KI kann keine LiteraturDer Wert menschlicher Übersetzung

KI-generierte Übersetzungen von E-Mails, Nachrichtenartikeln oder Speisekarten sind für unsere Gastautorin überhaupt kein Problem. Aber bei literarischen Texten sollten allein Menschen Hand anlegen, argumentiert sie – und vor allem Buchverlage sollten von KI die Finger lassen.

Eine Schreibmaschine, zwei Hände und Blumen im Pop-art-Stil
– Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Panthermedia

Janine Malz ist seit 2014 als freiberufliche Literaturübersetzerin tätig und übersetzt Belletristik und Sachbücher aus dem Englischen, Italienischen und Niederländischen ins Deutsche.

Vor Kurzem erreichte mich die E-Mail eines großen deutschen Verlags, der mich als Literaturübersetzerin aus dem Englischen, Italienischen und Niederländischen anfragte; ich sei ihnen wärmstens empfohlen worden. Es ging um eine vierteilige Romanreihe aus den Niederlanden. Die Romane seien kurzweilig, die Figuren charmant, und die Autorin schreibe mit Witz und Herz, so die Lektorin. So weit, so normal. Doch ich wurde nicht etwa für die Übersetzung angefragt, sondern nur als Prüferin für eine KI-generierten Übersetzung, sogenanntes Post-Editing.

Das Honorar: Fünf Euro pro Normseite – ein übliches Übersetzungshonorar liegt um die 20 Euro. Und ich sollte auch keinen Übersetzungsvertrag erhalten, sondern nur einen Redaktionsvertrag. Falls ich Bedenken hätte, würde man sich sonst auch über die Empfehlung einer Kollegin freuen. Mir fiel die Kinnlade herunter.

Übersetzen ist auch Beziehungsarbeit

Denn was diese scheinbar harmlose Anfrage beinhaltete, verhieß nichts weniger als den Anfang vom Ende meines Berufs. Kurzerhand verfasste ich eine Antwort, in der ich nicht einfach lapidar ablehnte, sondern erklärte, warum diese Entwicklung aus Übersetzerinnensicht fatal wäre. In der E-Mail ging ich auf folgende fünf Argumente ein:

  1. Post-Editing heißt, für ein geringeres Honorar in kürzerer Zeit einen deutschen Text zu schustern. Selbst wenn ich mir Mühe gebe, würde am Ende ein Text herauskommen, der qualitativ schlechter ist als ein Text, den ich selbst erschaffe. Das liegt in der Natur der Sache: Sobald erst einmal etwas auf Deutsch dasteht, ist es schwer, sich davon zu lösen und auf eigene, idiomatische und kreative Lösungen zu kommen.
  2. Post-Editing ist nur scheinbar ein Zeitgewinn: Wenn ich selbst übersetze, habe ich vor mir einen ausgangssprachlichen Text und meine unbeschriebene Word-Datei, in die ich meinen Text hineintippe. Beim Post-Editing muss ich aber erstmal den deutschen Output Satz für Satz mit dem Ausgangstext abgleichen, um Fehler zu entdecken und auszumerzen. Das kostet Zeit. Dann soll ich ja aber auch noch einen gut lesbaren, flüssigen Text daraus machen.
  3. Übersetzen ist nicht nur Textarbeit, sondern auch Recherche: Wichtig ist, sich klar zu machen, dass die Maschine den Text nicht versteht. Sie versteht keine Anspielungen, Wortspiele, Witze, Bezüge, sprechende Namen. Als Übersetzerin bin ich oft in engem Austausch mit den Autor:innen, frage nach, was sie mit bestimmten Formulierungen meinen, recherchiere Fakten nach und finde nicht selten Fehler im Original, weil in anderen Ländern teilweise das Lektorat nicht so gründlich ist wie bei uns.
  4. Übersetzen ist nicht nur Textarbeit, sondern auch Beziehungsarbeit: Gerade den niederländischsprachigen Markt kennen wir Übersetzer:innen sehr gut und fungieren mitunter auch als Scouts, entdecken neue Bücher aus den Niederlanden und Flandern, bieten sie deutschsprachigen Verlagen an. Mitunter gehe ich mit meinen Autor:innen auch auf Lesereise, moderiere und dolmetsche das Gespräch. Das alles kann die KI nicht leisten. Ich kann das aber nur so lange leisten, solange ich von meiner Arbeit leben kann.
  5. Es wird ein Redaktions-, kein Übersetzungsvertrag angeboten. Das heißt für mich, ich erlange keine Urheberrechte an dem deutschen Text, ergo erhalte ich auch keine Beteiligung seitens des Verlags am Nettoverkaufserlös und keine Bibliothekstantiemen durch die VG Wort. Das ist angesichts der bescheidenen Honorare aber ein wichtiger Baustein in meinem Einkommen. Außerdem ist die Frage, wer ist dann überhaupt Urheber an der deutschen Buchveröffentlichung? Das kann juristisch nur ein Mensch sein, keine Maschine.

