Europäischer Gerichtshof„Guten Tag“ tut’s auch

Warum nicht einfach „Hallo“ oder „Guten Tag“ statt „Lieber Herr Meier“ sagen? Das hat sich offenbar auch der Europäische Gerichtshof gedacht und kommt zum Urteil: Ein Bahnunternehmen darf nicht als Zwangsangabe abfragen, welche Geschlechtsidentität seine Kund:innen haben.

Spitze eines Bahnfahrzeugs der französischen Bahngesellschaft SNCF
Bei der Bahnfahrt spielt die Geschlechtsidentität keine Rolle. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Ruben Christen

Einem Beförderungsunternehmen kann es herzlich egal sein, welche Geschlechtsidentität seine Kund:innen haben. Und weil es egal ist, ist es auch nicht notwendig diese Information beim Ticketkauf abzufragen – und damit nach der Datenschutzgrundverordnung nicht zulässig. Zu diesem Ergebnis kam der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Fall des französischen Bahnunternehmens SNCF Connect.

Das Unternehmen wollte beim Online-Ticketkauf wissen, mit welcher geschlechtsspezifischen Anrede es die Käufer:innen adressieren soll. Die französische Datenschutzbehörde hatte eine Beschwerde deswegen im Jahr 2021 zurückgewiesen, die der Verband „Mousse“ eingereicht hatte. Der wiederum zog bis vor das oberste französische Verwaltungsgericht, das die Entscheidung dem EuGH vorlegte.

Der EuGH sieht nun keinen „objektiv unerlässlichen“ Grund, die Geschlechtsidentität beim Ticketkauf abzufragen und sagt: „Das Eisenbahnunternehmen könnte sich nämlich für eine Kommunikation entscheiden, die auf allgemeinen und inklusiven Höflichkeitsformeln beruht, die in keinem Zusammenhang mit der angenommenen Geschlechtsidentität der Kunden stehen, was eine praktikable und weniger einschneidende Lösung wäre.“

Ein deutschsprachiges Beispiel dafür wäre: „Guten Tag, Alex Meier“ statt eine Anrede mit „Herr“ oder „Frau“.

Deutsche Bahn bietet schon länger eine neutrale Option

Mousse setzt sich seit dem Jahr 2000 für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen ein und kämpft regelmäßig auch vor Gericht gegen Diskriminierung wegen Geschlecht, Gender oder sexueller Orientierung.

Bei der Deutschen Bahn lässt sich seit Ende 2023 eine neutrale Anrede beim Ticketkauf auswählen. Aber auch hier ging ein juristischer Streit voraus, bis im Jahr 2022 das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigte, dass die Zwangswahl zwischen männlicher und weiblicher Anrede nicht mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vereinbar ist. Nun ist die Thematik erneut – aus einer europäischen Datenschutzperspektive – entschieden und bekräftigt worden.

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3 Ergänzungen

  1. Die Neugier der anderen, um die muss man sich kümmern.

    Ging es dem Unternehmen tatsächlich „nur“ um eine „korrekte“ Anrede? Zweifel darf man haben.
    Für welche andere Zwecke ist es hilfreich bzw. einträglich mehr zu wissen?
    Wem nützt das Wissen um das „korrekte Geschlecht“? Den Befragten? Ach! Wurden die Pronomen auch abgefragt?

    Wurde im Prozess geklärt, welche Daten das Transport-Unternehmen an wen weiterleitet, und zu welchem Zweck?

    Und letztlich, warum hat sich das Unternehmen zu einem Gerichtsprozess hinreißen lassen? Man hätte ja zur Einsicht gelangen können, wenn Kunden das nicht gut finden, dann lassen wir das. Aber nein, ein Gerichtsprozess muss sein. Wer diesen Aufwand betreibt, dem geht es um mehr als um Kundenzufriedenheit.

    Womit ist SNCF in der Vergangenheit schon auffällig geworden? Im Umgang mit seinen Kunden und deren Daten?

  2. Also mir fiele nur ein (halbgarer) Grund ein das zu erfragen. Um zu wissen wie viele (Damen oder Herren) WCs man im Zug jeweils vor halten müßte oder könnte. Aber, die Unterscheidung gibt es derzeit doch eh nicht (alles Unisex) oder? Vielleicht für später, Ein „Häuschen“ für L, G, B, T, Q, und + X … oder einfach pure Datensammelwut (= Ockhams Messer). ;-)

    Und falls ich die Bahn jetzt auf eine Idee brachte, „Lame Excuse“ Award für euch, Link auf diesen Post setzen. Die Tantiemen kassiere ich dann später. ;-)=)

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