BundesgerichtshofEnde des Urheberrechtsstreits um „Framing“ in Sicht

Nach einem jahrelangen Urheberrechtsstreit um das sogenannte Framing soll der Bundesgerichtshof ein endgültiges Urteil sprechen. Die Entscheidung wird Konsequenzen für den Zugang zu Kultur im Internet haben.

Gemälde in einer Ausstellung
In welchem Rahmen die Kunstwerke hängen spielt im Netz eine besondere Rolle. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Artur Matosyan

Wer hat Zugang zum kulturellen Erbe in Deutschland und in Europa? Wenn es nach Verfechter:innen des freien Wissens geht, möglichst jeder. Doch die Frage ist eng mit der Auslegung des Urheberrechts verknüpft. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) soll die Ungewissheiten beseitigen, die das sogenannte Framing in der Debatte momentan noch bereitet.

Einbetten in den eigenen Rahmen

Beim Framing im rechtlichen Kontext geht es um das Einbetten externer, urheberrechtlich geschützter Inhalte auf Webseiten von Dritten. Wenn zum Beispiel ein Nachrichtenportal ein Video auf eine Plattform wie Youtube hochlädt und auf seiner Seite einbettet, kann auch eine andere Webseite dieses Video auf seiner Seite – sozusagen in seinen eigenen Rahmen oder „Frame“ – einbetten. Wer von dort das Video abspielt, muss nicht erst auf die ursprüngliche Nachrichtenseite weitergeleitet werden. Es wird also nicht unbedingt klar, wer der:die Urheber:in ist. Ob diese, ganz alltägliche Praxis Urheberrechte verletzt, ist schon seit Jahren ein Streitthema.

Ebenfalls seit Jahren laufen die Vertragsverhandlungen zwischen der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) und der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (VG Bild-Kunst), bei der es um genau diese Frage geht. Die DDB möchte „jedem über das Internet freien Zugang zum kulturellen und wissenschaftlichen Erbe Deutschlands eröffnen.“ Dafür versucht sie, möglichst viele Bilder, Musikstücke, Skulpturen und andere Kulturgüter aus verschiedenen Kultur- und Wissenseinrichtungen Deutschlands gesammelt zugänglich zu machen.

Die DDB stellt die Inhalte auf einer eigenen Online-Plattform zusammen und verlinkt von dort zu den jeweiligen Webportalen der einzelnen Kultureinrichtungen. Um sowohl auf der eigenen Seite, als auch auf den Seiten der kooperierenden Kultureinrichtungen Vorschaubilder anzeigen zu dürfen, wollte die DDB mit der VG Bild-Kunst einen Vertrag über Nutzungsrechte abschließen. Die VG Bild-Kunst vertritt Urheber:innen aus der bildenden Kunst und macht den Vertrag davon abhängig, eine bestimmte Klausel aufzunehmen:

Die Lizenznehmerin verpflichtet sich, bei der Nutzung der vertragsgegenständlichen Werke und Schutzgegenstände wirksame technische Maßnahmen zum Schutz dieser Werke oder Schutzgegenstände gegen Framing anzuwenden.

Die DDB soll also technisch sicherstellen, dass die Vorschaubilder aus dem Online-Portal nicht von dort aus weiter an Dritte gelangen, die diese durch Framing auf ihrer Webseite einbetten. Die Trägerin der DDB, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, lehnt das ab. Deswegen hatte sie schon 2017 vor dem Landgericht Berlin geklagt, was die Klage zunächst als unzulässig abgewiesen hatte. In der Berufung beurteilte das Kammergericht Berlin die Klage jedoch als begründet und zulässig, womit der Fall weiter nach Karlsruhe ging. Der Bundesgerichtshof (BGH) legte dann im April 2019 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob es sich bei der Umgehung von Schutzmaßnahmen gegen Framing um eine öffentliche Wiedergabe handelt.

Von einem Gericht zum Nächsten

Im März 2021 bejahte der EuGH diese Frage und sprach sich damit für eine verschärfende Anwendung des Urheberrechts aus: Die Einbettung geschützter Werke auf Webseiten von Dritten in Form von „Framing“ stellt eine Urheberrechtsverletzung dar, wenn sie unter Umgehung der vom Urheber getroffenen Schutzmaßnahmen erfolgt, so das Urteil. Daran, dass Framing grundsätzlich keine urheberrechtliche Nutzungshandlung und damit ohne Einwilligung erlaubt ist, ändert das Urteil nichts. Doch das Problem liegt im Detail: Das Umgehen von Schutzmaßnahmen zum Framing sieht der EuGH als Akt der öffentlichen Wiedergabe – und dafür braucht es eine Zustimmung.

„Aus Sicht des Freien Wissens wäre es natürlich besser, wenn Framing unabhängig von irgendeiner technischen Ebene keine urheberrechtliche Nutzung und damit erlaubnisfrei möglich wäre“, meint John Weitzmann von Wikimedia Deutschland. „Das ist seit der EuGH-Entscheidung aber passé.“

Nun ist der BGH wieder am Zug. In der vergangen Woche hat er im Fall mündlich verhandelt und den 29. Juli als Entscheidungstermin angekündigt. Vorher müssten aber noch „weitere Sachverhaltsfeststellungen getroffen werden“, schrieb die DDB in einer Pressemitteilung nach der Verhandlung. Dafür könnte der Fall noch einmal zurück an das Berliner Kammergericht gehen. Relativ sicher gilt allerdings schon jetzt, dass das BGH-Urteil sich in Orientierung am EuGH eher zugunsten der Urheber aussprechen wird.