Entwicklung bedroht die Kulturbranche

Übersetzen ist nicht nur ein Beruf, es ist Berufung. Meine Kolleg:innen arbeiten oft weit über eine normale 40-Stunden-Woche hinaus und tragen als Freiberufler:innen zusätzliche Risiken – niemand bezahlt uns, wenn wir krank oder im Urlaub sind. Das Durchschnittshonorar ist in den letzten Jahrzehnten inflationsbereinigt gesunken (!), viele bekommen eine so geringe Rente, dass sie auch im Alter weiter arbeiten müssen.

Warum wir das machen? Wir lieben unseren Beruf, wir lieben Literatur und setzen uns dafür mit all unserem Können und unserer Erfahrung ein. Wenn Verlage nun aus Kostengründen die Honorare weiter absenken, werden immer mehr Kolleg:innen in andere Berufe ausweichen, weil sie schlicht nicht mehr davon leben können. Damit geht all das verloren, was ich oben geschildert habe.

Nachdem ich die E-Mail abgeschickt hatte, stellte ich die Anfrage und meine Antwort – nur unter Angabe des Verlags, aber ansonsten anonymisiert – bei Instagram ein, anschließend auch bei LinkedIn und Facebook. Was folgte, hat mich überwältigt. Mein Beitrag ging viral, wurde tausendfach gelikt und geteilt, unter anderem von Schriftsteller:innen wie Saša Stanišić, Nicole Seifert und Nina George. Übersetzer:innen und Autor:innen, Journalist:innen, Sprecher:innen, Illustrator:innen und erfreulicherweise auch viele Leser:innen waren entsetzt und dankten mir für den öffentlichen Protest gegen eine Entwicklung, die die gesamte Kunst- und Kulturbranche bedroht.

Was es heißt, Literatur zu übersetzen

Porträt von Janine Malz
Janine Malz ist freie Übersetzerin. - Alle Rechte vorbehalten Foto: Doris Ruf

Überall wird der Rotstift angesetzt, gerade erst wurden Pläne bekannt, wonach im neuen Bundeshaushalt trotz gleichbleibendem Kulturetat ausgerechnet bei der freien Kunst- und Kulturszene drastisch gekürzt werden soll – den sechs Bundeskulturfonds, darunter dem Deutschen Übersetzerfonds, sollen die Mittel um die Hälfte (!) gestrichen werden. Für Übersetzer:innen ist das ein schwerer Schlag, denn diese Stipendien sind enorm wichtig in einem Beruf, in dem das Honorar gerade bei anspruchsvollen Werken den Zeitaufwand nicht abdeckt, sodass sie letztlich auch den Verlagen zugutekommen.

Was mir in der Debatte im Nachgang meines Online-Posts auffiel, ist, wie viele offenbar ein merkwürdiges Verständnis davon haben, was es heißt, Literatur zu übersetzen. Das mache ich erstmal niemandem zum Vorwurf, denn auch ich weiß ja nicht, was andere Leute in ihren Berufen so machen. Aber von einem Verlag würde ich das schon erwarten.

Sprachgefühl statt Sprachberechnung

KI-Technologie, die auf sogenannten großen Sprachmodellen beruht, wie DeepL oder ChatGPT, ist im Alltag sicherlich praktisch, etwa beim Übersetzen von Geschäftsmails oder Zeitungsartikeln oder beim Verständigen in einem fremdsprachigen Kontext. Aber in der Literatur haben wir es mit Texten zu tun, die über die reine Informationsvermittlung hinausgehen, bei denen Stil, Rhythmus und Klang eine essentielle Rolle spielen, die sprachlich erfinderisch und originell sind, eine eigene Handschrift tragen. Die Emotionen, Humor und kulturelle Eigenheiten transportieren. Die man womöglich immer wieder lesen und erfahren möchte – nicht nur einmal kurz überfliegen. Literatur ist Kunst.

