Anfang März hat die Spielefirma Ubisoft das Spiel „The Crew“ aus ihrer Spiele-Mediathek entfernt. Die „Game-Launcher“ genannten Mediatheken dienen dazu, Spiele zu verwalten. Das bekannteste Beispiel ist Steam, aber die meisten Spielefirmen besitzen oft einen eigenen. Die meisten Spiele existieren heute nur noch digital in den Game-Launchern, da selbst in den Spiele-DVD-Boxen nur noch ein Code für dieses digitale Angebot enthalten ist. Kauft man sich also ein Spiel, ist es als digitaler Wert im Game-Launcher. Oft ist es auch so, dass die Spiele eine Internetverbindung nötig ist, damit sie auf einem Server laufen.
Das führt zu Abhängigkeiten: Verliert der für den Launcher Verantwortliche die Lizenz eines Spiels oder nimmt er das Spiel heraus, hat niemand mehr Zugriff auf dieses Spiel.
Das passierte unlängst bei „The Crew“. Das Autorennspiel, das auf einem Server läuft, damit man mit anderen zusammen Rennen fahren kann, ist in die Jahre gekommen. Bei Ubisoft gibt es zwei Nachfolger für das Spiel und vermutlich sind die Umsätze nicht mehr groß genug, was den Hersteller offenbar veranlasste, nicht länger die Kosten für den Server zu tragen. Dadurch verschwand das Spiel aus den Spielbibliotheken der immerhin noch bis zu zwölf Millionen Spieler*innen und ist auch im Launcher nicht mehr zu finden. Laut den Nutzungsregeln des Ubisoft-Launchers ist das auch so erlaubt.
Ubisoft löst Proteste aus
Viele der noch aktiven „The Crew“-Spieler*innen waren damit überhaupt nicht einverstanden, da ihnen nicht einmal eine Entscheidung zum Verlust des digitalen Werts angeboten wurde. Ubisoft weigerte sich bei „The Crew“ auch, Alternativen zum Weiterbetrieb anzubieten. Als Reaktion auf das plötzliche Ende von „The Crew“ gründete sich „StopKillingGames“.
Die internationale Initiative setzt sich unter anderem dafür ein, dass Videospiele wie auch Musik, Fotos oder Literatur nach Ablauf einer bestimmten Frist gemeinfrei werden oder dass die Unternehmen für Spiele, die sich wirtschaftlich nicht mehr rentieren, den Code zur Verfügung stellen. Dann könnten Menschen, die das Spiel immer noch spielen wollen, die Chance bekommen, selbst Gaming-Server zu hosten. Grundsätzlich verweist die Initiative auch auf ältere Spiele, wo die Multiplayer-Server nicht in der Hand des Herstellers lagen und damit unabhängig von diesem sind.
„StopKillingGames“ stellt jetzt Petitionen im Vereinigten Königreich, Kanada und Australien. Auch für die Europäische Union ist eine geplant. Im Europaparlament haben sich die Piraten zu der Sache geäußert: Patrick Breyer, Abgeordneter im Europaparlament, hat eine offizielle Anfrage an die Kommission der Europäischen Union gestellt, ob das Löschen von Spielern überhaupt dem EU-Recht entspricht und welche Grenzen dabei für Spielehersteller gelten. In Australien gibt es sogar schon eine Gesetzesinitiative. Die Petition im Vereinigten Königreich kann man mittlerweile auf der Parlamentsseite finden.
Schutz digitaler Kulturen in Zukunft
Unklar ist aber, ob und wann das Thema in den verschiedenen Parlamenten besprochen wird. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es noch eine Weile dauern. Weil Gaming nicht an Ländergrenzen gebunden ist, spricht sich Stopkillinggames nun im Namen von vielen Gamer*innen für eine global geltende Regelung aus. Wichtig sei dabei auch, dass es eine für Videospiele geltende Regelung gibt, die nicht zu allgemein gehalten wird. Sonst könnten die Spielehersteller Lücken ausnutzen.
StopkillingGames zieht beim Schutz des Kulturgutes Computerspiel den Vergleich zu anderen Kulturgütern:
Das Konzept, jede vorhandene Kopie eines Buches, eines Liedes, eines Films etc. zu zerstören, würde als kultureller Verlust für die Gesellschaft angesehen werden. Obwohl es sich um ein weniger anerkanntes Medium handelt, verdienen Videospiele grundlegende Schutzmaßnahmen gegen die vollständige und willentliche Zerstörung vieler ihrer Werke.
Die Gründung von Initiativen wie „StopKillingGames“ zeigt, dass das Bewusstsein für dieses Thema wächst und die Forderung nach Lösungen lauter wird. Wann es zu einer Lösung kommt, weiß niemand. Viele Spiele werden bis dahin verloren gegangen sein.
Kulturen kommen und gehen. Digitale Kulturen kommen schneller, und gehen aber auch schneller. Was ohne technologische Voraussetzungen auskommt, bleibt.
