Der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) stimmt morgen Nachmittag über seine Stellungnahme zur Datenschutzgrundverordnung ab. Es gilt, ein Datenschutz-Debakel, wie wir es beim Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) erlebt haben, zu verhindern. Wie im IMCO-Ausschuss, wird auch im ITRE-Ausschuss wieder über Änderungsanträge abgestimmt, die das Grundrecht auf Privatsphäre und Datenschutz massiv missachten.
Auch ITRE-Abgeordnete machen den Guttenberg
Dafür haben sich einige Abgeordnete wieder fleißig Inspiration bei der Industrie geholt, wie LobbyPlag zeigt. Denkwürdig: Auch der Name des konservativen Berichterstatters für den ITRE-Ausschuss, Sean Kelly (EVP), taucht hier öfter auf. Unter den deutschen ITRE-Abgeordneten fällt der Liberale Jürgen Creutzmann beim industriefreundlichen Plagiieren auf.
Was LobbyPlag auch zeigt: Die Piratin Amelia Andersdotter hat zahlreiche sinnvolle Änderungsanträge der European Digital Rights Initiative (EDRi) eingebracht. Es liegen also durchaus unterstützenswerte Anträge auf dem Tisch. Zudem war die Abstimmung im IMCO-Ausschuss denkbar knapp. Deshalb lohnt es sich, unsere Abgeordneten zu kontaktieren und ihnen bei der Entscheidung zu helfen. Für einen starken Datenschutz ist es wichtig, sie besonders auf folgende Punkte hinzuweisen.
Alle personenbezogenen Daten schützen
Die Definition personenbezogener Daten muss möglichst weit gefasst werden, damit auch das Herausgreifen „singling out“ aufgrund persönlicher Merkmale geschützt wird. Beispiel: Das Nachvollziehen des Surfverhaltens durch Werbetracker verrät wesentlich mehr über mich als Name und Anschrift! Ein unterstützenswerter Änderungsantrag ist deshalb #323.
Berechtigtes Interesse eindämmen
Die Datenverarbeitung ohne Zustimmung, nur auf Basis des „berechtigten Interesses“ ist nicht tragbar oder stark einzuschränken. Google hat auf Basis dieser Rechtsgrundlage die Zusammenführung der Daten aus allen seinen Diensten durchgeführt! Ein unterstützenswerter Änderungsantrag ist deshalb #369. Unbedingt zu verhindern ist die Ausweitung dieser Rechtsgrundlage, wie sie vom Berichterstatter durch Kompromiss-Änderungsantrag CA 39 vorgesehen ist.
Ausdrückliche Einwilligung in die Datenverarbeitung fordern
Bei jeder Verarbeitung personenbezogener Daten sollten Nutzer/innen ihre ausdrückliche Einwilligung geben. Abstufungen in sensible und unsensible Daten sind dabei sinnlos, schließlich können Daten – je nach Kontext – immer sensibel sein. Dies gilt vor allem in Zeiten von Big Data, wo gerade aus scheinbar unnützen Daten, Informationen gewonnen werden. Änderungsantrag #394 macht das klar und ist deshalb unterstützenswert. Der von den erwähnten Jürgen Creutzmann und Seán Kelly stammende Änderungsantrag #198 verwässert die Einwilligung enorm und ist deshalb abzulehnen.
Weitere Fails verhindern ist möglich
Drüben bei DigiGes finden sich weitere unterstützenswerte/abzulehnende Amendments. Die oben erwähnten sind zunächst die wichtigsten. Die Abstimmung beginnt laut Tagesordnung erst nach 16 Uhr. Es bleiben also noch mehr als 24 Stunden, um unsere Volksvertreter/innen im ITRE-Ausschuss zu überzeugen. Los!
Update: La Quadrature du Net hat eine Liste mit Kompromiss-Änderungsanträgen veröffentlicht, die nur eine Mehrheit finden, wenn die Abgeordneten der liberalen ALDE-Fraktion mit den Konservativen zusammenstimmen. Es gilt also vor allem die liberalen Abgeordneten im ITRE-Ausschuss zu kontaktieren. Ganz schlimm ist etwa der oben erwähnte Kompromiss-Antrag #CA 39, der das berechtigte Interesse ins Unermessliche ausweitet. Das sollten die Abgeordneten doch einsehen. Die Message passt in einen Tweet.
Bin kein Rechtsexperte, daher die Frage: Wie ist amendment 369 zu verstehen?
Soll der ganze Kompromiss-Änderungsantrag CA 39 gelöscht werden?
Denn wenn ich die Worte aus dem CA 39 lösche, dann steht da:
?????
„Noch 24h um unseren Datenschutz zu retten“ klingt ja ziemlich panikartig. Sind denn nach 16.00 keine Amendments mehr möglich?
Amendment 369 von Piratin Amelia Andersdotter würde die Datenverarbeitung auf Grundlage des „berechtigten Interesses“ komplett löschen. Das ist wünschenswert, aber eine Mehrheit wird sich dafür höchstwahrscheinlich nicht finden. Im Kern geht es darum, ob das berechtigte Interesse ausgeweitet oder eingeschränkt wird. Sean Kelly plädiert für eine Ausweitung :-( Das Kernproblem: Der Kommissionsentwurf sieht das „berechtigte Interesse“ vor, bestimmt seine Anwendung allerdings nur sehr vage.
Für den ITRE-Ausschuss war’s das denn. Die letzte Ausschussstellungnahme wird im März im Rechtsausschuss (JURI) abgestimmt. Die Amendments hierfür liegen auch bereits auf dem Tisch. Hier jetzt nur noch über Compromise Amendments verhandelt. Amendments einbringen ist derzeit nur noch für den federführenden LIBE-Ausschuss möglich.
Ja, aber was wäre mit dem Rest des gehackstückten Textes von CA 39 ? Würde der dann automatisch gelöscht werden oder so stehen bleiben?
Amelia Andersdotter hat ja noch zusammen mit Adina-Ioana VĂLEAN das Amendment 370 zu Article 6 – paragraph 1 – point f geschrieben. Und Adina-Ioana VĂLEAN hat zusammen mit oben erwähntem Sean Kelly und Angelika Niebler Amendment 372 verfasst.
Was bedeutet das denn nun? Sind die alternativ gedacht?
Und Bits of Freedom schreibt:
Wo sind die denn? Gibts da auch eins zu Article 6(1)(f) ?
wenn CA 39 fällt, werden der Reihe nach alle anderen Änderungsvorschläge für den gleichen Artikel abgestimmt. Im dümmsten Fall kommt etwas raus, was noch restriktiver ist.
So eine kleine Lobbyingkampagne will eben auch durchdacht sein – das hat die Industrie der Metzmeute bei allem Respekt eben voraus ;-)