Und ja, das trifft auch auf Unterhaltungsliteratur zu, denn auch dort will die Handlung kunstvoll verwoben, wollen Dialoge lebendig geschrieben und Figuren glaubwürdig ausgearbeitet sein.

KI-Sprachmodelle erstellen Texte anhand von Wahrscheinlichkeiten. Sie berechnen etwa, welches Wort am ehesten auf ein vorangegangenes folgt. Die Ergebnisse können teils beeindrucken, aber sie können nicht die Konsistenz und Tiefe eines Texts erreichen, den ein Mensch übersetzt. Mit literarischem Schreiben hat das wenig zu tun. Es heißt ja auch „Sprachgefühl“, nicht „Sprachberechnung“. Literatur entspringt dem Bedürfnis des Menschen, sich gegenseitig Geschichten darüber zu erzählen, was es heißt, Mensch in dieser Welt zu sein. Zu glauben, eine Maschine – die nie in dieser Welt gelebt hat – könne das genauso gut übernehmen, ist gelinde gesagt grotesk.

Verlage, die von sich behaupten, Bücher zu lieben, sollten Literatur auch als das behandeln, was sie ist: eine durch und durch menschliche Ausdrucksform. Kein maschinell erzeugtes Ramschprodukt.

17 Ergänzungen

  1. Eine nette Werbung für den Beruf des Übersetzers. Allerdings fehlen mir Belege. —– Die Autorin behauptet, schlechtere Übersetzungen lägen auch am heutigen Sparen der Verlage und menschliche Übersetzer würden Kultur wie Kontext beachten. Ddie Vergangenheit beweist diese Aussage als unvollständig. Oder wie muss ich mir die – in Bezug auf Kultur und Kontext – miserable Übersetzung von Harry Potter erklären? Wurde damals auch schon gespart, weshalb aus OWL ein UTZ werden konnte? Oder Hogwarts zur Schule der Warzensch*eine? Was hat es mit Kultur zu tun, wenn man die Doppeldeutung des PRIVETE DRIVE als Ligusterweg übersetzt? Nur mal drei Beispiele aus dieser Serie. Lange Rede, kurzer Sinn: hätte mir Vergleiche und vor allem eine Analyse gewünscht.

    1. > hätte mir Vergleiche und vor allem eine Analyse gewünscht.

      Ein löbliches Bedürfnis, das dieser Artikel nicht zu befriedigen beabsichtigt und auch nicht kann, denn eine episodische Schilderung eines Erlebnisses ist keine wissenschaftliche Studie. Und angesichts der Aktualität der Problematik dürfte es noch eine Weile dauern, bis etwas in diese Richtung vorweisbar sein wird.

      Aber tragen Sie doch Ihr Anliegen beim „Deutscher Verband der freien Übersetzer und Dolmetscher e. V.“ (abgekürzt DVÜD) vor.

    2. lol, endlich, nach all den Jahren halten Sie diese Kommentarspalte für den geeigneten Ort, um sich über eine von Ihnen subjektiv als „schlecht“ empfundene Übersetzung eines 25 Jahre alten Jugendbuchs auszukotzen? Und Sie nehmen die „schlechte Übersetzung“ als Beleg dafür, dass der Text keine Analyse … ich kann nicht mehr :D
      Okay, dann mache ich einfach mit: Die Krege Übersetzung von HDR … Die Carroux war so viel besser! Da hat sogar Tolkien selbst dran mitgewirkt!
      Und die Wulf Bergner Übersetzungen von Der dunkle Turm … Wie kann man es nur wagen, alteingesessene Sprüche einfach wörtlicher zu übersetzen?
      Los, Autorin, dieses Texts, rufen Sie bei den Verlagen an und liefern Sie mir „Belege“, „Vergleiche“ und „eine Analyse“, auch wenn ich gar nicht weiß, was das bedeuten soll!

