Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (PDF) beschlossen.
Wolfgang Schäuble erklärt in einer Pressemitteilung des Bundesinnenministerium die Vorteile:
„Da sich in der Praxis gezeigt hat, dass insbesondere beim Einsatz der sog. Scoringverfahren die Verbraucher die von einer Auskunftei ihnen oder ihren potentiellen Vertragspartnern erteilte Auskunft oftmals nicht nachvollziehen können, ist die Notwendigkeit gesetzgeberischen Handelns entstanden. Ein Hauptziel des Gesetzentwurfs ist es daher, durch die Erweiterung der Informations- und Auskunftsrechte der Betroffenen gegenüber Auskunfteien und deren Geschäftspartnern die Tätigkeit von Auskunfteien transparenter zu machen. In Zukunft sollen dem Betroffenen auf Wunsch die Informationen zur Verfügung gestellt werden, aus denen er ersehen kann, mit Hilfe welcher Daten eine ihn betreffende Entscheidung zustande gekommen ist. Dadurch wird ihm erleichtert oder teilweise sogar erst ermöglicht, fehlerhafte Daten zu korrigieren, Missverständnisse aufzuklären und seine Interessen sachgerecht gegenüber dem potentiellen Geschäftspartner zu vertreten.“
Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar fordert noch mehr Transparenz in einer Pressemitteilung: Bundeskabinett beschließt Reformgesetz zu Auskunfteien.
„Die Gesetzesnovelle geht in die richtige Richtung, ist aber zu zaghaft“, […] „Die Unternehmen müssen dem Kunden mitteilen, warum er einen begehrten Vertrag nicht erhält oder für einen Kredit höhere Zinsen zahlen soll. Angesichts der immer umfangreicheren Datensammlungen muss der Betroffene wissen, welche Daten über ihn gespeichert und an Dritte weitergegeben werden. Nur so hat er überhaupt eine Chance, unrichtige Daten zu korrigieren oder Fehlinterpretationen zu begegnen. Deshalb begrüße ich, dass der Entwurf die Auskunftsrechte der Betroffenen gegenüber Auskunfteien verbessert.“ […] „Für den Betroffenen muss klar sein, welche Informationen mit welcher Gewichtung in einen Scorewert eingeflossen sind und ihn gegebenenfalls negativ beeinflusst haben. Die maßgeblichen Merkmale sollten nach ihrer Bedeutung beziehungsweise dem Grad ihres Einflusses auf den konkreten Scorewert mitgeteilt werden. Hier ist der Gesetzentwurf noch nicht deutlich genug.“ „Ich wünsche mir auch,“ so Schaar weiter, „dass nur solche Unternehmen diese sensiblen Informationen bekommen, die ein kreditorisches Risiko eingehen und nicht diejenigen, die sich bereits auf anderem Wege absichern können. Es darf nicht sein, dass sich letztlich sogar Arbeitgeber bei Auskunfteien über die finanziellen Verhältnisse ihrer Mitarbeiter informieren dürfen. Auch hier muss im Entwurf noch nachgebessert werden.“
Die Grüne-Fraktion begrüsst zwar die minimale Stärkung der Informationsrechte für Bürger und Bürgerinnen. Kritisiert wird aber, dass jetzt per Gesetz ausdrücklich erlaubt wird, Wohnortdaten in die Ermittlung der Scorewerte einzubeziehen. Das „berüchtigte Geo-Scoring“ würde damit legalisiert. Dabei geht es darum, dass man schlechtere Scoring-Daten erhält, wenn man in der falschen Wohngegend wohnt. Die Grüne Fraktion nennt dies „Moderne Sippenhaft in der digitalen Welt“ und spricht sich für ein Verbot im laufenden Gesetzgebungsverfahren aus.
