie ich das sehe ist es eher die falsche oder zu weite Umsetzung der EU-Direktive, die das Problem ist.
ach ja. wie gut, daß wir das EU-hintertürchen haben, mit dem alles, alles entschuldbar wird. danach, daß die gesetze von den ministern der mitgliedsstaaten selbst in brüssel/strasbourg eingebracht worden sind, kräht dann kein hahn mehr.
Was ist mit animierten GIFs?
Müßte eigentlich auch darunter fallen, ist halt nur ein möglicher „Codec“, wenn man so will. Was ich mich frage: Müßte dann in Italien jeder, der ein Video auf Youtube, MobileMe oder sonstwo hochlädt eine Anfrage beim Ministerium stellen? Wann ja und das Gesetz auch in Kraft tritt, dann hoffe ich, daß das auch jeder für jedes einzelne Video tut, um das Ministerium handlungsunfähig zu machen.
Das stinkt intensiv nach Zensur.
Eigentlich geht es dabei doch gar nicht um den Upload von Videos, sondern um deren Zugänglich-Machung (Verbreitung). Wenn ich ein Video auf einen gesicherten Server hochlade, der nur mir zugänglich ist, dann „sende“ oder veröffentliche ich dieses Video ja nicht. Somit würde dieses Dekret ganz schnell bei tube und co. landen, welche dann die Dateien zwar annehmen, aber nicht zugänglich machen dürften.
Fragt sich, ob diese Plattformen einfach mit einer generellen „Sendegenehmigung“ weiter machen können, oder ob sie damit dann im Zweifel haftbar sind und das deshalb nicht machen würden.
Ursprünglich sind Sendegenehmigungen auch wegen der begrenzten Anzahl an Frequenzen gebraucht worden, die fällt im Netz komplett weg. Bleibt nur die Kontrolle des Inhalts.
Und wer zukünftig sprechen will unterliegt den gleichen Regulierungen wie Radiosender.
-> nicht zur Veröffentlichung <-
Hallo simoncolumbus,
erstmal möchte ich mich bei dieser Gelegenheit grundsätzlich für den Betrieb dieser guten Seite mit den wertvollen Infos bedanken.
Sicher würde es der Seriösität noch helfen, wenn sprachlich bei euch alles noch etwas besser klappen würde. Ich möchte nicht in den Kommentaren vom Thema ablenken, aber trotzdem der Hinweis: Es heisst das Dekret (nicht der) und Autorisierung schreibt man (anders als Authentifizierung) im Deutschen ohne h.
Alles Gute weiterhin, Anja
Na das war dann wohl nichts :p Ich hatte Moderation erwartet, sorry :)
@Anja: Moderation in Form von Vorab-Kontrolle wäre ja Zensur, welche man afaIk gerade nicht möchte. Hier nicht und bei Videos in Italien auch nicht.
Es reicht aus, wenn etwas, was gegen Gesetze verstößt, entfernt wird, sobald der Betreiber davon Kenntnis erlangt.
@Mithos: Ich habe nichts dagegen, wenn ein Blogbetreiber sinnlosen Unflat oder Spam vorab ausfiltert und mir damit die Zeitdiebstahl erspart. Den Begriff Zensur möchte ich eben nicht so inflationär verwendet wissen. Zensur ist, wenn man seine Meinung gar nicht öffentlich kundtun darf. Das heißt noch lange nicht, dass man ein Recht darauf hat, überall alles hinzupinnen, wo man es gerade möchte. Ein kluger Blogbetreiber wird ohnehin nicht den Zensor machen, da er ja weiß, dass jeder, der es wünscht, seine Meinung (auch über ihn) an anderer Stelle frei sagen kann.
Das kommt bei uns auch, wenn es in Italien ein Erfolg wird. Steht doch irgendwo in der EU-Verfassung, dass wenn eine Schandtat in einem Land ein großer Erfolg ist, gilt das für alle Länder.
Es sollte vielleicht mal erwähnt werden, dass das mit dem Prozess gegen Google wegen eines Youtube-Videos, in dem die Misshandlung eines autistischen Jungen durch Mitschüler gezeigt wurde, zusammenhängt.
@Anja: Spam wird per Captcha gefiltert, da braucht man kaum manuelle Vorab-Filterung. Unsinnige Beiträge sind offenbar auch nicht so häufig, dass sie Vorab-Filterung erfordern.
Da rechtlich Fragwürdiges ebenfalls nicht vorab gefiltert werden muss, kann man also auf eine Vorab-Filterung komplett verzichten.
Bei den Videos verhält es sich genau so. Wenn jemand jedoch Interesse daran hat, eine freie Meinungsäußerung oder Verbreitung von Fakten via Video zu unterbinden, dann muss er vorab inhaltlich filtern, um dies wirkungsvoll zu erreichen. Andernfalls wird allein durch die Masse der heute hochgeladenen Videos eine anschließende Kontrolle fast unmöglich.
