Wer mit einem gebrochenen Zeh oder einem pulsierenden Ausschlag im Gesicht rasch einen Praxistermin sucht, landet oft bei Online-Portalen wie Doctolib. Dort lassen sich in kurzer Zeit Termine bei Hunderten Praxen recherchieren. Auf den ersten Blick sieht die Suchmaske praktisch aus. Man kann etwa anklicken, dass man „nur Termine mit gesetzlicher Versicherung“ möchte; Umkreis und Datum lassen sich eingrenzen.
Klickt man sich jedoch durch die vorgeschlagenen Termine, muss man ernüchtert feststellen: Immer wieder entpuppen sich Suchergebnisse auf Doctolib als Selbstzahlertermine. Oftmals wird das erst nach einigen Klicks sichtbar. Eine Kostenfalle?
Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat das Phänomen beobachtet. Bereits im April hat der Verband am Landgericht Berlin eine Klage gegen Doctolib eingereicht. Der Grund: „Irreführung im Rahmen der Buchung von Arztterminen bei gesetzlicher Versicherung“. Die Verbraucherschützer*innen sprechen von „verbraucherschutzwidrigen Praktiken“ und verlangen Unterlassung. Inzwischen ist das Thema auch bei der Bundesregierung angekommen.
„Im Hinblick auf die Terminvermittlung durch private Anbieter beobachtet die Bundesregierung die aktuellen Entwicklungen aufmerksam“, schreibt die Regierung in ihrer jüngst veröffentlichten Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen. Sie sei demnach im Gespräch mit „relevanten Akteurinnen und Akteuren“.
Bundesregierung will „prüfen“
Wie aus der Antwort hervorgeht, wolle die Bundesregierung prüfen, ob es eine Lücke gibt. Die ambulante Versorgung möchte Schwarz-Rot ohnehin laut Koalitionsvertrag reformieren. In diesem Kontext werde auch „die Regulierung von Terminvermittlungsplattformen angesichts der Gewährleistung einer qualifizierten und bedarfsgerechten Patientensteuerung geprüft werden“, schreibt die Regierung.
Doctolib hat seinen Hauptsitz in Paris, aber eine deutsche Tochter in Berlin. Auf Anfrage von netzpolitik.org versucht das Portal offenbar, die servierten Selbstzahlertermine als freundlichen Service darzustellen.
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Demnach würden Doctolib-Nutzer*innen Privattermine ebenfalls angezeigt, wenn sie „schneller verfügbar oder näher gelegen“ seien. Suchmaske und Filterfunktion würden den Vorgaben aus dem Sozialgesetzbuch entsprechen, wie Doctolib mitteilt. Das Buchungssysteme stelle „alle relevanten Informationen transparent dar“. Weiter nehme man die „Bedenken zur Darstellung von Terminen sehr ernst“. Doctolib arbeite „kontinuierlich“ daran, die App im Sinne aller Beteiligten weiterzuentwickeln.
Kurzer Test zeigt: Missstände bestehen weiterhin
Viel geändert hat sich bei Doctolib anscheinend nicht. Wir haben das selbst ausprobiert und am heutigen Mittwoch per Doctolib einen Hautarzttermin in Berlin-Mitte gesucht. Eingrenzung: „nur Termine mit gesetzlicher Versicherung“. Ob das klappt?
Das erste Suchergebnis: Ein Selbstzahlertermin, ausdrücklich gekennzeichnet mit dem Wort „Privatpraxis“. Seltsam.
Das zweite Ergebnis: eine Praxis für, so Doctolib, gesetzlich Versicherte und Selbstzahlende. Klingt gut. Klickt man jedoch auf den angebotenen Termin, stellt sich heraus: Willkommen ist hier nur, wer auch Geld ausgeben möchte.
„Wählen Sie eine Kategorie für Ihren Termin“, heißt es im Online-Interface. Zur Auswahl stehen zwei Optionen: Bezahlen oder bezahlen. Genauer gesagt: „Ich bin gesetzlich versichert und zahle selbst“ oder „Ich bin privat versichert“. Die Terminsuche für Kassenpatient*innen auf Doctolib erinnert an eine Tombola mit vielen Nieten.
Wenn Nutzer*innen so etwas öfter erleben: Nach wie vielen gescheiterten Versuchen entscheiden sie sich wohl frustriert für einen Bezahltermin, obwohl sie eigentlich Anspruch auf einen kostenlosen Kassentermin hätten?