      Zum Text: Die Aufzählung ist 1a!
      Das Korrigieren der KI verengt den sprachlichen Raum erstmal extrem. What has been seen, cannot be unseen! Ganz andere sprachliche Ansätze gehen verloren. Letztlich wird Alles homogenisiert – je weniger Ecken, desto besser marketable.
      Beim Vergleich von KI-Output und Originalsprache-Text fällt mir das auch immer wieder auf. Als deutscher Muttersprachler natürlich vor Allem im Deutschen. Wie viele schönherrliche Dinge wir erdenken und sie mittels weniger Worte in den Köpfen anderer Menschen Bilder malen lassen können, bis sie dort vielleicht einen dauerhaften Wohnsitz finden.
      Deepl und Co. schlagen immer die populärste, denotativtste und meist deskriptivste Übersetzung vor. Als ob es die anderen gar nicht gäbe.
      Im Produktbereich fällt vor allem die Recherche noch schwer ins Gewicht, weil man ja erst mal das Produkt und seine USPs verstehen muss, um überhaupt mit einem Textkonzept ankommen zu können. Sprachmodelle ändern auch gerne einfach hard facts in Texten, weil die Input-Daten des Modells evtl. einen anderen hard fact öfter gecrawlt haben und daher meinen, dass nun alle Produkte diesen hard fact haben müssen.

      1. Ich kann nur zustimmen. Und dem Artikel auch!

        Ich halte das Verhalten des Verlags für einen miesen Versuch, die Gehälter zu drücken. Zulasten von Autor:innen, Übersetzer:innen und Leser:innen und der Kunst sowieso.

        Doch angenommen, ich sähe das alles falsch. Angenommen, die KI würde funktionieren und die Leser würden das akzeptieren. Dann stellt sich die Frage, wozu es eigentlich noch Verlage bräuchte. Also zum Übersetzen schon mal nicht mehr. Für das Lektorat? Wenn eine KI übersetzen kann, dann kann sie auch Korrekturlesen. Um den Drucker zu beauftragen? Es gibt digitale Bücher. Bleibt die Aufgabe „Werbung“ zu schalten. Doch eigentlich gibt es dafür Spezialisten und Werbeagenturen.

        Ich fürchte, die Verlage schaffen sich gerade höchst effektiv komplett ab. Dummerweise aber gab es mal Verlage, die sich sowohl um ihre Autor:innen, als auch um die Bücher und Leser:innen kümmerten. Ich denke, ich werde die vermissen.

  2. Frau Malz hat Recht: Die Schönheit der Sprache, der Stil, die Wortspiele – das alles kriegt eine KI einfach nicht hin. Jedenfalls noch nicht.
    Aber auch dem post von UmstrittenerNutzer muss ich beipflichten: bei der Jugendliteratur gab es schon immer Qualitätsdefizite. Als ich vor kurzem meine 40 Jahre alten, aus dem Schwedischen übersetzten Pferderomane gelesen habe, habe ich gemerkt, wie miserabel und lieblos der text übersetzt wurden. Scheinbar waren die Verlage der Meinung, Kinder sind zu doof, um das zu merken. Aber mich hat es schon als Zehnjährige irritiert. Heute weiß ich, es sind schlicht Übersetzungsfehler.

    1. Es heißt „anscheinend“. „Scheinbar“ impliziert nämlich entgegen deiner Absicht, dass die Verlage diese Einstellung nur vorgetäuscht haben.

  3. KI hat keine Chance gegenüber gebildeten, spezialisierten Menschen. Vergleichen wir mit Komponist gegenüber Tonsetzer. Im Stile von soundso… selbst das braucht noch allerlei Nachflicken, stirbt aber tendentiell noch am ehesten im Angesicht „der KI“ (Ist ja nicht eine einzelne…). Aber Literatur und deren Übersetzungen im Sinn zu haben, nicht enzyklopädisch wiedergebend, sondern sinngemäß, befähigt zu anderem. Es wird immer das Argument kommen, „besser als 70%“ o.ä., wenn man alle mit einrechnet, die mit irgendwas Geld verdienen. Und auch Komponisten bekommen schwierigkeiten, wenn zu viele Kunden auf KI-generiertes umsteigen. Dann sind wir wieder bei Leuchttürmen und Fürstentümern – wie gering der Obulus für die Nutzung dann sein wird, unvorhersagbar. Das berieseln mit Streaming allerdings, wird sicherlich zu solchen Konzepten führen, so dass noch weniger Nischen für lebendige Musik bleibt. Derzeit würde ich das alles definitiv eine Falle nennen. Schnelles Aufrollen des Marktes mit Risikokapital. Schaden bei Gesellschaft, und z.T. auch Kunden, vor allem aber steht die Nachhaltigkeit auf allen Ebenen in Frage. (Dauerhaft sinnvoll, möglich. Gesellschaftsmodell mit Daten, etc. p.p.)

