Gesetz abgeschmettertFranzösische Regierung wollte verschlüsselte private Kommunikation mitlesen

Das französische Parlament hat ein Gesetz abgelehnt, das verschlüsselte Dienste wie Signal oder WhatsApp zu Hintertüren verpflichtet hätte. Internationale Bürgerrechtsorganisationen hatten Alarm geschlagen, der Messenger Signal mit seinem Rückzug aus Frankreich gedroht.

Illustration im Bauhaus-Stil zegit, wie zwei Hände an einem Schloss herumfingern.
Griff nach der Verschlüsselung (Symbolbild) – Public Domain DALL-E-3 („a male hand reaches for a lock, bauhaus style reduced minimalist geometric shape“)

Die französische Nationalversammlung hat in der Nacht ein Gesetz abgelehnt, das die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gefährdet hätte. Das Gesetz gegen den Drogenhandel enthielt einen Artikel, der von verschlüsselten Diensten wie Signal, WhatsApp, Protonmail oder Matrix forderte, dass sie Ermittlungsbehörden Zugang zu den Nachrichten ihrer Nutzer:innen geben müssen. Bei Zuwiderhandlungen drohte das Gesetz mit Strafen von bis zu 1,5 Millionen Euro für natürliche Personen oder zwei Prozent des Jahresumsatzes für Unternehmen oder Stiftungen. Um dem zu entgehen, hätten die Anbieter Hintertüren in ihre Software einbauen müssen.

Zwischenzeitlich sah es im Parlament so aus, als sei der fragliche Artikel vom Ausschuss gekippt worden, dann stand er wieder auf der Agenda. Bei der Abstimmung gab es dann aber doch eine deutliche Mehrheit von 119 Gegenstimmen zu 24 Ja-Stimmen.

Laut der Digitalorganisation La Quadrature Du Net hatten die Befürworter:innen des Gesetzes versucht, die Gefahr herunterzuspielen, indem sie nicht von Hintertüren sprachen. Bei einer möglichen Überwachung der verschlüsselten Kommunikation sollten sogenannte Phantomteilnehmer unsichtbar an der Kommunikation teilnehmen. Das sei allerdings nichts anderes als eine Hintertür, sagt die Digitalorganisation und beschädige das Vertraulichkeitsversprechen der verschlüsselten Kommunikation.

La Quadrature wehrte sich auch gegen Zusätze im Gesetz, die vermeintlich datenschutzfreundlich die vertrauliche Kommunikation schützen sollen. Das sei „Betrug“, bei der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gäbe es keinen Kompromiss, denn das Prinzip sei, dass niemand außer den Beteiligten auf die Kommunikation zugreifen könne. Die Bürgerrechtsorganisation kritisierte auch weitere Punkte des Gesetzes, welche die Überwachung ausbauen und rief dazu auf, die Abgeordneten zu kontaktieren.

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Offener Brief

In einem offenen Brief vom 19. März (PDF) warnten mehr als 20 Nichtregierungsorganisationen vor der Schwächung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Zu den Unterzeichner:innen gehören Organisationen aus Deutschland, Irland, Dänemark und Norwegen.

Sie schrieben, jede Schwachstelle oder Hintertür, die in Frankreich eingebaut wird, werde früher oder später von böswilligen Akteuren auf der ganzen Welt ausgenutzt. „Die Sicherheit aller steht daher auf dem Spiel.“

Dieselben Maßnahmen seien bereits zuvor vom französischen Verfassungsrat (Conseil constitutionnel) für verfassungswidrig erklärt worden. Die Unterzeichnenden forderten deshalb von der französischen Nationalversammlung, sie solle den betreffenden Artikel sowie alle anderen Maßnahmen, die die Verschlüsselung brechen oder schwächen würden, ablehnen. Was diese nun auch getan hat.

„Schlichtweg lächerlich“: Signal-Chefin droht mit Rückzug aus Frankreich

Die Präsidentin der gemeinnützigen Signal-Stiftung, Meredith Whittaker, bezeichnet die Argumente der Befürworter als „ermüdend“, „altbacken“ und „schlichtweg lächerlich“. In einem Post beim Twitter-Nachfolger X schrieb sie: „Wir dürfen keine Hintertür akzeptieren, egal wie sie verpackt ist.“ Signal würde sich eher aus Frankreich zurückziehen, als einem solchen Gesetz Folge zu leisten. Whittaker hoffe, dass „dieser schamlose und unehrliche Angriff“ auf Verschlüsselung scheitern werde.

Offener Widerstand wie der von Signal ist ein Indikator dafür, wie ernst ein Vorhaben ist, sichere Verschlüsselung zu brechen. Zuletzt war dies etwa beim britischen Online Safety Bill der Fall, der ebenso auf Ende-zu-Ende verschlüsselte Kommunikationsdienste abzielte.

Korrekturhinweis:
In einer ersten Version des Artikels hatten wir die nächtliche Abstimmung in der Nationalversammlung verpasst, die das Gesetz ablehnte. Dieses Ereignis haben wir nun eingefügt und den Artikel an mehreren Stellen angepasst. Dabei wurden auch die Überschrift und der Teaser geändert.

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1 Ergänzungen

  1. Nur weiter so mit den Hintertüren. Wenn die ersten Politiker die sowas gefordert haben abgehört werden und damit dann intimste und kritische Details ihres (Berufs-)Lebens zu Tage treten, dann spätestens dann, wird man sehr schnell umdenken. Alleine über sowas nachzudenken (Chatkontrolle inbegriffen) zeigt die Ahnungslosigkeit und Überheblichkeit der Leute die sowas fordern. Haaaaalt, STOP. Abstrakte Gesetze schützen diese Menschen vor dem (realen) Abhören. Hatte ich ganz vergessen. Sind ja per Gesetz immun und unantastbar. Jeder Hacker wird ja vorher anhand der Gesetzeslage abwegen ob es das Risiko wert ist. Und wenn einer gehackt wird, dann verschärft man einfach die Gesetze nochmal. Das wird ganz sicher helfen und den Nächsten vom Abhören abhalten. Also: Hintertüren sind vor dem Zugriff Unbefugter sicher! XD XD XD

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