In „Attentat 1942“ übernehmen die Spieler:innen die Rolle eines Enkelkindes, das etwas über die Verwicklung des Großvaters in das Attentat auf Reinhard Heydrich 1942 herausfinden soll. Der Holocaust-Organisator, Kriegsverbrecher und SS-Obergruppenführer Heydrich war während des zweiten Weltkriegs stellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren und ist im Jahr 1942 bei einem Anschlag in Prag getötet worden.
Eigentlich sollte die mobile Version des Videospiels „Attentat 1942“ ab heute weltweit für Smartphones und Tablets verfügbar sein. Doch Google will das Spiel nicht in allen Ländern im Playstore veröffentlichen. Neben Deutschland sind Frankreich, Österreich und Russland betroffen. Das Unternehmen begründete seine Entscheidung gegenüber tschechischen Entwicklerstudios Charles Games mit der Bezugnahme des Spiels auf Nazis. Das gaben die Entwickler:innen vergangene Woche auf ihrem Twitter-Kanal bekannt:
Gegenüber netzpolitik.org berichtet Ondřej Trhoň von Charles Games, dass sie keinerlei Informationen bekommen hätten, was genau Google am Spiel für problematisch hält. Das Unternehmen habe nur zwei Nachrichten zur Ablehnung des Spiels bekommen, die erwähnten, dass der Bezug zu Nazis ein Problem sei. „Wir wissen nicht, was an historischem Filmmaterial, interaktiven, handgezeichneten Comics oder anderen Teilen des Spiels problematisch sein soll. Alle diese Teile beinhalten Darstellungen von Nazi-Symbolik, aber immer in einem kritischen Kontext, nie verherrlichend.“
Die fiktive Erzählung des Spiels führt über Gespräche in der Gegenwart und gezeichnete Passagen in der Vergangenheit durch die Geschichte des Attentates. Das Spiel aus dem Genre „Serious Games“ wurde mit tschechischen Historiker:innen entwickelt und soll historisch akkurat sein.
Diese historische Genauigkeit, inklusive der Verwendung von Symbolen der NS-Diktatur, scheint Google aber zu stören. Mit Verweis auf die Nazi-Bezüge im Spiel und die nationalen Gesetze in Deutschland soll das Spiel hierzulande nicht erscheinen.
Das ist schwer nachzuvollziehen, da die Desktop-Version seit 2018 für deutsche Gamer:innen über die Plattform Steam verfügbar ist. Die „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“ (USK), die für die Prüfung von Computerspielen in Deutschland zuständig ist, gab das Spiel ab 12 Jahren frei.
Googles Weigerung „wenig nachvollziehbar“
Der stellvertretende Geschäftsführer der USK, Lorenzo von Petersdorff erläutert für netzpolitik.org, nach welchen Kriterien die USK verfassungswidrige Symbole in Spielen beurteilt. Bei Verwendung von verbotenen Kennzeichen, überprüft die USK diese im Einzelfall. Dabei sei insbesondere die Rahmung des Kontextes der Darstellung, wie z. B. ein differenziert-kritischer Umgang mit den historischen Begebenheiten zu beurteilen.
Für „Attentat 1942“ entschied die USK, dass die Darstellung angemessen sei. Von Petersdorff gesteht Plattformen wie Google zu, ihre eigenen Richtlinien zu formulieren, die auch über das gesetzliche Maß hinaus gehen könnten. Trotzdem sei Googles Weigerung aus der Perspektive des deutschen Jugendschutzrechts und der USK „wenig nachvollziehbar“.
Ausnahmen vom Verbot verfassungswidriger Propaganda
Google beantwortete eine Anfrage von netzpolitik.org nicht. Die Entwickler:innen sind nach eigenen Angaben noch mit dem Unternehmen in Kontakt, haben aber keine Informationen, wann sie mit einer Entscheidung rechnen können. Google Tschechien habe sich an den US-Konzern gewandt, entschieden sei aber noch nichts.
Auch Apple hatte das Spiel zunächst abgelehnt. Im Apple Store sollte das Spiel in Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht verfügbar sein. Auf die Beschwerde von Charles Games reagierte Apple aber und erteilte die Genehmigung.
Die Vorbehalte der Plattformen beziehen sich in Deutschland vermutlich auf §86a des Strafgesetzbuches. Dort ist das „Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“ geregelt. Die Ausnahmen von diesem Verbot sind aber in Absatz 3 des Paragraphen genau definiert:
Absatz 1 [das Verbot und die Strafandrohung] gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.