Im Jahr 2023 hat der rbb eine Datenrecherche zur Terminvergabe auf Doctolib gemacht. Auch damals ging es um die heiß begehrten Hautarzttermine in Berlin. Das Ergebnis: 76 Tage mussten Menschen üblicherweise auf einen Termin bei der Hautärztin warten. Privatversicherte warteten dagegen im Mittel 22 Tage.
vzbv: Bundesregierung muss Probleme zeitnah angehen
In Deutschland haben Menschen laut Sozialgesetzbuch einen Anspruch auf Behandlung. Privat betriebene Termin-Portale wie Doctolib sind aber nur ein Akteur in der Gesundheitsversorgung. In der Verantwortung stehen etwa Krankenkassen, Vertragsärzte und Kassenärztliche Vereinigungen.
Die Beobachtungen auf Doctolib passieren vor dem Hintergrund, dass es vielerorts an freien Terminen mangelt. Die Gründe dafür sind komplex. Trotz hoher Anzahl an Fachkräften hapert es oftmals an der sinnvollen Verteilung. Und dieses Problem besteht weiter, selbst wenn Doctolib anders mit Selbstzahlerterminen umgehen würde.
Auch aus Perspektive des vzbv reichen die Missstände über Doctolib hinaus. Thomas Moormann arbeitet für den Verband zu Gesundheit und Pflege. Auf LinkedIn ordnet er die Antwort der Bundesregierung ein. Moormann beklagt die gelebte Praxis, mit Kassenpatient*innen zusätzlich Kasse zu machen. Konkret nennt er „die Bevorzugung zahlungskräftiger Patientengruppen bei der Terminvergabe, die Verknappung der telefonischen Erreichbarkeit der Arztpraxen“ und den „Verkauf zweifelhafter Selbstzahlerleistungen ohne hinreichende Aufklärung“. Das seien keine Einzelfälle.
Deshalb müsse die Bundesregierung die Probleme bei der Terminvergabe zeitnah angehen, fordert Moormann. „Das darf nicht warten, bis etwa die geplante Regierungskommission Vorschläge für eine verbesserte Versorgungssteuerung vorlegt. Bis zu deren Umsetzung könnte es Jahre dauern.“
Was also tun, wenn der Hautausschlag im Gesicht brennt? Oftmals greifen Betroffene eben auf Terminbuchungsportale wie Doctolib oder Jameda zurück, weil sie keine sinnvolle Alternative für rasche Hilfe sehen.
Gelingt die Suche nach einer Fachärztin nicht auf eigene Faust, gibt es die Terminvermittlung der Kassenärztlichen Vereinigungen. Dafür muss man sich in der Regel vorher einen Dringlichkeitscode aus einer Hausarzt-Praxis besorgen. In solchen Fällen gibt es einen Anspruch auf Vermittlung zu Fachpraxen innerhalb von vier Wochen.

Für den Dringlichkeitscode aus einer Hausarzt-Praxis braucht man erstmal einen Hausarzt mit freien Terminen. Bekommt man dann uU im 30km Umkreis, Anreise selber zu bewerkstelligen. Da zahlt man natürlich irgendwas im unteren dreistelligen Bereich einfach selber, wenn man kann.
Totalversagen der KV und GKV.
Persönliche Erfahrung bei meiner Hausarztpraxis Anfang des Jahres:
Ich sollte nach der Behandlung einen Folgetermin in drei Monaten vereinbaren. Ich und andere Patienten wurden mit dem immer selben Satz abgebügelt: „Nur über Doctolib!“ Habe meinen Unmut kundgetan, hat aber nichts gebracht.
Wenig später wieder hin und habe mit einer anderen Tresen-Kraft darüber gesprochen (eigentlich wollte ich die Praxisleitung sprechen; die war aber nicht da). Zunächst einmal habe ich doch meinen Termin am Tresen bekommen, aber wie mir die nette Dame sagte, „macht es keinen Unterschied, ob ich es über Doctolib oder am Tresen mache, denn sie trägt alles bei Doctolib ein.“ Das ist so von der Praxisleitung vorgegeben.
Mittlerweile kann ich wohl wieder Termine ganz regulär am Tresen vereinbaren, aber ein ungutes Gefühl bleibt.