Film lässt sich mit einer Lupe betrachten. Nun rate mal, wie viele Schwarz-Weiß-Filme verloren sind bei Archivbränden.
Da Du uns Gamer als „kulturlos“ beleidigt hast: Du elender Lügner!
Und nächstes mal ein bisschen weniger arrogant bitte, danke.
> Da Du uns Gamer als „kulturlos“ beleidigt hast: Du elender Lügner!
Ich liebe solche Sätze, zeigen sie doch eindringlich, wie Emotion Verstand verhindert. Ein emotionalisiertes Individuum reagiert heftig, weil die Grundlage seiner identitätsstiftenden Gruppenzugehörigkeit („Gamer“) als vergängliches Kulturgut betrachtet werden kann.
Bei solchen Reaktionen ist konsensuelles Textverständnis auch mit Lupe nicht zu finden. Eine Kultur, die vergeht, existiert natürlich bevor sie vergeht. Historisch betrachtet, bemerken die meisten Zeitgenossen jedoch nicht, dass ihre Kultur allmählich schwindet und letztlich verschwindet. Die Wahrnehmung, dass es nicht mehr so gut geht, wird kaum der eigenen Kultur angerechnet, die Suche nach Sündenböcken ist weniger unangenehm. Mit dem Tod der Kulturträger verschwindet auch deren Kultur, sofern sie nicht erfolgreich tradiert wird. Einsicht in die Vergänglichkeit ist Voraussetzung für jegliche Kultur(be)gründung, lässt man sich nicht mit lapidarer Kulturbehauptung abspeisen, denn auf gutem Kompost gedeihen nachfolgende Kulturen.
Weiter stellt sich die Frage, wie empfundene Arroganz vorauseilend vermieden werden könnte. Hierzu wäre neben intellektueller Ausstattung auch noch die Tagesbefindlichkeit potentieller Leser vorab zu explorieren, um einen Text zu deren vollkommener Zufriedenheit zu formulieren. Für Zielgruppen kann das z.B. mittels der Verwendung „einfacher Sprache“ versucht werden, z.B.:
http://www.deutschlandfunk.de/gesellschaft-nachrichten-in-einfacher-sprache-sind-ein-100.html
Dies auf andere Lebensbereiche auszuweiten wäre eine reizvolle Spielidee, die Gamer gewiss ein anhaltendes Flow-Erlebnis bescheren könnte.
Denkst Du wirklich, dass Deine Beleidigungen die Jugend weniger wütend machen, wenn Du sie in einen Nebensatz verpackst? Schade.
Danke, dass Du nun unmissverständlich klarstellst: „Computerspiele sind Kultur“. Diese Antwort genügt. Danke sehr.
Oder Du startest noch einen Versuch, argumentativ die Oberhand zu behalten im Wissen um die eigene Unaufrichtigkeit. Der erste war ja jetzt eher peinlich.
Hat NP solche Strohmannfechter in den Kommentaren wirklich schon noetig? 8)
Das würde auch gelten, wenn der Code für die Spiele gemeinfrei werden würden.
Es ist eine bewusste Anstrengungen den Zugang zu alten Werken zu erhalten. (Restauration, Übersetzung, Deutung im historischen Kontext…)
Es geht nicht um die Computergamer-Kultur insgesamt, die gibt es schon seit den 80ern (lässt man mal die ersten Entwicklungsversuche davor weg). Siehe 64er und Co. Sie entwickelt sich weiter, z. B. in Sachen Grafik, Interaktivität usw. Das ist normal. Gaming wird es immer geben, weil es viel Spaß macht. Das freut mich und viele andere.
Es geht darum, einmal erworbene und liebgewonnene Spiele weiter nutzen und bewahren zu können. Das ist legitim. Wird ja auch bei Musik gemacht, wenn man z. B. alte 60er-Sachen nicht mehr auf Schellack oder Vinyl bekommt, und die dann digital aufgebrezelt werden und so heute verfügbar sind. Warum soll man ältere Spiele nicht genauso erhalten?
Man kann solche Initiativen wie die aus dem Artikel nur gut finden.
Übrigens (mit Bezug auf weiter unten Stehendes): Praktiziertes Gaming und intellektuelles Streben schließen sich keineswegs aus ;-)
Es sollte u.A. die Abgabe von Pflichtexemplaren von kommerziell vertriebener Software und Spiele an Archive geben, einschließlich Quellcode und ohne DRM/Server-Abhängigkeit um so die Chancen des Erhalts für die Nachwelt zu erhöhen.
