US-Forscher hegen Zweifel an Wirksamkeit von Facebooks Maßnahmen gegen Fake News

Die Kennzeichnung von Falschmeldungen auf Facebook durch das Unternehmen ist möglicherweise wirkungslos oder sogar kontraproduktiv. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von zwei Wissenschaftlern der Yale University. Facebook selbst weist auf methodische Unzulänglichkeiten der Umfrage hin.

Die Kennzeichnung von Falschmeldungen auf Facebook hat möglicherweise nicht den gewünschten Effekt. CC-BY-NC-ND 2.0 Karsten Knoefler

Eine Studie der Yale University in den USA zweifelt an der Wirksamkeit von Facebooks Vorgehensweise gegen Falschmeldungen, berichtet das US-Nachrichtenportal Politico. Während sich nur geringe positive Effekte durch die Kennzeichnung von Fake News ergäben, würden negative Effekte überwiegen.

Bereits seit Ende 2016 arbeitet das Unternehmen in den USA mit externen Kooperationspartnern zusammen, die auf Facebook geteilte Artikel überprüfen und gegebenenfalls mit dem Hinweis „disputed by 3rd party fact-checkers“ („von externen Faktenprüfern angezweifelt“) kennzeichnen. Die neue Studie bekräftigt allerdings Zweifel an der Wirksamkeit dieser Maßnahme. Bereits früher im Jahr gab es Hinweise auf Schwierigkeiten mit dem gewählten Verfahren. Anfang August kündigte das Plattformunternehmen eine Änderung seiner Strategie an.

Online-Befragung mit 7.500 Teilnehmern

Für die laut Forschern repräsentative Online-Umfrage wurden insgesamt 7.500 Teilnehmer zufällig in drei Gruppen eingeteilt. Zwei Gruppen sollten dabei Anhänger unterschiedlicher politischer Lager repräsentieren, je nachdem, ob sie sich selbst als Unterstützer von Donald Trump oder Hillary Clinton bezeichneten. Anschließend wurden ihnen 24 Vorschauen von Artikeln gezeigt, die im vergangenen Jahr auf Facebook geteilt wurden. Bei der Hälfte handelte es sich um Falschmeldungen.

Eine „gekennzeichnete“ Falschmeldung auf Facebook, so wie sie auch Teilnehmern der Studie gezeigt wurde. - Alle Rechte vorbehalten Screenshot Social Science Research Network

In einer Kontrollgruppe, in der keine Nachrichten mit „disputed“ gekennzeichnet wurden, erkannten die Partizipanten Falschmeldungen in 81,5 Prozent der Fälle. In den zwei Testgruppen, in denen sechs der zwölf Falschmeldungen als solche gekennzeichnet waren, fielen die Ergebnisse leicht besser aus: Trump-Unterstützer identifizierten 84,4 Prozent der Fake News, Clinton-Sympathisanten 85,8 Prozent.

Die Verbesserung, die durch die Kennzeichnung erzielt werde, sei also marginal, befanden die Autoren der Studie. Das könnte durchaus auch am generellen Misstrauen gegenüber den Faktencheckern liegen. Das Vertrauen in diese Unternehmen, abgefragt mit einer Skala von eins bis fünf, lag bei den Befragten im Schnitt bei 2,8. Wenig überraschend lag das Vertrauen von Trump-Unterstützern mit 2,4 deutlich unter dem von Clinton-Anhägern (3,1).

Negative Aspekte überwiegen

Den Forschern fiel zudem auf, dass die sechs falschen, aber nicht-gekennzeichneten Meldungen in den Testgruppen zum Teil weniger häufig erkannt wurden. Wenn einige Falschnachrichten als solche ausgewiesen werden, haben sich die Probanden offenbar eher darauf verlassen, dass der Rest schon korrekt sein wird. Für Trump-Unterstützer lag die Trefferquote bei den sechs nicht-markierten Fake News nur noch bei knapp unter 80 Prozent. Auch bei den Clinton-Anhängern war die Quote schlechter. Allerdings so geringfügig, dass die Abweichung statistisch zu vernachlässigen war.

