Seit einem Jahr sind große Teile des Internets in Tschad blockiert. Auf Weisung der Regierung des Langzeit-Präsidenten Idriss Déby sind im Tschad Facebook, WhatsApp, Twitter und Viber immer wieder und bei manchen Providern durchgängig gesperrt.
Déby, der seit 1990 das Land regiert, hat sich durch wiederholte Änderungen der Verfassung seine Macht gesichert. Zuletzt hatte er im Jahr 2016 eine umstrittene Wahl gewonnen, dabei kam es zu weitreichenden Internetsperren.
Alain Kemba Didah von Internet sans Frontieres in Tschad sagt gegenüber dem Time Magazine, dass mit der Sperre von vielen sozialen Medien und Messengern der Großteil des Internets blockiert sei. Der Zugang zu Information sei davon betroffen, genauso wie die Möglichkeit, sich demokratisch auszutauschen. Die Organisation hat deswegen im Januar eine Kampagne gestartet, um massenhaft VPN-Zugänge für die Internetnutzer:innen im Tschad zur Verfügung zu stellen. Damit lassen sich die Netzsperren umgehen.
Kaum Internet, und dann auch noch teuer
Zu den folgenschweren Sperren kommt hinzu: Von den knapp 15 Millionen Einwohner:innen des Tschad haben nur 750.000 einen regelmäßigen Zugang zum Internet. Mit einer Durchdringungsrate von nur fünf Prozent belegt Tschad damit einen der hintersten Plätze in einschlägigen Statistiken. Außerdem sind laut Global Voices die Tarife für Internet im Tschad bis zu 20 Mal teurer als in anderen Ländern der Region.
Dass die internationale Gemeinschaft politischen Druck für mehr Internetfreiheit auf das Land ausübt, scheint derzeit ausgeschlossen. Nicht nur gibt es generell einen Trend zur Einschränkung der Internetfreiheit weltweit, auch genießt der autoritär herrschende Präsident als Mitglied der G5 Sahel Joint Force das Vertrauen des Westens. Der Tschad liegt regional in einer Zone, in der dschihadistische Gruppen agieren. Déby und seine Armee werden deswegen vom Westen als stabilisierender Faktor angesehen.
Im Jahr 2019 gab es schon mehrere Internetsperren auf dem afrikanischen Kontinent: So sperrte die Demokratische Republik Kongo im Januar für 20 Tage das komplette Internet rund um die Wahlen, in Gabun waren Internet und Rundfunk für 28 Stunden bei einem Putschversuch nicht erreichbar und in Simbabwe wurde das Internet zweimal kurzfristig rund um zivilgesellschaftliche Proteste gegen einen Anstieg von Benzinpreisen ausgeschaltet.
Werden sie nervös, zittern ihnen die Hände, empfinden sie eine starke Aggressivität, oder haben sie das Gefühl der Unterzuckerung, wenn sie nicht permanent mit dem Internet verbunden sind ? Für die meisten Menschen im Tschad spielt das Internet überhaupt keine Rolle. Sie leben in einer anderen weniger von technischen Spielzeugen durchdrungenen Welt. Wenn sie die wenigen groesseren Orte verlassen, werden sie nicht einmal einen permanent funktionierenden Stromanschluss finden.
Es gibt hier und da privat betriebene Stromgeneratoren, die mit Benzin betrieben werden. Staatliche Institutionen in den abgelegenen Regionen greifen auf groessere Dieselgeneratoren zurück. Die Masten für die Mobilfunknetze und Richtfunkstrecken werden entweder mit Solarzellen oder/und per Dieselgenerator gespeist. Die nicht privilegierten Menschen laden ihre Mobiltelefone elektrisch in den groesseren Orten in kleinen Geschäften auf und nutzen ihre Telefone fuer elementare Funktionen, wie einem Gespräch oder einer Überweisung von Kleinstbeträgen.
Die wenigen privilegierten Menschen in N’Djamena, Mongo oder Abeche gehen zu kleinen privat betriebene Bürodienstleistern oder in die Kulturzentren um das Internet zu nutzen.
Aber die meisten Menschen haben weitestgehend andere Sorgen: Grundbedürfnisse wie bezahlbare Lebensmittel auf den Märkten und eine bezahlbare Gesundheitsversorgung beispielsweise. Während der Regenzeit können sie die Malariainfizierten an den Flexuelen erkennen über welche die Chinin Medikation verabreicht wird. Wer die wenigen Euro oder centralafrikanischen Franc fuer die ambulante Behandlung oder die Nachmedikation nicht aufbringen kann, lebt mit den meist tödlichen Folgeerkrankungen. Einer jungen Mutter bleibt nicht einmal die Zeit der Trauer über ihr gestorbenes Kind, weil sie für die 8 oder 10 weiteren Kinder und ihre Familie sorgen muss, zum Beispiel weil sie ihr Trinkwasser über meist lange Strecken in alten Ölkanistern mit 20 Litern täglich nach Hause trägt oder stundenlang Feuerholz zum Kochen sammelt.
Der Tschad ist nicht ‚zunehmend‘ autoritär, sondern die Regierung des Tschad ist autoritär !
Ich erlaube mir diesen Kommentar hier einzustellen, weil ich selbst längere Zeit im Tschad war und im Land mehr als nur die Hauptstadt gesehen habe. Im Übrigen, ist die Abkopplung vom Internet eine Befreiung. Und das schreibe ich hier als leidenschaftlicher Informatiker, der die Abstinenz vom Internet während seines Aufenthalts in afrikanischen Ländern sehr genossen hat. Fragen sie sich selbst: sind Menschen weniger glücklich weil sie nicht permanent am Internet hängen können ?