Joan Marsh, seines Zeichens AT&T Vice President of Federal Regulatory nimmt zur Causa Verizon/Google in einem Blogpost Stellung. AT&T ist in den USA Anbieter des iPhones und zweitgrößter Anbieter für Mobiltelefonie und mobiles Internet nach Verizon. Man hätte damit rechnen können, dass ein findiger PR-Berater Joan Marsh ein bisschen impft, aber…
„Wireless is simply different“
Marsh lobt die vielen innovativen Dienste, die durch 3G- und 4G-Mobilfunknetze möglich wurden und werden würden.
ABER:
Die 90.000 TB monatlichen Traffics, die für AT&T 2009 angefallen seien, würden bis 2014 voraussichtlich auf 3.600.000 TB pro Monat steigen. Kabellose Netzwerke hätten begrenzte Ressourcen, die die Kunden sich eben teilen müssten. Bei Glasfaserkabeln seien hingegen sehr viel höhere Übertragungsraten möglich, so dass bei einem entsprechenden Ausbau des Netzes Ressourcenprobleme eine geringere Bedeutung hätten.
Deswegen wolle AT&T selbstverständlich für seine Kunden
- „billions of dollars“ in den Netzwerk-Ausbau (HSDPA+ & 4G LTE) investieren
- komplementäre Strukturen wie WLAN aufbauen (und zu Geld machen)
- mehr Mobilfunkzellen und Base Station Controller mit höherer Kapazität errichten
Politische Entscheidungsträger sollten daher nun (1.) mehr Sendefrequenzen für die kommerzielle Nutzung zur Verfügung stellen und (2.) die Anbieter von kabellosem Internet vor lästigen und erdrückenden (!) neuen Netzneutralitätsregeln bewahren. Insbesondere letzterer Punkt sei wichtig für das weitere Wachstum des Geschäftszweigs.
Diese Aussage wird leider nicht mit weiteren Argumenten unterfüttert. Der Umkehrschluss, dass Netzneutralität als gesetzliche Maßgabe die Provider noch eher dazu bringen könnte, ihre Netzwerke auf einen der Nachfrage entsprechenden Stand zu bringen, klingt für mich zumindest auf Anhieb einleuchtender, als den mangelnden Ressourcen durch die Priorisierung bestimmter Dienste zu begegnen. Marsh macht zwar das Argument nicht, aber ich gehe davon aus, dass er entgegnen würde, dass mit dem Geld, das Diensteanbieter für ihre bevorzugte Behandlung bezahlen müssten, das Netz schneller ausgebaut werden könnte.
Die Ausnahme mobiler ISPs von den von Google und Verizon vorgeschlagenen Regulationen war von Befürwortern der bedingungslosen Netzneutralität harsch kritisiert worden, weil gerade der mobile Markt als der in Zukunft wichtigste angesehen wird.
traurig diese Argumentation. Wobei ich ihnen recht geben muss,dass in Ballungsräume mobiles internet via umts&co wohl an seine grenzen Stossen wird egal wie viele bsc’s sie aufstellen werden doch dem kann man ja durch wlan abhilfe schaffen am besten nichtkomerziell ala freifunk
Kinder – ihr überseht eins: Es gibt tatsächlich technische Grenzen und der Ausbau ist sehr, sehr, sehr teuer. Das führt sogar dazu, dass selbst die Telekom plötzlich sich auf die Leitungen von Konkurrenten aufschaltet – ein gewaltiger Paradigmenwechsel.
Daher sind Erwartungen „dass Netzneutralität als gesetzliche Maßgabe die Provider noch eher dazu bringen könnte, ihre Netzwerke auf einen der Nachfrage entsprechenden Stand zu bringen“, zwar ein netter Einstieg in die Gedankenwelt. Aber wer länger als zwei Minuten auf dem Niveau verharrt, sollte sich in der Diskussion zurückhalten.
Netzneutralität ist eben nicht folgen- und kostenlos. Wer sich ein bisschen mit dem Netzaufbau und der Historie des Internets beschäftigt, erkennt dass es immer handfeste wirtschaftliche Gründe für die Entwicklung gab.