Besonders stark war dieser Effekt bei Teilnehmern unter 26 Jahren. Sie schnitten beim Erkennen der Falschmeldungen ohnehin schon schlechter ab: Lagen sie in der Kontrollgruppe in knapp 79 Prozent der Fälle richtig, waren es in der Testgruppe nur noch 74,5 Prozent. Das heißt: Wurden einige Falschmeldungen gekennzeichnet, führte dies dazu, dass jede vierte nicht-gekennzeichnete Falschmeldung von dieser Altersgruppe als wahr erachtet wurde. „Für die Menschen, die sich in ihren Nachrichten am meisten auf soziale Medien verlassen, […] ist die Kennzeichnung sehr kontraproduktiv“, schlussfolgerte David Rand, Co-Autor der Studio.

Besonders problematisch sei dies, weil so viele Falschmeldungen auf Facebook kursieren würden, dass die Faktenprüfer kaum hinterherkommen würden. Ein Großteil der Fake News könne daher nicht gekennzeichnet werden. Somit sei zu befürchten, dass die negativen Aspekte der Kennzeichnung die positiven deutlich überwiegen. (Eins-zu-eins lässt sich dieser Effekt auf Deutschland nicht übertragen, da die Menge an Fake News in den sozialen Netzwerken hier überschaubarer ist.)

Facebook erprobt neue Maßnahmen

Ein Sprecher von Facebook wies gegenüber Politico auf methodische Mängel der Studie hin. Unter anderem argumentierte er, dass die Untersuchung nicht auf der Plattform selbst, sondern in einer Online-Befragung durchgeführt wurde. Zudem bemängelte er, dass die Teilnehmer nicht die Gegendarstellung von Facebooks Fakt-Checking-Partnern lesen konnten, sondern nur die Überschriften zu sehen bekamen (siehe Screenshot). Auch wende Facebook über das Labeling von Fake News hinaus noch weitere Maßnahmen an, um Falschnachrichten auf der Plattform zu bekämpfen, so dass sich das Ergebnis nicht einfach übertragen lasse.

Tatsächlich setzt Facebook seit August offenbar nicht mehr nur auf die Kennzeichnung durch Dritte. Vielmehr soll jetzt unter fraglichen Artikeln vermehrt auf „ähnliche Artikel“ verwiesen werden, die „verschiedene Perspektiven“ auf ein Thema aufzeigen sollen.

5 Ergänzungen

    1. … dann kann man sich auch das Gerede über „Fake News“ sparen. Auf sozialen Netzwerken gibt es keine „News“.

  1. man sollte evt. erwähnen, dass bei der „laut Forschern repräsentative Online-Umfrage“ die Probanden mit Hilfe von Amazons mechanical turk gewonnen wurden*. Das sind also Klickworker, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen (oder aufpeppen) auf amazons Plattform ihre Fähigkeit anzubieten am eigenen PC simple Tätigkeiten zu verrichten. Es wundert also nicht, dass rund 5% der Probanden in den insgesamt 5 Studien (nur in der Summe kommt man auf die 7500 Teilnehmer … es müsste also heissen „online BefragungEN mit insgesamt 7500 Teilnehmern) aussortiert wurden, weil sie angegeben hatten die Fragen nur nach Zufallsprinzip beantwortet zu haben. Wieviel Teilnehmer nach Zufallsprinzip geantwortet haben, ohne hinterher geschäftsschädigend anzugeben, dass sie dies getan haben, konnte offensichtlich nicht erfasst werden.
    Und generell ist die weitgehende Kontextabstraktion solcher Experimente gerade bei diesem Thema problematisch: Ein Wutbürger in einer Filterblase WILL glauben, was er da liest, weil es seine Wut bestätigt und steigert. Ein Proband in einer Untersuchung will in der Regel (wie in der Schule) möglichst gute, richtige Antworten geben und in dieser speziellen Situation die Aufgabe so bewältigen, dass er im ranking bei amazon mechanical turk nach oben steigt und in Zukunft bessere Klickpreise bekommt. Durch die Art wie die Untersuchung ihre Probanden rekrutiert wird ist sie selbst teil des rekursiven Systems das untersucht werden soll. Schade, dass eine organisation wie netzpolitik.org das reproduziert anstatt es aufzudecken. Olaf Rahmstorf

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.