Forscher der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) haben eine Umfrage unter Wikipedia-Admins gemacht (.pdf). Von den insgesamt 281 um Teilnahme gebetenen deutschsprachigen Admins nahmen 56 Personen tatsächlich teil.
Befragt wurden sie unter Anderem nach ihrer Motivation Admin zu werden (und zu bleiben) und ihren Aufgaben (und welche sie davon wichtig finden). Neben Fragen zum Arbeitsaufwand und eher weniger aufschlussreichen Details sind wohl die interessantesten Fragen „Was würden Sie in Wikipedia am liebsten sofort ändern?“ und „Welche Administratoraufgaben halten Sie für dringend oder sehr wichtig?“
Da sich die Autoren aber nicht das kleine Quentchen Mindestmühe gemacht haben die Daten quantitativ auszuwerten, muss man sich nicht nur bei diesen Fragen durch alle Einzelantworten quälen*. Das gibt zwar einen schönen Einblick in die Variation der Ideen – ist aber keinem Leser zuzumuten, und bringt keinerlei Erkenntnisgewinn mit sich. Vorteil: Wer möchte, hat mit der PDF-Datei quasi alle Daten und kann sie selbst auswerten. Wie die Datei aussehen würde wenn sich einen nennenswerte Anzahl von Personen an der Umfrage beteiligt hätte, will ich mir gar nicht vorstellen.
Die Frage, ob man Inklusionist oder Exklusionist sei, wurde von 22 Personen beantwortet. Neun bezeichneten sich als Inklusionisten, 5 als Exklusionisten. „Diese Debatte nervt mich“ antworteten vier Befragte. Beim Rest kam es „darauf an.“
Interessanter: Das Engagement der Uni geht über die „Forschung“ hinaus. So wird mit dem Projekt Wiki-Watch „erstmals [die Möglichkeit zur] Plausibilitäts-Prüfung einzelner Artikel“ geboten. Erstmals? Das wird man bei Wikibu.ch nicht gerne hören.
* Ausnahme: Multiple-Choice-Fragen wurden prozentual ausgewertet
Ich weiß nicht einmal, was ein Inklusionist oder Exklusionist ist. Wollte die beiden Begriffe gerade in der Wikipedia nachschlagen. Beide Artikel wurden gelöscht, wie passend.
Das Projekt ist leider sehr wenig einschätzbar. Die Umfrage unter Admins mag schön und gut sein – dabei haben wir aber nun wirklich nichts Neues erfahren. Prominent Aussagen wie „Wikipedia hat das Wissensmonopol der Welt“ sind aber schlichtweg unwissenschaftlich.
Eine „Plausibilitätsprüfung“ habe ich auf den ersten Blick nicht gefunden – solche Angebote gab es jedenfalls zu Hauf und sie waren bisher allesamt wenig hilfreich.
Der „exklusive Einblick“ auf Wiki-Watch.de ist jedenfalls Mumpitz – hier werden lediglich einige Standard-Listen angezeigt, die jeder Wikipedianer sonst einzeln abrufen könnte. Für den, den das interessiert, ist das vielleicht praktisch – exklusiv ist es aber nicht.
Um ein bißchen Eigenwerbung zu machen, und besonders weil die Links auf die Wikipedia-Admin-interne Vorabdiskussion noch ein wenig Hintergrund zur Entstehung der Studie bringen, ein kleiner Hinweis auf meinen Blogpost sus Betroffenensicht von vor zwei Wochen.
Tobias Rohde: Wenn Du „Inklusionist“ in der deutschsprachigen Wikipedia suchst, wirst Du auf den Artikel über die Wikipedia verwiesen – und dort steht es dann auch:
„Mit der Zeit haben sich gegensätzliche Überzeugungen herausgebildet, wie sich die Wikipedia entwickeln soll. Eine wesentliche Meinungsverschiedenheit besteht zwischen den sogenannten „Inklusionisten“ und den „Deletionisten“ oder „Exklusionisten“. Dabei plädieren die Inklusionisten dafür, möglichst viele Informationen in die Wikipedia aufzunehmen und möglichst keine Artikel zu löschen. Die Gegenposition vertreten die Deletionisten, die davor warnen, zu detaillierte und irrelevante Informationen aufzunehmen, da deren Überprüfung schwierig ist und sich schneller Fehler einschleichen können.“
Ach ja, ich habe die Plausibilitätsprüfung gefunden. Zumindest in der Pressemitteilung wird diese URL genannt:
http://wiki-watch.de/index.php?Content=LemmaDetails&LemmaDetailsTitle=Stuttgart%2021&Zeitraum=1M
Wirklich schlauer werde ich dadurch allerdings nicht – was spricht hier für oder gegen die Plausabilität des Artikels?
Ein Wikipedianer nimmt sich die Wiki-Watcher vor:
http://zikoblog.wordpress.com/2010/10/22/wiki-watch-watching-the-watchers/
Meine Umfragen auf anderen Plattformen bezüglich Admins und Mods zeigen ein klares Bild:
Macht.
Sie möchten mächtig sein und entscheiden können. Entscheidungsmacht vor allem, die treibt an. Was kommt rein, was nicht. Vor allem WER kommt rein, WER nicht.
Ist ziemlich profan:
Wo Menschen sind, möchten sie sich profilieren. Und das geht am besten als Moderator. Angebetet oder gehasst. Oftmals selbstgefällige Selbstdarsteller. Ein Übel, welches sich auf allen Plattformen zeigt.
Da könnte ich Bücher drüber schreiben.
Vor allem über die Anstrengung, neutral zu sein und zu bleiben. Das „zu bleiben“ ist besonders schwer.
Vitos
Info:
In einer Sendung des WDR konnten auch Volljuristen (Richter/Staatsanwälte) sich nicht davon freisprechen, neutral in eine Verhandlung zu gehen. So sehr sie sich bemühen, so sehr sie es studiert haben, sie können es nicht. Sehr offen sprachen sie davon. Wie kann man das dann von Admins und Mods erwarten?? Von Laien?
Es sind eben einfach nur Menschen.
Dennoch sollte man sich bemühen, auch wenn es so richtig schmerzt.