Ein Problem ist vermutlich, dass die Spielehersteller teilw. selber nicht in der Lage sind, ihren eigenen Quellcode zu verstehen. So war es z.B. als sich Blizzard entschied, das immernoch beliebte (weil genial austarierte) Starcraft I von 1997 für seinen store zu relaunchen. Vieles musste mangels verständlicher code-doku komplett neu programmiert bzw. nachempfunden werden. Das dürfte sehr aufwändig gewesen sein. Eine Alternative ist es, das Originalspiel (sofern on-premise verfügbar) im passenden Betriebssystem/hardware zu spielen, aber wer hat schon immer das passende nostalgie-zeug herumstehen. oft hilft auch der win-Kompatibilitätsmodus nix, und andere VMs wie die DOSBox haben probleme eine reale cd zu lesen oder multiplayer per netzwerkverbindung hinzubekommen. Übrigens zockt mein Sohn derzeit wie verrückt Siedler 3 – es gibt games die sind einfach genial und werden es auch bleiben. Genauso wie bei Brettspielen eigentlich… Gemeingut nach 10 jahren etc. wäre vrmtl. ne problematische Forderung, könnte dazu führen dass Hersteller gezielt in kurzlebige spiele investieren. Wir brauchen eine Spielewelt, die von Anbeginn opensource ist (einschl. der benötigten Betribssysteme) und als kulturgut gefördert wird.
Siedler 3 gab es noch auf CD. Meine Schwester wünschte sich das „Siedler Collectors Pack“, nur noch verfügbar als Download bei Ubisoft, und der Kunde kauft nur eine widerrufliche Lizenz.
Schade um BlueByte. War ein gutes Haus.
Alles mit Echtzeit und Grafik war bis mindestens Fallout 4 ein übler Hack!
Überall Tricks mit direkten Speicherzugriffen um Dosenfuter und Shampooflaschen auf den Bildschirm zu bringen, natürlich kann das fünf Jahre später kein Mensch mehr verstehen.
> ein übler Hack! … Überall Tricks mit direkten Speicherzugriffen …, natürlich kann das fünf Jahre später kein Mensch mehr verstehen.
Wenn man so will eine Kultur, so zu programmieren, eine Kultur, nicht zu dokumentieren, eine Kultur, die ausstirbt, wenn keiner sie mehr versteht, einer Kultur, deren Nachfahren des Aufwands überdrüssig geworden sind.
In der Berichterstattung geht leider ein wichtiges Detail unter, worin der Unterschied bei „The Crew“ zu vorherigen abgeschalteten Live-Service-Games besteht. Von diesen gab es schon vorher reichlich, wobei sich die Communitys regelmäßig mit eigenen Servern behalfen, wenn die offiziellen vom Netz genommen wurden, um diese Spiele am Leben zu erhalten.
Genau das hat die „The Crew“-Community in Anbetracht der bevorstehenden Abschaltung auch versuchen wollen, und hier kommt es: Anders als andere Publisher bisher hat Ubisoft nicht einfach bloß die Server abgeschaltet; sondern hat (wohl auch als Reaktion auf die entstehenden Community-Server) sämtliche Kopien des Spiels aus den Bibliotheken der Spieler entfernt und installierte unbrauchbar gemacht, sodass man beim Starten nur noch eine Fehlermeldung (mit Verweis auf den Nachfolger, den man ja kaufen könne) bekommt. Entweder haben sie dafür ein böses Software-Update geschickt, oder es war von Anfang an im DRM des Spiels ein Killswitch vorhanden, der darauf gewartet hat, dass Ubisoft das Kommando „Execute Order 66“ gibt.
Sie haben die verkaufte Software also aktiv funktionsunfähig gemacht und den Kunden das Produkt, das diese dem Wortlaut des Unternehmens nach „gekauft“ haben, wieder weggenommen (selbstverständlich ohne Erstattung des Kaufpreises), und damit haben sie sich rechtlich angreifbar gemacht. Nicht nur wäre so etwas in keiner anderen Industrie außer der Software-Industrie in der Form denkbar, sondern es ist auch eine Lehrstunde dafür, wie sehr Kunden mit DRM-verseuchten Produkten den Anbietern ausgeliefert sind, und dass all jene, die seinerzeit schon bei der Einführung von Steam vor den Gefahren von DRM und Plattformzwang warnten und dafür von der so viel schlaueren, „moderneren“ breiten Masse ausgelacht wurden, mit ihrer Paranoia richtig lagen.
„Nicht nur wäre so etwas in keiner anderen Industrie außer der Software-Industrie in der Form denkbar,“
Leider gibt es das auch bei Hardware. Apple ist z.B. gut darin, dafür Ausreden zu finden, wenn sie z.B. dein Telefon bricken, weil ein Unabhängiger es repariert hat.
Coole Idee,
können wir das für Hardware auch machen? Denkt an Gigaset und ihr Smarthome Gedöns, Firma pleite, Gerät ohne Cloud tot.
Auch Handys die zwar Reparierrecht haben aber deren Software unsicher und veraltet ist, könnte profitieren.
Freue mich über Fortschritt und Berichte weiterhin auf Netzpolitik.org