    Harry Potter – die Übersetzung war, wie Störtebecker Alkoholfrei schmeckt, ein Schlag ins Gesicht. Definitiv, weil die die Eier hatte/n, englische Namen ins Deutsche zu übersetzen. Sowas sollten wir nicht ohne Not anstrengen. Ansonsten… Geschlossenheit, Duktus, Atmosphäre und irgendwie originalbezogen, keine Ahnung. Hab’s nicht auf Deutsch gelesen.

  4. Ich habe Harry Potter nie gelesen, weder im Original noch in der Übersetzung, und kann daher nicht beurteilen, ob die Übersetzung wirklich schlecht ist. Aber für das Argument gehe ich einfach einmal davon aus, dass die Behauptung stimmt.

    Die konkreten Beispiele sind so wirr vorgetragen, dass ich nicht so recht verstehe, was daran falsch sein soll bzw. wie der umstrittene Nutzer es besser finden würde. Tatsache ist ja, dass gewisse Dinge wie sprachliche Mehrdeutigkeiten oft überhaupt nicht übersetzt werden können.

    Der Witz dabei ist: Während Maschinen bestenfalls eine dieser Bedeutungen hinbekommen, können Menschen sehr viel freier handeln. Sie können – auch in Rücksprache mit der Autorin – dafür entscheiden, welche der Bedeutungen sie wählen oder ob sie einen komplett anderen Wortwitz erfinden, der im Deutschen eine Doppeldeutigkeit enthätt.

    Dass nicht jede Übersetzung perfekt glückt, ist eine Binse. Dem steht natürlich entgegen, dass manche Übersetzungen sogar besser sind als das Original. Denn – und das finde ich in diesem Kontext besonders wichtig – in ihrem Wesen sind literarische Übersetzungen eher Nachdichtungen als Übersetzungen.

    Ich kann verstehen, dass Verlage auf die Idee kommen, auf diese Weise Geld zu sparen. Nur müssen sie sich dann nicht wundern, wenn die „Korrektoren“ für einen Viertel des Lohns eben nicht mehr die gleiche Arbeit machen können wie ein Übersetzer und im schlimmsten Fall den Text selbst nur durch eine KI korrigieren lassen.

  5. Ich habe mal einen kleinen Test gemacht. Einen Teil des Original-Textes von Shakespeares‘ Hamlet von der KI übersetzen lassen und dann die deutsche Übersetzung von August Wilhlem von Schlegel gelesen. Ein ähnlicher Versuch lässt sich einfach selbst durchführen. Für meinen Geschmack hat die KI haushoch verloren. Es war mir zu antiseptisch, emotionslos, kalt.

  6. Der Artikel beschreibt optimale Übersetzungen, doch meine Realität sieht leider oft anders aus. Ich arbeite seit fast 30 Jahren als freiberufliche Übersetzerin und Bearbeiterin (Sach- und Fachbücher), und was ich als Bearbeiterin vorgelegt bekomme, ist manchmal ziemlich haarsträubend – KI liefert inzwischen oft bessere Ergebnisse als so manche Übersetzer*innen. Auch da bin ich als Bearbeiterin dann die Dumme, denn ich bekomme weniger Honorar und mache mir möglicherweise bedeutend mehr Arbeit, falls ich Wert auf ein gutes Ergebnis lege.

    Ich habe kein Problem damit, KI-übersetzte Texte zu bearbeiten – ich fürchte, dass die Entwicklung sowieso in diese Richtung gehen wird. Aber wenn Verlage Wert auf Qualität legen, müssen sie diese Bearbeitung in Zukunft eben nach Aufwand und gewünschtem Ergebnis bezahlen und wie eine Übersetzung bewerten, also mit Urheberrecht und somit Tantiemen. Mit kleineren Verlagen bin ich da bereits entsprechend am Verhandeln.