Als ich mich zu diesem Zeitpunkt mit dem Thema „Doctolib“ beschäftigt hatte, hatte ich irgendwo gelesen, dass der Vorteil für die Ärzte darin liegt, dass sie bei den Terminen sehr einfach den Anteil der Privatpatienten gegenüber den Kassenpatienten erhöhen können. Somit können z.B. 30% (oder mehr) der Termine für Privatpatienten geblockt werden, obwohl deren Anteil in der gesamten Bevölkerung deutlich niedriger ist.
Wenn es keine gesetzlichen Maßnahmen gibt, wird diese Methode Schule machen, und selbst ein Wechsel der Praxis wird dann nicht mehr helfen, diesem Wahnsinn zu entkommen.
Ich überlege noch, ob ich Beschwerde bei der Kassenärztlichen Vereinigung einlege, weil ich mein Recht auf Datenschutz bei dieser Praxis verletzt sehe (deren gesamte Terminorganisation läuft über einen externen Dienstleister).
Den beschriebenen Wahnsinn der Praxis anzulasten ist nicht angebracht. Ärzte machen nicht die Regeln, sondern sind nur Spieler im System. Ohne die Zahlungen der Privatversicherten könnte das System überhaupt nicht funktionieren und die Versorgungsdichte wäre deutlich schlechter. Aber Sie würden den Privatversicherten natürlich nicht bevorzugen, wenn er für die Deckung der Kosten maßgeblich verantwortlich ist und das 10x einbringt… MFAs freuen sich übrigens auch über Weihnachtsgeld und Gehaltserhöhungen.
Im übrigen ist die Nutzung von Doctolib vollkommen rechtskonform. Diese erfüllen alle Anforderungen der DSGVO. Die Praxis kann jeden beliebigen Dienstleister nutzen, solange die DSGVO eingehalten wird und somit auch ihr Recht auf Datenschutz erfüllt ist.
„Ohne die Zahlungen der Privatversicherten könnte das System überhaupt nicht funktionieren und die Versorgungsdichte wäre deutlich schlechter.“
Das ist natürlich falsch, wenn man mit „System“ die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung meint. Die Profiterwartung der Medizinunternehmer und Ärztefunktionäre wäre nicht erfüllbar, wenn das dieses System zu Gunsten der Bürger (und auch vieler Ärzte) verbesserte.
Anders herum wird ein Schuh daraus. Ohne die Mittel der GKV gäbe es gar kein Gesundheitssystem das die Privatversicherten nutzen könnten. Das System gehört gründlichst reformiert und die privaten Versicherungen in ihrer jetzigen Form verboten. Jeder soll sich bei den GKV versichern müssen und zwar ohne Beitragsbemessungsgrenze.
Was Doctolib betrifft mag die Nutzung von Doctolib zwar vollkommen rechtskonform sein, aber gerade die im Artikel angesprochene Sache zeigt auch sehr gleich das es hier massiv an Regulierung und Durchgreifen fehlt. Etwas das ebenfalls entsprechend angegangen werden muss.
Es ist nunmal bezeichnet für unsere Gesundheitsversorgung. Man beschwert sich zu Recht das Patienten einfach in die Notaufnahme gehen und sieht(oder will es nicht sehen) das unser ,ein sehr ineffizientes und überteuertes, System schon in der Fläche nicht mehr funktioniert. Für so ein Land einfach eine beschämende Situation und Änderungen nicht in Sicht.
> Für so ein Land einfach eine beschämende Situation
Ach, „so ein Land“! Wie bitte ist das Land denn? Und wie sollte es denn sein?
Die Mühe mit dem Realitätsabgleich sollte man sich schon machen, das zu benennen, damit es keine Missverständnisse gibt.
Und mit dem Schämen ist das so ’ne Sache. Wer soll sich schämen? Warum überhaupt, und wofür? Wenn es ans Schämen geht, sollen das doch stets die anderen tun. Die aber sind nicht selten auch noch stolz auf ihr gieriges und hinterhältiges Tun.
Im Übrigen kann sich ein Land nicht schämen, auch nicht „so eins“. Schämen kann sich nur wer dazu befähigt ist. Menschen also, die noch so etwas wie Moral besitzen, und Empathie überhaupt empfinden können. Schämen könnte man sich selbst auch für die eigenen Erwartungen.
