Maßnahmen gegen Tech-Konzerne„Das Internet zurückerobern, Alternativen stärken!“

Mächtige Tech-Konzerne dominieren das Internet und soziale Netzwerke. Verbände und prominente Personen haben einen 10-Punkte-Plan vorgelegt, der offene Alternativen wie das Fediverse stärken soll.

Darstellung von vernetzten Diensten, im Hintergrund ein Sternenhimmel
Im Gegensatz zu den Plattformen sind im freien Internet die Dienste miteinander verbunden. CC-BY-SA 4.0 Tobias Buckdahn / Bearbeitung: netzpolitik.org

Kurz vor der Bundestagswahl fordern verschiedene Verbände sowie prominente Personen aus Kultur, Journalismus, Wissenschaft und Gewerkschaften unter dem Motto „Save Social“ die Rettung von sozialen Netzwerken als demokratische Kraft. Sie kritisieren, dass derzeit Tech-Konzerne aus den USA und China Informationen und die öffentliche Debatte lenken würden – und schlagen Gegenmaßnahmen vor.

Es gäbe es keinen ungehinderten Zugang zu diesen kommerziellen Plattformen, da die Nutzer:innen dafür persönlichste Daten preisgeben müssten. Gleichzeitig filterten intransparente Algorithmen, die den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie folgen, was Nutzer:innen zu sehen bekommen – jenseits von Gemeinwohlorientierung und journalistischen Qualitätsansprüchen. Der auf den Plattformen verbreitete Hass, die Hetze und die Desinformation würden Demokratien zersetzen, so die Unterzeichnenden.

Unabhängige Angebote würden durch diese Vormachtstellung weiter an Einfluss verlieren, beschleunigt auch durch generative KI, welche die Monopolmacht der Konzerne zementiere. Im Manifest heißt es:

Das freie Internet wird abgeschafft – es wurde von den Big-Tech-Monopolen übernommen. Die wachsende Dominanz der Plattformkonzerne für Information und Austausch führt zu einer Konzentration von Meinungsmacht, die unsere Demokratie gefährdet.

Die Unterzeichnenden sehen dringenden Handlungsbedarf für alle: für Unternehmen, Verbände, gesellschaftliche Institutionen und die Politik auf nationaler und europäischer Ebene. Demokratiestärkende Angebote müssten ausgebaut, demokratieschädliche Plattform-Monopole sollten ihre massiven Privilegien umgehend verlieren, heißt es weiter.

Öffentlich finanzierte Inhalte immer auch auf offenen Plattformen

In einem Manifest (PDF) schlagen die Unterzeichnenden vor, dass Alternativen zu den kommerziellen Plattformen gestärkt werden sollen. So heißt es unter anderem: „Mit öffentlichen Mitteln finanzierte Inhalte müssen vollständig zumindest auch auf diesen Plattformen verfügbar sein, denen offene und anerkannte Standards und Protokolle zu Grunde liegen.“ Hierzu sollen Politik, Behörden, Universitäten, Forschungseinrichtungen, Bibliotheken, aber auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk verpflichtet werden.

Gleichzeitig sollen diese verpflichtet werden bei offenen Netzwerken genauso viele Gelder für die Produktion von Inhalten und deren Distribution zu verwenden wie sie bei TikTok & Co ausgeben.

Bund und Länder sollen verpflichtet werden, ihre Investitionen in die Entwicklung und Stärkung von offenen Plattformen und Protokollen sowie Angebote auf deren Basis massiv auszuweiten. Ziel sei dabei insbesondere, deren Bedienbarkeit zu verbessern, Wachstum durch ausreichende technische Infrastruktur zu erlauben und die Marktdurchdringung durch Marketing zu erhöhen.

Bildungseinrichtungen sollen verpflichtet werden, in erster Linie die Nutzung offener und demokratiestärkender Plattformen und Netzwerke zu vermitteln, sie sollen die Nutzung der Monopolplattformen vermeiden.

Marktanteilsobergrenzen und Digitalsteuer

Für große Plattformen sollen hingegen Marktanteilsobergrenzen eingeführt werden, bei deren Überschreitung Unternehmensteile veräußert oder Inhalt und Verbreitungsweg getrennt werden müssten. „Eine Digitalsteuer für Tech-Giganten wird erhoben, um eine demokratiestärkende Informations- und Diskussionsinfrastruktur sowie Qualitätsjournalismus zu finanzieren“, heißt es weiter im Manifest.

Große Plattformen sollen offene Standards und Interoperabilität zwischen Angeboten einführen, damit Nutzer:innen die Inhalte herstellerunabhängig nutzen können und bei einem Angebotswechsel eigene Inhalte nicht verlieren.

Gleichzeitig sollen die Monopolplattformen so reguliert werden, dass sie Links nach außen nicht algorithmisch bestrafen können. Dafür sollen sie ihre Algorithmen offenlegen müssen.

Zudem fordern die Unterzeichnenden, dass das Haftungsprivileg bei den sehr großen Plattformen (VLOPs) auf den Prüfstand gestellt wird. Sie sollen laut der Kampagne die Inhalte auf ihren Plattformen presserechtlich verantworten so wie Medienkonzerne.

Aufschlag für eine Debatte

Die Unterzeichnenden von „Save Social“ sagen, dass sie etwas „vorschlagen“. Die konkreten Punkte können eine konstruktive Debatte anstoßen, die mehr bewirkt als die Empörung über den Zerfall von Diskursräumen wie Twitter-Nachfolger X und neuerdings auch der Plattformen von Meta.

Anlass für Debatten liefern allerdings gleich mehrere Aspekte von „Save Social“, etwa die Prüfung des Haftungsprivilegs für Plattformen. Das Providerprivileg, nach dem Hoster für Inhalte und Dateien erst dann verantwortlich sind, wenn sie auf etwas Illegales hingewiesen werden, ist immerhin ein Grundpfeiler des Internets. Es schützt in vielen Fällen die Freiheit des Internets und damit auch die Netzkultur, wie wir sie kennen.

Fraglich ist auch, wie Medien staatsfern bleiben können, wenn sie staatlich mit Mitteln aus einer Digitalsteuer gefördert werden sollen. Hierzu macht das Manifest bislang keine Angaben.

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