Diese sogenannte Sozialadäquanzklausel wird seit 2018 auch für Videospiele angewendet. Die USK änderte ihre Rechtsauffassung und ließ damit auch Spiele zur Prüfung zu, die verfassungsfeindliche Symbole enthielten. Diese werden nun einzeln geprüft und im Zweifelsfall zugelassen. Eine Hakenkreuzarmbinde im Spiel konnte vorher Grund genug sein, ein Spiel abzulehnen. Ganz gleich, welche Haltung das Spiel einnahm. Attentat 1942 war in der Desktop-Version eines der ersten Spiele, die nach den neuen Regelungen in Deutschland zugelassen wurden.
„Keine Anhaltspunkte für Gesetzesverstoß“
Auch Felix Zimmermann vom Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und digitale Spiele hält „Attentat 1942“ für unproblematisch. Die Spieler:innen würden nicht einfach in die Rolle von Nazis schlüpfen. Vielmehr bekämen sie eine Einsicht in das Leben der Opfer: „Das Spiel rekonstruiert Erinnerungen und baut damit eine Zwischenebene zur Reflexion ein.“ Man sei nicht selbst in der Rolle des Opfers, sondern gewinne aus der Sicht eines Nachfahren Einblicke in die Erinnerungen verschiedener gesellschaftlicher Kreise. „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Spiel problematisch sein könnte oder gegen nationale Gesetze in Deutschland verstoßen könnte“, so Zimmermann weiter.
Der Geschichtswissenschaftler, der an der Universität Köln zum Vergangenheitserleben in digitalen Spielen forscht, betont, dass jedes Spiel einzeln geprüft werden müsse, um sicherzugehen, dass Nazi-Symbolik nicht nur eine ästhetische Funktion einnimmt. Spiele sollten nicht einfach nur Uniformen oder Architektur aus dem Dritten Reich übernehmen, um die Atmosphäre wieder heraufzubeschwören und die Welt der Nazis am Leben zu halten. Vielmehr müssten die Spiele eine antifaschistische Funktion erfüllen.
Das sieht er bei Attentat 1942 gegeben. Googles Argument, das Spiel könne gegen deutsche Gesetze verstoßen, hält er für fadenscheinig. Zwar laufe die Prüfung und besonders die Altersfreigabe bei mobilen Spielen ein bisschen anders ab und die Genehmigung einer Desktop-Version erlaube nicht automatisch die Veröffentlichung für Smartphones und Tablets, aber Zimmermann vermutet ökonomische Interessen. Google habe wohl Sorge, mit antifaschistischen Spielen Kund:innen zu vergraulen. „Insbesondere Mitglieder neu-rechter Gruppen fühlen sich manchmal angegriffen, wenn solche Spiele verfügbar sind. Hinter Gesetzen wie dem Paragraphen 86 versteckt sich der Konzern vermutlich nur“, so Zimmermann.
„Insbesondere Mitglieder neu-rechter Gruppen fühlen sich manchmal angegriffen“
Diese engagierte Rücksichtnahme gegenüber den neuen Rechten fällt in den letzten Jahren in Wirtschaft, Politik und Teilen der Gesellschaft unangenehm auf.
Googles Appstore Zwang für Android erlaubt es eben Google nach belieben zu zensieren und auszusperren. Google ist zu mächtig geworden, daher wäre es mal wünschenswert wenn solche Monopolkonzerne zerschlagen würden um wieder mehr Freiheit zuzulassen. Kein Konzern sollte jemals die Macht haben auf nationaler Ebene Software zu zensieren.
Meines Wissens nach ist es möglich apks aus anderen Quellen zu installieren, aber es muss für die App (früher Geräteweit) erlaubt werden, von der aus es installiert werden soll.
Die Prüfung wird bei Google von irgendwelchen unterbezahlten Menschen durchgeführt, die sich an ein Protokoll halten, das sie selbst natürlich nicht hinterfragen. Deswegen ist es manchmal sehr willkürlich, welche Apps und Spiele freigegeben werden. Beispielsweise kann eine App abgelehnt werden. Wenn man dann nur die Versionsnummer erhöht und sonst nichts, kann es gut sein, dass sie freigegeben wird, weil man bei einem anderen Mitarbeiter gelandet ist.
Durch die Presse wird sich jetzt jemand Höheres bei Google damit beschäftigen und der wird es wie bei Apple freigeben.