Apple hatte im Jahr 2021 ein für Nutzer:innen cooles Datenschutz-Feature namens „App Tracking Transparency Framework“ (ATTF) eingeführt: Das schaltete für Apps von Drittherstellern automatisch Teile des Werbetrackings ab. Nutzer:innen mussten fortan der Übertragung der Mobile Ad ID (MAID), mit der die Werbeindustrie Daten zusammenführt und personalisiert, extra per Opt-in zustimmen. Wurde der Haken nicht gesetzt, waren die Nutzer:innen der Apple-Geräte standardmäßig deutlich besser vor Tracking geschützt als die von Android-Phones – und das gleich bei allen Apps. Außer denen von Apple.
Hieran stört sich nun das Bundeskartellamt. In einer Mitteilung heißt es: „Darin könnte nach vorläufiger Auffassung des Bundeskartellamtes ein Verstoß gegen die besonderen Missbrauchsvorschriften für große Digitalunternehmen (§ 19a Absatz 2 GWB) sowie gegen die allgemeinen Missbrauchsvorschriften des Artikel 102 AEUV liegen.“
Bundeskartellamt-Chef Andreas Mundt sagt, dass Apple „einen weitreichenden Zugang zu werberelevanten Daten seiner Kundinnen und Kunden“ habe. Und weiter: „Für andere Unternehmen, die im App Store kostenfreie und zum Teil zu den Apple-eigenen Diensten in Konkurrenz stehende Apps anbieten wollen, hat personalisierte Werbung ebenfalls eine hohe wirtschaftliche Bedeutung. Dies gilt besonders für die vielen Anbieter, die – anders als z.B. Apple – selbst nicht über einen breiten und tiefen Datenschatz verfügen. Der Zugang zu den dafür relevanten Daten der Nutzenden wird konkurrierenden Herausgebern von Apps aber durch das ATTF deutlich erschwert.“
Zugang zum Datenschatz verwehrt
Für das Bundeskartellamt sei zentral, „dass die Nutzerinnen und Nutzer frei und informiert darüber entscheiden können, ob ihre Daten überhaupt für personalisierte Werbung verwendet werden dürfen oder nicht.“ Die Frage sei aber, ob Apple für andere Anbieter diesbezüglich strengere Maßstäbe aufstellen darf als für sich selbst. Nach der vorläufigen Sichtweise der Marktwächter könnte darin eine kartellrechtlich verbotene Ungleichbehandlung und Selbstbevorzugung Apples liegen.
Als problematisch sieht das Bundeskartellamt folgende Punkte an:
Erstens ist kritisch, dass Apple den Begriff „Tracking“ im ATTF so definiert, dass nur die unternehmensübergreifende Datenverarbeitung zu Werbezwecken erfasst ist. Die von Apple selbst praktizierte Vorgehensweise, Nutzendendaten über das Ökosystem hinweg – aus dem App Store, der Apple ID und angeschlossenen Geräten – zu kombinieren und zu Werbezwecken zu verwenden, fällt nach dem bisherigen Befund hingegen nicht unter die strengen Regeln des ATTF.
Zweitens werden dem Nutzenden im ATTF bei Dritt-Apps bis zu vier aufeinanderfolgende Abfragefenster gezeigt; bei Apple-Apps sind es höchstens zwei. Zudem wird die eigene dienstübergreifende Verarbeitung von Nutzendendaten, sogenanntes First-Party-Tracking, nicht als solches benannt.
Drittens sind die von Apple vorgegebenen Auswahldialoge nach vorläufiger Einschätzung derzeit so ausgestaltet, dass die Nutzenden zur Einwilligung in die Datenverarbeitung durch Apple ermuntert werden. Bei Dritt-Apps wird der Nutzende dagegen in Richtung einer Ablehnung der Datenverarbeitung durch Dritte gelenkt.
Vorgehen könnte zu Schwächung des Datenschutzes führen
Nun ist es so, dass Apples Maßnahme dazu geführt hat, dass die Werbeindustrie Apple-Kunden deutlich schwieriger tracken kann als andere, auch wenn die Industrie schon an anderen Profilierungsmethoden als über die MAID arbeitet. Sollte sich das Bundeskartellamt gegen Apple durchsetzen, müsste Apple entweder den Datenschutz für alle schwächen oder an sich selbst härtere Datenschutzmaßstäbe anlegen. Entscheidet sich Apple für die erste Variante, ist den Datenschutzinteressen der Nutzer:innen nicht geholfen – und das Kartellamt hätte den Verbraucher:innen einen Bärendienst erwiesen.
An der Überprüfung des ATTF-Verfahren von Apple arbeiten laut dem Bundeskartellamt auch die Europäische Kommission und andere nationale Wettbewerbsbehörden, die ATTF parallel in eigenen nationalen Wettbewerbsverfahren untersuchen.
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