Vielleicht sind Sie aber auch nur auf ein Länder-Marketing hereingefallen, und glauben beglückt an ein Branding, einen glorreichen Markenkern. Dann aber empfinde ich ein bewegendes Cringe, denn dazu müsste man schon jahrelang den Kopf tief in den Sand gesteckt haben, um den gesellschaftlichen Wandel nicht bemerkt zu haben.
Das waren schon immer nur Erwartungshaltungen:
Made in Germany.
Deutsche Bundesbahn: Wir fahren bei jedem Wetter, zuverlässig und pünktlich!
Von meiner Rente werde ich gut leben können.
Meine Kinder werden es besser haben.
Deutschland ist ein demokratischer Sozialstaat.
In Deutschland gibt es keine Korruption.
Beste ärztliche Versorgung.
Die Polizei, Dein Freund und Helfer.
Und selbst der „American Dream“ ist zum Alptraum geworden.
So! Nachdem wir uns nun alle gründlich geschämt haben:
Reicht das, oder muss man auch noch „den Arsch hochkriegen“ und selbst etwas tun?
ging mir auch so
der Filter „Kassenpatient“ wird ignoriert
und: wenn man ein IGel dazu bucht, bekommt man plötzlich schnellere Termine
Ich kenne viele Leute, die ein Eigenheim haben, 2 teuere Autos und Handys für 1000€. Die jammern, dass sie auf einen Termin 6 Monate warten müssen. Warum bezahlen sie den Arztbesuch nicht einfach selbst für einen Termin in 6 Tagen? Oft sind das nur 40-80€.
> Ich kenne viele Leute, die ein Eigenheim haben, 2 teuere Autos und Handys für 1000€.
> Die jammern, dass sie auf einen Termin 6 Monate warten müssen. Warum bezahlen sie
> den Arztbesuch nicht einfach selbst für einen Termin in 6 Tagen? Oft sind das nur 40-80€.
Ist das Sarkasmus?
> Ist das Sarkasmus?
Nö. Alltag.
Das Haus muss abbezahlt werden, die Autos sind geleast, das Konto überzogen. Die Familie konsumiert über ihre Verhältnisse. Geh dann zu deiner Bank und sag, dass du auch noch Geld für deine Krankheit brauchst.
Man kann das allerdings auch als eine Art von Bestechung sehen!
Sehr problematisch auch, dass Arztpraxen (vmtl. um Kosten zu sparen) generell auf doctolib für Terminvereinbarungen verweisen.
Und telefonisch schwer erreichbar sind, und/oder bevor man mit einem Menschen spricht, via Bandansage auf die online Terminvergabe verweisen. Habe ich mehrfach erlebt.
In dem Zusammenhang auch erwähnenswert: Die Zwei-Klassen Behandlung von privat und gesetzlich Versicherten. Kann jeder selbst testen: Sucht nach einem Termin für Privatpatientinnen= in der Regel kurzfristig möglich. Termine für gesetzlich Versicherte aber deutlich später, teils Wochen/Monate.
Wird Zeit, dass es endlich nur eine und eine gerechtere Krankenversicherung gibt. Dafür müssten aber bürgerfreundlichere Parteien wie Linke und Grüne in die Regierung kommen. Btw: Am 14.9. sind Landtagswahlen in NRW.
das wahre Desaster ist aber die Terminvermittlung über die Webseite der KBV (116117):
Ich brauchte einen Termin bei einem Kardiologen / Herzspezialisten. Alle Daten eingegeben: Ergebnis: KEINE TERMINE VERFÜGBAR.
Dann vom Hausarzt Dringlichkeitscode besorgt (Er sagt: „ungern, und wird eh nichts ändern“). Mit Code dann erneut alle Daten eingegeben: Ergebnis: KEINE TERMINE VERFÜGBAR.
Und ich brauchte einen Termin bei einem Hautarzt: Hautarzt kann man nicht anwählen, also auch hier nada…
So ist das natürlich ein Witz.
Ansonsten kann ich die ständigen Verweise auf Bezahltermine bei der Suche nach Terminen die über die GKV abrechenbar sind bei den privaten Portalen nur komplett bestätigen.
Das ganze ist ein schlechter Witz!