    Ich habe auch schon direkt mit Autoren zusammengearbeitet und für diese z.B. Übersetzungen ihrer Werke ins Englische erstellt – mit KI und meinem eigenen Input. Meine Erfahrungen damit sind durchweg positiv – es gibt inzwischen super flexible und hilfreiche Werkzeuge, die sich total kreativ einsetzen lassen. Am Ende entscheidet mein Sprachgefühl, aber der Prozess ist – jedenfalls für mich – spielerischer und weniger anstrengend, als wenn ich die Übersetzung „ganz allein“ machen würde.

    Daher: Ja, es braucht neue Regeln, wir müssen neu verhandeln. Aber ich persönlich weiß Large Language Models als Werkzeuge inzwischen sehr zu schätzen.

    1. > Auch da bin ich als Bearbeiterin dann die Dumme, denn ich bekomme weniger Honorar und mache mir möglicherweise bedeutend mehr Arbeit, falls ich Wert auf ein gutes Ergebnis lege.

      Bis auf den Teil mit „weniger Honorar“ muss ich da irgendwie an unseren Hausmeister denken, wenn er jedes Wochenende zig Kartons aus dem Altpapiercontainer herausholen und zerschneiden muss, weil die Leute selbst dafür vielfach zu dumm oder zu faul sind und die Kartons von so etwas wie einem Breitbildfernseher im Ganzen hineingeben.

      1. „Ich habe kein Problem damit, KI-übersetzte Texte zu bearbeiten“

        Da fließt ja Ihre Expertise ein. Eigentlich ist das ein Bereich, vielleicht auch Umformulieren, wo diese LLMs vielleicht am ehesten noch native Stärken haben.

  7. Volle Zustimmung! Meine Mitautorin und ich haben die Rechte für die englische Fassung unseres locker geschriebenen Sachbuches vom Verlag übereignet bekommen, weil der diese nicht machen wollte. Schon der KI-Probetext war niederschmetternd. Er sieht gefällig aus, ist bei näherer Betrachtung aber ohne jeden Esprit, ganz oft weiß man selbst mit gutem Sprachvermögen nicht, ob ein Muttersprachler das wirklich so sagen würde, und ein fetter Fehler war auch noch drin. Das heißt: Man muss ALLES prüfen, das macht es nutzlos bzw. das Ergebnis ist Mist. Ja, das gibt es bei durch Menschen angefertigten Übersetzungen auch – was soll das beweisen? Wir haben schließlich mit einer Muttersprachlerin zusammengearbeitet, die ihrerseits mit einer Kollegin im Team arbeitet – weil letztere in GB wohnt und somit moderne Sprachentwicklungen mitbekommt. Außerdem lesen sich die beiden gegenseitig Korrektur. Wie genial ist das denn? Wir hatten viele Video-Meetings, in denen Feinheiten zwischen uns vieren diskutiert wurden – und genau diese Feinheiten kann KI nicht. Lasst uns die KI da einsetzen, wo sie hingehört und nicht bei dem, was zutiefst menschlich ist. Ja, das Honorar war teuer und wir werden vermutlich nie den Break Even mit dem Buch erreichen. Aber das war es trotzdem wert. Ich hätte lieber gar keine englische Version des Buches als eine hingeschluderte.

    1. Digitalisierung drangsaliert. Sollen wir nun auch noch in KI-gerechter Sprache reden und schreiben? Werden Texte beanstandet/abgelehnt, weil sie einer Ki-Norm nicht entsprechen?

      Ich finde, es ist an der Zeit gegen unverschämte Übergriffigkeit anzuschreiben, zu boykottieren. Autoren aller Länder vereinigt Euch, um den Wahnsinn zu stoppen.

      1. Also ich habe in Java versucht so (plump und einfach) zu schreiben, dass es denkbar leicht übersetzbar wird, und der JIT möglichst optimal laufen kann. Ein paar mal…

  8. Wenn sich jemand von der schlechten Arbeit einer KI überzeugen will, dem empfehle ich den Krimiklassiker von Josephine Tey „Brat Farrer“, der mit KI Classics und Deep AI übersetzt wurde.
    Wenn J. Tey das sehen könnte, würde sie im Grab rotieren…..

  9. Eine Bekannte ist Übersetzerin mit großem Kollegenkreis. Sie meint, von Literaturübersetzung konnte man schon immer nur in Ausnahmefällen leben. Es gäbe zu viele gut verheiratete Übersetzerinnen, Sprach- und Literaturwissenschaftlerinnen, die das nebenbei und damit die Preise kaputt machten.

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