Der 23. April 2009 ist der Tag des Buches sowie des Urheberrechts. Zumindest in Österreich dürfte er aber auch zu einem Tag des „Lobbyings“ werden. Organisiert durch die österreichische Sektion des Branchenverbands der Musikindustrie IFPI plant eine ominöse „branchenübergreifende Plattform unter dem Titel ‚Schutz des geistigen Eigentums’“ an diesem Tag ein „Manifest des geistigen Eigentum(s)“ der österreichischen Parlamentspräsidentin Barbara Prammer sowie „gemeinsam mit renommierten Künstlerinnen und Künstlern den Bürgermeistern und Kulturstadträten der Landeshauptstädte sowie den wichtigsten Bezirksstädten zu überreichen.“ Die IFPI Austria brüstet sich in ihrem Anschreiben an die Kommunalpolitiker damit, dass die Plattform „von Medien massiv unterstützt wird“ (siehe PDF). Als Proponenten eines sogenannten „Initiativkomitees“ werden unter anderen der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler (konservativ/ÖVP) und der stellvertretende Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im EU Parlament Hannes Swoboda genannt.
Das Manifest selbst (siehe ebenfalls PDF) besteht – abgesehen von einer Vielzahl an Allgemeinplätzen – vor allem aus der offenen Ablehnung von Filesharing sowie subtilen Spitzen gegen alternative Urheberrechtskonzepte. Einige Kostproben:
„Geistige Leistungen sind Allgemeingut – Aber kein Selbstbedienungsladen und Gratisportfolio“ (…)
„Diebstahl geistigen Eigentums ist mehr als nur ein Kavaliersdelikt und willkürliche Aneignung des Wissens anderer.“
„Wer geistiges Eigentum missachtet, missachtet Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit.“
Dass im Unterschied zu materiellen Gütern die „willkürliche Aneignung des Wissens anderer“ diesen ihr Wissen nicht „wegnimmt“, übersteigt den Horizont des Pamphlets bei weitem. Für die Probleme eines immer stärkeren Urheberrechtsschutzes sowie immer längerer Schutzfristen bleibt kein Platz nach Floskeln wie dieser:
„Freier Zugang zu Wissen und kreativen Produkten und Prozessen erlaubt nicht kostenloses Kopieren, Duplizieren und Verwenden.“
Ein starkes Stück, angesichts der Vielzahl von Menschen, die unter Verwendung von Creative Commons Lizenzen genau dieses „kostenlose Kopieren, Duplizieren und Verwenden“ tagtäglich und äußerst kreativ praktizieren.
In Linz/Donau, der drittgrößten Stadt Österreichs, wird man sich dieser Bitte um Unterstützung dezidiert verweigern. Der sozialdemokratische Bürgermeister lehnt eine Unterzeichnung des Manifests in einem Brief an den EU-Abgeordneten Swoboda als „einseitig und unzeitgemäß“ ab, wie uns auf Nachfrage mitgeteilt wurde. Brisanz erhält diese Entscheidung, weil Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas ist und deshalb gerade im kulturellen Bereich besondere Aufmerksamkeit genießt.
In der Heimatstadt des Ars Electronica Festivals, das letztes Jahr die „New Cultural Economy“ beschworen hatte, wird stattdessen für den 23. April ein „Tag des alternativen Urheberrechts“ angedacht. Der Linzer Gemeinderat und Mitherausgeber des Bands „Freie Netze. Freies Wissen.“, Christian Forsterleitner, kündigt Informations- und Diskussionsveranstaltungen zu Themen wie „Copyleft“, Open Courseware (freie Lehrunterlagen) und der seit 01.01.2009 bestehenden Zusatzförderung von „Creative Commons“-lizenzierten Inhalten: Wer in Linz eine Kulturförderung erhält und sich für die Verwendung einer freien Lizenz entscheidet, erhält seit Jahresbeginn einen zehnprozentigen Bonus.
Hat jemand mitbekommen, ob eine ähnliche Aktion auch in Deutschland geplant ist?
„Manifest der geistigen Armut“ trifft es viel besser.