M. Hahn
Mit der 116117 haben wir auch schlechte Erfahrungen,bis man hier durchkommt und einen Termin bekommt, kann man schon längst auf dem Friedhof liegen. unterirdisch schlechte,da bleibt meist doch nur die notfallambulanz
> Das ganze ist ein schlechter Witz!
No! Das ist angewandter Neoliberalismus im Gesundheitswesen. Kann man auch als Klassen-Medizin bezeichnen.
Rechne doch mal all die Monatsbeiträge zusammen, die Du als gesunder Mensch in die GKV gezahlt hast.
Dein Geld ist futsch, dein Anspruch im Krankheitsfall kommt gar nicht erst zur Geltung, weil Du keinen Arzttermin bekommst, denn Dein Arzt bevorzugt solvente Privatpatienten. Der Dorf-Elite kann man doch keine Wartezeiten zumuten.
„Das Geld ist futsch“.
Dann muss es bedeuten, ich habe ein Recht, dass das Geld nicht futsch ist, weil ich mich sonst zum Affen mache. Ist es erlaubt, die gesetzliche Krankenversicherung, einfach auszahlen zu lassen auf dein Konto, und du schaust selbst, wie du über die Runden kommst? Hauptsache, dein Geld wird nicht verbrannt?
Laut Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) werden von Ärzt:innen sowie Psychotherapeuti:nnen neue Mindestsprechzeiten sowie für einige Fachgruppen „offene Sprechstunden“ gefordert.
Die vertragsärztliche Pflicht zur Meldung von Sprechzeiten und offenen Sprechstunden (§ 17 Abs. 1 BMV-Ä) gilt nicht nur für niedergelassene Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen, sondern gleichfalls für Angestellte. Zu beachten ist deshalb auch, dass insbesondere bei Neugründung eines MVZ, bei einem Statuswechsel oder der Nachbesetzung einer Angestelltenstelle die Mindestsprechstunden gemeldet werden müssen.
Die „offenen Sprechstunden“ betreffen ausschließlich Ärzt:innen der nach dem TSVG bestimmten Fachbereiche: Augenheilkunde, Chirurgie, Dermatologie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe,
Hals-, Nasen-, und Ohren-Heilkunde, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie,
Neurologie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Psychiatrie, Urologie. Nur für diese bestimmten Facharztgruppen können die im Rahmen der offenen Sprechstunde erbrachten Leistungen auch extrabudgetär vergütet werden.
Beim Hausarzt heißt das Zauberwort „Akutsprechstunde“ und für die längeren Wartezeiten sei ein gutes Buch und ein Sitzkissen zur Mitnahme empfohlen.
Merke: Der Arzt schuldet dem Patienten die Behandlung, nicht aber den Behandlungserfolg.
Mir ist schon länger aufgefallen das viele Ärzte das ausnutzen indem sie sagen daß sie Kassenpatienten annehmen aber wenn man versucht einen Termin zu buchen kommt die Meldung das keine neuen Patienten angenommen werden.
Für das System sieht es dann so aus als wären Termine für Kassenpatienten frei aber eben nur wenn man schon einmal bei dem Arzt war.
Wenn man dann schon auf dem Profil von Arzt ist kann man mit wenigen Klicks einen Termin als Selbstzahler buchen und bekommt auch sofort was.
So oder so, über Doctolib oder ähnliche Plattformen bekomme ich wenigstens einen Termin wie ich ihn möchte ohne in einer Warteschlange am Telefon zu verzweifeln. Und für dringende unaufschiebbare Schmerztermine hat bisher noch jede Praxis einen Termin ohne Anmeldung, meistens früh morgens vor der Praxis .Öffnung organisiert.