„Nach dem EuGH-Urteil stehen die Leitplanken ja bereits fest“, sagte auch Urban Pappi, der Vorsitzende der VG Bild-Kunst im Vorfeld der Verhandlung. Von der BGH-Entscheidung erwarte die VG Bild-Kunst jedoch konkretere Hinweise, wie sie mit der Framing-Thematik in Zukunft umgehen könne oder müsse. „Dies betrifft insbesondere die Frage unserer Tarife. Nach einem Urteil werden wir dieses allerdings erst analysieren müssen“, so Pappi.

Verträge verlangen schon jetzt Schutz vor Framing

Die Juristin Ellen Euler leitet an der Fachhochschule Potsdam den Bereich Open Access/Open Data/Open Science und hat zuvor für die DDB als stellvertretende Geschäftsführerin gearbeitet. Sie sagt, dass die Lizenzverträge, die die VG Bild-Kunst mit verschiedenen Kulturerbeeinrichtungen geschlossen hat, von diesen aktuell schon verlangen, lizenzierte Inhalte vor Framing zu schützen. „Obwohl beide Seiten wissen, dass Framing-Verhinderungstechnologien nicht ohne Weiteres umgesetzt werden können und werden.“ Das habe die VG Bild-Kunst bisher in Kauf genommen. „Das BGH-Urteil wird Klarheit bringen, ob eine solche Vertragsbedingung zulässig ist und dann auch die Umsetzung überprüft und verlangt werden kann.“

Diese Klarheit erhofft sich auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz von der Entscheidung. „Wir haben das Verfahren mit der VG Bild-Kunst deswegen auch einvernehmlich angestoßen: Wir brauchen und wollen Rechtssicherheit“, so die DDB-Sprecherin Astrid Müller. Diese Rechtssicherheit soll der BGH neben der Frage um die Schutzmaßnahmen-Klausel auch in einer anderen Frage schaffen: Muss die Verwertungsgesellschaft bei jedem Mitglied, dessen Rechte sie vertritt, einzeln abfragen, ob es gegen die Einbettung seiner Inhalte auf Webseiten Dritter ist?

Das sollte sie, meint jedenfalls John Weitzmann, der lieber von „Embedding“ statt „Framing“ spricht, da der Begriff auch missbräuchliche Verwendung fremder Web-Angebote durch Umleitung des Traffics auf eigene Server umfasst. Wenn einfach angenommen wird, dass alle VG-Mitglieder gegen Embedding sind, dann gehe das zulasten des freien Austauschs im Netz und des Zugangs zu Kulturgut, meint Weitzmann.

„Das überstimmt sozusagen pauschal diejenigen in der VG, die das anders sehen und gegen einen freien Zugang nichts einzuwenden haben oder ihn sogar wünschen.“ Allerdings sieht Weitzmann in der Frage wenig praktische Relevanz. Es sei ohnehin „sehr wahrscheinlich, dass so eine Abfrage in einer Weise formuliert wäre, die bei den allermeisten ein Optieren gegen freies Embedding auslösen würde“, vermutet er.

„Das geht in Richtung Überschutz“

Die Rechtswissenschaftlerin Ellen Euler betont, dass auch die Verwertungsgesellschaften anderer europäischer Staaten die Entscheidung des BGH im Blick haben und ihre Lizenzpolitik entsprechend anpassen werden. Möglich sei, dass in Zukunft dann europaweit Kulturerbe vor Framing geschützt wird.

Dabei ist sie der Meinung, dass der ganzen Debatte um das Framing eine falsche Annahme zugrunde liegt: „Die Verwertungsgesellschaften sehen Framing als Nutzungshandlung, obwohl es gar keine ist.“ Es handle sich um ein „konstruiertes Szenario, im Einbetten von Inhalten entweder eine kommerzielle Nutzung zu sehen, an der die Künstler:innen finanziell durch eine Lizenzgebühr angemessen zu beteiligen sind, oder eine Verwertungshandlung, die die Künstler:innen aus anderen Gründen untersagen können müssen.“

Die Realität beschreibt Ellen Euler anders: „Lizenzierungen umgehende, kommerzielle Einbettungshandlungen bilden die Ausnahme, der Regelfall sind moderne Kulturpraktiken, wie das Einbinden in soziale Postings, oder wissenschaftliche Auseinandersetzungen.“ Diese Handlungen sorgen für eine zusätzliche Sichtbarkeit des Kulturerbes und die gewünschte Auseinandersetzung mit diesem, meint Euler. Gerade für weniger bekannte Künstler:innen sei das wichtig. Im Fall von Verhinderungstechnologie wären solche Handlungen aber nicht mehr möglich, obwohl sie rechtlich im Rahmen von Schrankenbestimmungen sogar eigentlich zulässig sind.

„Zum Unterbinden des Einbettens kultureller Inhalte in Zusammenhänge und Kontexte, die Künstler:innen nicht passen, ist das Urheberrecht nicht gedacht“, meint Euler. Im Gegenteil: Es sollte ihrer Meinung nach ein Innovationsmotor sein und die Auseinandersetzung mit dem Kulturerbe befördern. „Verhinderungstechnologie auf urheberrechtlicher Grundlage vertragsrechtlich zu erzwingen und untermauern geht stark in Richtung Überschutz und verhindert freie Infrastrukturen und kulturelle Teilhabe und Zugänglichkeit.“

2 Ergänzungen

  1. Letztlich liegt es auch an den Künstlern, welche Lizenzen sie ansetzen, und ob sie als Erfüllungsgehilfding für Totalüberwachung und Sklavengesellschaft herhalten wollen.

    Mir ist da vieles zu Naiv, aka „wir haben ja nur Befehle befolgt“. Ja ja, der Zwang :)…

  2. Ich verstehe die Debatte um Framing nicht. Ein ganz normaler Link wäre mir sowieso viel lieber als irgendein eingebetter Scheissendreck. Insofern käme mir ein Verbot von Framing gerade recht.

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