Jugendschutz im NetzUS-Senat beschließt Kids Online Safety Act

Die USA wollen den Jugendschutz im Internet verbessern. Nach gut drei Jahren Verhandlungen hat gestern der Kids Online Safety Act mit seiner Verabschiedung im US-Senat eine wichtige Hürde genommen. Kritiker:innen warnen vor weitreichenden Folgen für die Internetfreiheit.

Marsha Blackburn und Richard Blumenthal bei einer Anhörung im US-Senat.
Die Senator:innen Marsha Blackburn (Republikaner) und Richard Blumenthal (Demokraten) sind maßgeblich für den KOSA-Gesetzentwurf verantwortlich. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / MediaPunch

Mit breiter Mehrheit hat gestern der US-Senat ein Gesetzespaket beschlossen, das den Jugend- und Kinderschutz im Internet ausweiten soll. Der Kids Online Safety Act (KOSA) und der Teens’ Online Privacy Protection Act, Nachfolger des Jugendschutzgesetzes COPPA (Children’s Online Privacy Protection Act), gehen nun zu weiteren Beratungen an das US-Repräsentantenhaus. Dort steht vor allem KOSA eine ungewisse Zukunft bevor, nur wenige rechnen mit einem Beschluss in der laufenden Legislaturperiode.

Umstrittenes Herzstück des KOSA-Gesetzentwurfs ist eine neu eingeführte Fürsorgepflicht („duty of care“) für Online-Dienste. Die Anbieter müssen künftig „angemessene Sorgfalt“ walten lassen und schon beim Design ihrer Produkte berücksichtigen, dass sie minderjährigen Nutzer:innen nicht schaden. Dazu zählt das Ausspielen von Inhalten, die etwa Essstörungen oder suizidale Gedanken befördern könnten. Zudem sollen süchtig machende Verhaltensweisen oder Online-Mobbing verhindert werden, außerdem sexuelle Belästigung und Missbrauch.

Gesetze statt Selbstregulierung

Das parteiübergreifende Gesetzespaket ist eine direkte Folge von Enthüllungen, mit denen die ehemalige Facebook-Managerin Frances Haugen vor rund drei Jahren an die Öffentlichkeit getreten war. Interne Dokumente hatten damals aufgezeigt, dass die zu Meta gehörenden Dienste Facebook und Instagram eine Reihe an Missständen unter den Teppich gekehrt haben. Stattdessen habe das IT-Unternehmen auf „user engagement“ und Wachstum gesetzt, so der Vorwurf der Whistleblowerin. KOSA und COPPA 2.0 sollen die bisherige Selbstregulierung zumindest beim Jugendschutz beenden.

Indes sorgen die geplanten Vorgaben nicht nur in der IT-Industrie für Verunsicherung, sondern auch bei Bürgerrechtsgruppen und ausgerechnet jenen, die das Gesetz schützen soll. Letzte Woche mobilisierte etwa die ACLU (American Civil Liberties Union) 300 Schulkinder, um in Washington auf die Abgeordneten einzuwirken und die Verabschiedung der Regeln noch zu verhindern. „Wir leben im Internet und haben Angst, dass wichtige Informationen, auf die wir unser Leben lang zugegriffen haben, nicht mehr verfügbar sind“, sagte eine 17-Jährige Schülerin zur New York Times.

Vor allem rührt die Verunsicherung daher, dass sich kaum abschätzen lässt, was letztlich zu „schädlichen Inhalten“ erklärt würde. Darunter könnte beispielsweise Aufklärungsmaterial für LGBTQ+-Personen fallen, warnt die Electric Frontier Foundation (EFF). Oder Inhalte, die sich kritisch mit Rassismus beschäftigen – aus Sicht der Republikanerin Marsha Blackburn, die maßgeblich am KOSA-Text beteiligt war, verantwortlich für Depressionen bei Teenagern. All dies könnte im schlimmsten Fall sogar weitflächig aus dem Internet verschwinden, sollten sich Anbieter keinen Haftungsrisiken aussetzen wollen.

Vorbereitung für Alterskontrollen

Noch nicht fixiert, aber ebenfalls im KOSA-Entwurf vorgesehen sind Systeme zur Altersverifikation – schließlich dürfte das ganze Vorhaben ohne zuverlässige Alterskontrolle weitgehend ins Leere laufen. Zunächst soll das US-Handelsministerium in einer Studie potenziell geeignete technische Ansätze samt deren Gefahren evaluieren, heißt es im gestern beschlossenen Entwurf. Ein Jahr später soll ein Bericht mehreren Ausschüssen im US-Kongress dabei helfen, sich gegebenenfalls für ein System zu entscheiden.

Dass es auf absehbare Zeit kaum ein System für die Ausweiskontrolle im Netz geben dürfte, das die Anforderungen an Privatsphäre, Datensicherheit, Umsetzbarkeit und Teilhabe erfüllen, zeichnet sich seit geraumer Zeit auch in der EU ab.

Selbst ein von der US-Regierung beauftragtes Gremium, die White House Kids Online Health & Safety Task Force, machte jüngst auf die Risiken solcher Systeme aufmerksam, wie ein offener Brief eines Bündnisses aus Bürgerrechtsorganisationen hervorhebt, unterzeichnet etwa von ACLU und EFF sowie Industriegruppen wie der Computer & Communications Industry Association (CCIA).

Schwer absehbare Folgen

Genutzt hat der Protest bislang wenig. Im sonst so zerstrittenen Senat war der Konsens bemerkenswert breit, nur drei Abgeordnete stimmten dagegen: Der Demokrat Ron Wyden und die Republikaner Rand Paul und Mike Lee. Doch auch diese drei Senatoren sind sich nicht einig darin, welche Folgen das Gesetz haben könnte.

Für Paul, der ohnehin jeglichem staatlichen Eingriff kritisch gegenübersteht, würde damit eine „Büchse der Pandora voller unbeabsichtigter Folgen“ geöffnet. Wyden warnte, dass eine künftige Trump-Administration KOSA für Zensur missbrauchen könnte. Der republikanische Lee fürchtet unter anderem vor dem negativen Einfluss von Nacktheit auf Kinder, den KOSA nicht genügend berücksichtige.

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