Ich arbeite technisch in dem Bereich der niedergelassenen Medizin und sehe eher ein anderes Problem: Es gibt einfach nicht genügend Ärztinnen und Ärzte, die sich das noch antun wollen. Die meinen es wirklich nicht böse. Der Schmerz liegt ganz woanders: Bis vor Corona war das System angespannt, aber durch den massiven Fachkräftemangel durch Berufs-Exit haben sich Personalkosten für MFA ungefähr verdoppelt. Weiterhin sind in den Ballungszentren die Gewerbemietverträge in Ärztehäusern auch in einem unerträglichen Maße gestiegen. Dazu kommen noch die höheren Kosten durch die mangelende Telematik. Die Privatpatientenquote beträgt ohne sonstige Maßnahmen statistisch bei ca. 10%. Ohne dieses Geld, kann man wirtschaftlich längst keine Praxis mehr bezahlen. Echte Zahlen: 1 Arzt, Allgemeinmedizin, durchschnittliche Fallzahlen. Bekommt ca 50.000€ im Quratal – klingt viel oder? Wenn ich die Personalkosten, Miete und notwendige Nebenkosten ohne Investiotionen gegenrechne, kommen noch ca. 20.000€ bei raus, in drei Monaten! Davon müssen noch Rentenversicheurngsbeiträge und Steuern bezahlt werden. Bei diesen Zahlen sind Investitionen sehr schwer zu tätigen! Die IGEL-Leistungen und Privatpatienten MÜSSEN reinkommen, damit die Praxis nicht schließen muß. Tools wie Doctolib, Jameda, Samedi, usf, helfen die Kassenmedizin am Leben zu halten. Man kann das sehr gut in Ost-Berlin sehen, wo in Gegenden ohne nennenswerten Privatpatienten hunderte Arzt-Zulassungen nicht besetzt sind. Diese Diskussion sollte geführt werden. Es geht hier weder um Bereicherung noch um den bösen Kalenderanbieter, sondern darum, dass es bereits 5 vor 12 ist. WIr brauchen weniger Bürokratie bei den Ärzten und ganz ganz sicher keine professionellen Investoren und BWLer im System!
Man wird erst dann weiterkommen, wenn man sich vom Standardmodell des Arztes als selbstständigem Unternehmer verabschiedet und generell weite Teile der Gesundheitsversorgung der privaten Profitmaximierung entziehen. Erlaubte den Ärzten dann auch hinreichend geregelte Arbeitszeiten und Entlastung von untergeordneten Verwaltungsaufgaben. Nein, derzeitige unterbesetzte Krankenhäuser sind kein gutes Beispiel, aber das sind wir wieder bei Profitorientierung.
Dem steht leider die bestens vernetzte Riege der etablierten Alten und Medizinunternehmen im Wege, die Ego und Pfründe verteidigen.
Hier muß ich widersprechen:
Nur der Kapitalismus führt zu der gewünschten Selbstausbeutung der Medizin. Das kann man sehr gut bei angestellten Ärzten in MVZ beobachten. Deren Arbeitsverträge sagen Geld gegen Anwesenheit. Bei einem Leistungserbringer geht es darum soviele Patienten wie möglich im Rahmen des gesetzlich zulässigen, im Rahmen des Bugdgets durchzuschleusen. Ohne diese perfide Form der Selbstausbeutung wären längst nicht mehr genügend Ärzte da, um die normale Bevölkerung zu behandeln.
Der Weg der MVZ (Investoren, BWL) ist sehr schlecht. Die marktwirtschaft und die Versorgung funktioniert in meinen Augen am besten, wenn sich 2-3 Ärzte zusammenfinden und mit ca 6-8 MFA (die arbeiten meistens in Teilzeit) eine Praxis betreiben.
Wenn dann die Privatqoute passt, hat der Inhaber, der immerhin das ganze Risiko trägt am meisten davon. Die Allgemeinheit der Kassenversicherten profitiert von den Investitionen, die durch die Spielräume der Privatmedizin geschaffen werden.
Der Allein-Arzt, hat aufgrund der vergleichsweise hohen Kosten, wegen der gleichen Auflagen, wie eine größere Gemeinschaftspraxis keine wirkliche Zukunft in der Kassenmedizin.
Die Berufspraxis zeigt, dass der Output bei selbständigen Ärzten deutlich höher ist, als bei angestellten Ärzten im MVZ. Das ist für die Allgemeinheit besser!
Einige meiner Bekannten sind Mediziner und haben Deutschland wegen dieses Ansatzes der „gesellschaftlich wünschenswerten Selbstausbeutung“ verlassen.
Ja, Deutschland bildet genug Mediziner aus. Die wollen auch als solche arbeiten, dafür bietet Deutschland vergleichsweise schlechte Konditionen, also gehen sie woanders hin. Den dadurch verursachten Ärztemangel als Grund für „notwendige Selbstausbeutung“ anzuführen ist ein perfider Spin, veranschaulicht das Problem aber sehr gut.