In meinen Augen sprechen auch heute mehr wirtschaftliche Gründe für „die“ Netzneutralität. Wie das Konzept aber konkret umgesetzt wird, ist ein Thema, mit dem man ganze Doktorarbeiten füllen kann.
@ Torsten(2): Kannst du noch kurz erläutern, nach welcher Maßgabe bei so stark begrenzten Ressourcen die den Nutzern zur Verfügung gestellte Bandbreite zwischen den Anbietern aufgeteilt werden soll, und inwiefern das dem Problem der begrenzten Ressourcen begegnet?
@Fank Müller: Das ist der Part mit den Doktorarbeiten :-)
Nimm zum Beispiel die Triple-Play-Angebote, bei denen Telefon, Fernsehen und Internetverkehr durch eine Datenleitung kommen. Wie kann man es in ein gesetz packen, dass der Anbieter zwar dafür sorgen darf, dass bei einem großen Download das Telefon nicht lahmgelegt wird – und gleichzeitig einen Missbrauch verhindern? Ich weiß es nicht.
Mein Punkt ist: das Problem der begrenzten Ressourcen existiert. Wenn man annimmt, dass Netzneutralität einfach die benötigten(?) Kapazitäten einfach aus dem Hut zaubert, kann auch Herrn Westerwelles Steuerkonzepten folgen.
Ich bin ein absoluter Befürworter von Netzneutralität, aber man sollte doch nicht die Folgen einfach wegdiskutieren.
@Torsten(4)
1. Es geht in diesem Artikel um kabelloses Internet
2. Selbst AT&T sieht laut Firmensprecher keine so ernsthaften Kapazitätsprobleme in zukünftigen kabelgebundenen Netzwerken
3. zu deiner Frage: Wenn der Kunde TV, Telefon und bspw. 6Mbit Internet bucht, dann sollte er sie nicht angeboten bekommen, wenn der Anbieter nicht sicherstellen kann, dass er die auch (gleichzeitig) liefern kann. Telefon und TV sind nämlich kein Internet.
4. Dieses Beispiel ist insbesondere deshalb unpassend, da es sich bei Telefon und TV über Internet nicht um „Zusatzdienste“ die über das „alte Internet“ hinausgehen, oder „bevorzugte Internet-Dienste“ handelt, sondern um „alte Dienste“ die über die IP-Infrastruktur zugestellt werden. Das ist Sache des Anbieters, wenn er meint, er müsse sein Netz noch zusätzlich belasten.
Meine Frage bleibt: Wie umgeht eine Verletzung der Netzneutralität das Ressourcenproblem?
Fank Müller: Mit der Unterscheidung zwischen \alten Dienste\ und \Internet-Dienste\ machst Du eigentlich das Gleiche wie Google/Verizon. Warum sollten \alte Dienste\ von Netzneutralität ausgeschlossen sein?
@ Torsten (6): Weil sie nichts mit dem Netz zu tun haben, sondern nur mit dem Kabel, durch das sie zum Kunden kommen. Von mir aus kann der Provider mir über das Kabel auch einen Gas-, Wasser- und Abwasser-Anschluss legen, wenn er das hinbekommt. Mit Netzneutralität hat das nichts zu tun.
Das ist auch der Unterschied zu Verizon/Google’s netzbasierten Zusatzdiensten.
Dein Verweis auf noch nicht geschriebene Doktorarbeiten wird der Dringlichkeit des Problems leider nicht gerecht.
Fank Müller: Spannend: Wie definierst Du „Netz“ unabhängig von der Netzinfrastruktur?
Torsten: Das Kabel von T-Online zu meiner Wohnung ist ja nicht die Netzinfrastruktur.
In den USA gibt es viele Internetzugänge über den TV-Kabelanschluss. Dafür muss auch niemand auf Fernsehkanäle verzichten. Sie laufen auch nicht langsamer oder gar nichtbei großen Downloads. Daher mein Gas-, Wasser, Abwasser-Vergleich bzgl. deinem Hinweis „…dass bei einem großen Download das Telefon nicht lahmgelegt wird…“
Meine Frage bleibt: Wie umgeht eine Verletzung der Netzneutralität das Ressourcenproblem?