Die minimalen Verbesserungen bei den Informationsrechten gehen uns nicht weit genug. In unserem Antrag haben wir verlangt, dass der Betroffene über die verwendeten Scorewerte informiert wird. Wir begrüßen daher, dass zukünftig nicht nur die Scorewerte mitgeteilt werden müssen, sondern auch die zur Ermittlung herbeigezogenen Daten und die „wesentlichen Gründe“ für die Entscheidung. In unserem Antrag haben wir gefordert, dass der Betroffene die Gründe erfahren muss, welche zur Ablehnung eines Kreditantrages beigetragen haben. Die Bundesregierung verlangt nun von den Bürgern und Bürgerinnen, dass sie ihre Informationsrechte aktiv wahrnehmen. Wer keine Auskunft einfordert, der erhält auch keine. Eigenverantwortlich aktiv werden können Verbraucher und Verbraucherinnen aber nur, wenn sie wissen, wer über sie Scorewerte angelegt hat und wer Scorewerte abgefragt hat. Die Große Koalition gibt ein Informationsrecht, lässt im Gesetz aber gleichzeitig völlig offen, wie es realisiert werden kann.
Einen guten Überblick über den Gesetzentwurf bietet Zeit-Online: Sind Sie kreditwürdig?
Das Bundeskabinett will den Datenschutz beim Scoring verbessern. Doch der beschlossene Gesetzentwurf stärkt vor allem die Rechtssicherheit für Kreditfirmen.
[…]
Da hilft es auch nichts, dass der letzte Entwurf des Gesetzes (hier als pdf) gegenüber den vorherigen noch einmal überarbeitet wurde. Verfahren, die bisher sowieso schon Verwendung fanden, verpasste die Bundesregierung lediglich eine gesetzliche Grundlage. Was bisher in einer Art Grauzone geschah, ist nun offiziell erlaubt. Die Wirtschaft erhält Rechtssicherheit, geben musste sie dafür nicht viel.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert, dass der Entwurf zu kurz greift: Scoring: Denken in Schubladen geht weiter.
Als nicht ausreichend kritisiert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) die heute im Kabinett beschlossenen Neuregelungen zum Einsatz von Scoring-Verfahren. „Verbraucher werden auch in Zukunft nicht erfahren, warum sie von Unternehmen in welche Schubladen gesteckt werden“, befürchtet Cornelia Tausch, Fachbereichsleiterin Wirtschaft. Ziel der Änderungen im Bundesdatenschutzgesetz ist es, transparente Regeln für den Einsatz von Scoring-Verfahren zu schaffen. Tausch: „Die heute beschlossenen Maßnahmen stellen einen richtigen Schritt dar, laufen aber Gefahr, das Ziel zu verfehlen.“ Die Verbraucherschützer appellieren jetzt an die Bundestagsfraktionen, sich für Bewertungsverfahren einzusetzen, die den ungezügelten Einsatz von Scoring-Verfahren begrenzen und die Transparenz der Verfahren spürbar verbessern.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert weiter, dass die Bundesregierung die Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes auch dazu nutzt, den Schutz der Verbraucher insgesamt zu stärken. Hierzu seien notwendig:
* Die Klagebefugnis der Verbraucherverbände zu stärken, um datenschutzrechtliche Verstöße abmahnen zu können.
* Ein Verbot des praktizierten Opt-Out-Prinzips bei Datenweitergabeklauseln. Ein obligatorisches ‚Opt-In‘ würde die Kenntnisnahme und Einwilligung der Verbraucher in die Verwendung ihrer persönlichen Daten zu Werbezwecken sicherstellen.
* Ein Sammelrückrufrecht, damit Verbraucher ihre Einwilligung zur Verwendung ihrer Daten in einem Zuge widerrufen können.
* Den zügigen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung eines Datenschutzaudit.
Weitere Meldungen:
Tagesschau: Mehr Verbraucherrechte gegenüber Auskunfteien.
Heise: Bundesregierung will Geo-Scoring zur Bonitätsprüfung zulassen.
Heute.de: Prüfung der Kreditwürdigkeit soll transparenter werden.
Hey Geo – Scoring, ich finde das setzt dem aktuellen Sammelwahn und der Abkehr von Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung auf banale Weise den Deckel auf.