Hui, da liegt wirklich Zündstoff drin:
(die „Audiovisual Media Services Directive AVMSD“ -deutsche Version-, um die es geht)
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1989L0552:20071219:DE:PDF
Ähnlich wie beim JMStV:
Interpretierbare Begriffsdefinitionen des Geltungsbereichs und ein paar Vorschriften, die eigentlich fürs Fernsehen gedacht sind.
Ab Seite 11 wird’s deutlich
Wir nähern uns immer mehr der kompletten Internetzensur, man sollte einmal dran denken wieviele Meldungen dieser art in letzter Zeit veröffentlicht worden sind. Das ist echt erschreckend…. dachte immer durch die Technik werden wir fortschrittlicher aber irgendwie scheint im Augenblick genau das Gegenteil zu passieren.
ob es wegen der mißhandlung eines jungen auf video war, weiß ich nicht, ich könnte mir aber vorstellen, daß der gute condottiere es unpassend fand, daß unlängst plötzlich videos seiner sehr privaten vergnügungen im web zu sehen waren. daß man damit auch mögliche konkurrenten ausschaltet, ist ein schönes bonbon.
und jetzt bitte ich um moderation. weiß gar nicht, wie das so lange ohne gut gehen konnte…
die rede ist in dem betreffenden absatz von audiovisueller kommerzieller bzw. gesponserter Kommunikation,
fernsehsendern und mediendiensten.
art. 9:
Dieses Kapitel gilt nicht für Fernsehsendungen, die sich an ein lokales Publikum richten und die nicht an ein nationales Fernsehnetz angeschlossen
sind.
das einzige, das auslegungssache ist, ist die natur des ‚dienstes‘; der begriff ist, wie funkamateure wissen, äußerst dehnbar.
hab ich was verpennt?
@vera
du beziehst dich auf die Artikel 3e und 3f, wenn ich das richtig sehe?
soweit es sich mir erschließt, genügen schon die Artikel 3a und 3b als (vorgeblicher) Anlass für das Dekret.
dazu kommt, dass Kommerzialität immer so eine Definitionssache ist.
Kann hier jemand Italienisch, der das mit Bezug auf lokale Quellen auflösen könnte? Dh die Frage, welche Anbieter konkret betroffen wären?
@simoncolumbus
hast recht, mit viel ‚gutem‘ willen kann man daraus alles mögliche konstruieren. bleibt die hoffnung auf die streitbaren damen reding und kroes.
mein italienisch reicht leider nur für einen urlaub.
Dann schlage ich doch vor, dass wir uns alle Italiener als Freunde suchen, damit sie uns ihre Videos schicken können. Dann laden wir sie hoch :)
Wenn’s auch so nicht gedacht war, aber: So wird das vielleicht auch was mit der EU, denn das europäische Volk wächst zusammen…
„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbieter Kinospielfilme nicht zu anderen als den mit den Rechteinhabern vereinbarten Zeiten übertragen.“
Also irgendwie werden die Rechteinhaber (wenn sie denn die Künstler mal irgendwann dafür bezahlen) immer größenwahnsinniger. Als nächstes kommen noch Bestimmungen was im Kino wann verkauft werden darf, z.B. für Film X nur Produkte von Firma Y, die dann Werbung bei Firma Z kaufen.
Für mich ist das auch eindeutig Zensur, vor allem frage ich mich wer all die Uploads kontrollieren und freigeben soll, in angemessener Zeit.
@vera: Das steht da nicht explizit drin, lässt sich aber, analog Berlusconi, daraus konstruieren.
Durch die Direktive sollten die unterschiedlichen Vorschriften zu Jugendschutz, Werbung und presserechtlicher Haftung (Gegendarstellung etc.) von Fernsehsendern harmonisiert werden.
Ein Katalog, der sowohl den Markt öffnen als auch für EU-weit vergleichbare Ausichtsinstanzen sorgen soll, der Schranken beseitigt und gleichzeitig kulturelle nationale Interessen berücksichtigt:
– In manchen Ländern gibt es bspw. nichts, das den deutschen Landesmedienanstalten vergleichbar wäre – sollte es nach EU-Willen aber.
– In den meisten Ländern würde eine Quotenregelung für die Sprache der Sendungen als Markthemmnis aufgefasst, die Franzosen sollen aber ihre Quote behalten dürfen.
Das ganze versucht man nun mal wieder mehr schlecht als recht so zu formulieren, dass der eigentliche Adressat, die Fernsehsender, sich auch bei einer veränderten Ausstrahlungstechnik dem Regelwerk nicht entziehen kann; Und deshalb hat man die on-demand-Dienste mit hineingenommen.
Dass youtube als on-demand-Dienst mit in den Regelungsbereich fällt, halte ich eher für einen (manchem willkommenen) handwerklichen Fehler, denn einen willentlichen allumfassenden Zensurvorstoss.
Immerhin geht das Papier auf Initiative von Viviane „Das Blockieren oder Filtern bestimmter Internet-Inhalte ist für die Europäische Union völlig inakzeptabel.“ Reding zurück.
( http://www.netzpolitik.org/2009/europaeische-kommission-ruegt-china-wegen-internet-filtern/ )