ZensurumgehungChina will Wortspiele noch mehr wegzensieren

Die Räume für eine freie Kommunikation in China werden noch ein Stück enger. Mit einer Kampagne geht die mächtige Zensurbehörde jetzt gegen Worte, Memes und Wortspiele vor, die zur Umgehung der Zensur benutzt werden.

Mann im Anzug vor einer Aufschrift "Russia October"
Chinas Staatschef Xi duldet keine Kritik an sich. Beim chinesischen Äquivalent von Instagram sind mehr als 500 Worte blockiert, die genutzt werden, um „Xi“ zu sagen. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / SNA

Die chinesische Internet-Regulierungsbehörde hat eine Kampagne mit dem Namen „Klar und Hell“ gegen Wortspiele und die Nutzung gleichlautender Wörter mit anderer Bedeutung gestartet. Solche Tricks werden von der Bevölkerung genutzt, um die rigide Zensur im Land zu umgehen. Sie stellen eine der wenigen Möglichkeiten dar, online noch frei zu kommunizieren.

Laut dem Bericht des Guardian hat die Regulierungs- und Zensurbehörde Cyberspace Administration of China zusammen mit dem chinesischen Bildungsministerium eine Erklärung abgegeben, dass die Kampagne auf „unregelmäßige und unzivilisierte“ Sprache im Internet abziele. Gemeint sind damit Witze, Memes, Wortspiele und Wörter, die benutzt werden, um etwas anderes als ihre eigentliche Bedeutung zu sagen.

In der Parteizeitung People’s Daily heißt es, dass diese Art des Internet-Jargons die Menschen verwirren würde. „Sie bilden auch eine versteckte Erosion der täglichen Kommunikation und der ideologischen Werte von Minderjährigen, was leicht zu nachteiligen Folgen führen kann“, zitiert der Guardian die Zeitung.

Gegen die kreative Zweideutigkeit der Sprache

Weil in China das Internet stark zensiert ist, sind die Menschen in den letzten Jahren auf andere, bislang nicht-zensierte Begriffe ausgewichen. Während Protesten in der Provinz „Henan“ nutzten die User:innen das Wort „Helan“ (Niederlande) und für die Provinzhauptstadt „Zhengzhou“ das Wort „Amsterdam“.

So befinden sich die Menschen in einem beständigen Wettlauf mit den Zensoren des Landes, die immer neue Begriffe, Worte und Emojis in ihre wachsenden Zensurlisten packen müssen. Schon im Jahr 2022 soll das chinesische Äquivalent von Instagram mehr als 500 Spitznamen für den Staatschef Xi blockiert haben, weil Kritik an diesem verboten ist. Laut dem Bericht im Guardian versuchen Menschen zudem, über Themen nicht mehr offen zu diskutieren, sondern sie mittels Gedichten und historischen Referenzen zu umschreiben. Laut staatlichen chinesischen Medien sollen nun auch vollkommen harmlose Wortwitze der Internetkultur verbannt werden, die gar nichts mit einer Zensurumgehung zu tun haben.

Die Kampagne richtet sich an Behörden und an die Online-Plattformen. Diese sollen „offensichtlich zweideutige Wörter“ nicht mehr ohne „Richtigstellung“ zulassen. Sie ist nicht der erste Versuch, gegen diese Art der Zensurumgehung vorzugehen: Schon im Jahr 2022 hatte Sina Weibo, die chinesische Version von Twitter, angekündigt, „falsch geschriebene Wörter“ strikter zu kontrollieren.

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28 Ergänzungen

  1. Das geht so nur im Digitalen. Und nur auf kontrollierten Plattformen. Oder mit „Chatkontrolle“ auf den Endgeräten.

    Eine Bevölkerung, die 1,4 Milliarden Menschen umfasst, lässt sich von ein paar Parteifunktionären gängeln und beherrschen. Keine Kraft der Welt könnte sie aufhalten, wenn sie diese Clique zum Teufel jagen wollte.

    1. Allerdings! Wir müssen alle runter von diesen Plattformen!
      Zurück zu früheren Kontaktmöglichkeiten, die noch dazu nicht so schädlich sind für unsere psychische Gesundheit.
      Zurück zu den Wurzeln! Ich bin auch ganz viel im Web unterwegs,
      weiß aber auch, daß da immer mehr Gefahren lauern.
      Wenn wir unsere Energien verschwenden, uns digital schützen zu müssen, geht mindestens ein Drittel unserer Kraft schon dafür drauf. Wenn nicht sogar noch mehr!

    2. „Eine Bevölkerung, die 1,4 Milliarden Menschen umfasst, lässt sich von ein paar Parteifunktionären gängeln und beherrschen. Keine Kraft der Welt könnte sie aufhalten, wenn sie diese Clique zum Teufel jagen wollte.“

      Ohne weit auszuholen : Wie hat das System in der DDR funktioniert ?? Nicht viel anders läuft es dort und in anderen vergleichbaren Systemen.

      Für manche ist eine gewisse Person, wie ein Gott, sie stürzen sich sogar für diese Person in den Tod.

      1. Kein System hält ewig!! Siehe Geschichte China, DDR, GB usw.
        Der Westen, insbesondere auch Deutschland, befindet sich im Niedergang, dank 30 Jahre falscher politischer Entscheidungen durch die Politik, der EU.
        Die USA sind schon lange am untergehen. Dank Opium fürs Volk.
        Mit Drogen kann man schön ein Land in den Untergang schicken. Egal, ob Kokain usw oder Alkohol. Geschichte ist interessant. Besonders die Doku über China auf arte einst.
        Hinter Xi stehen Millionen Menschen. Die hatte er aus der totalen Armut, mit Hilfe des Westens, einst geholt. Der Westen ist dumm, da seid 30 Jahren nur noch gierig.
        Die Zukunft liegt in Asien, Indien besonders. Liegt am Wirtschaftssystem.
        Wer seine eigene Bevölkerung verarmt, wie Deutschland, wird untergehen.

    3. Keine Diktatur hat je ewig gehalten! Das sind Fakten die man aus der Geschichte entnehmen kann. Irgendwann wird auch das mal ein Ende haben!

      1. Lieber Carsten!
        Hier kannst Du solchen Bullshit verbreiten. In China, Russland, Nordkorea, Iran gehst Du dafür in den Folter-Knast. Das ist der Unterschied!

        1. Carles Puigdemont, Julien Assange, … bedauerliche Einzelfälle im besten Werteeuropa aller Zeiten.

          Das polnische „Holocaust-Gesetz“ – keine Zensur, sondern … demokratisch legitimiert.

          Deutschland möchte dem natürlich nicht nachstehen: Ob einzelne Buchstaben des Alphabets oder der Obrigkeit missfallende politische Slogans. Im Gegensatz zu China selbstverständlich aus gutem Grund.

          Ein Folter-Knast in Berlin? Undenkbar! Es sei denn … zum Besten der Insassen: https://fragdenstaat.de/artikel/exklusiv/2024/10/seit-sechs-jahren-in-der-isolationszelle/.

          PS: Es ist in Deutschland noch nicht lange her, da wurden Homosexuelle für ihre Handlungen eingeknasted.

          1. > Carles Puigdemont, Julien Assange, … bedauerliche Einzelfälle

            In beiden Fällen gab es russische Unterstützung. Sehr bedauerlich!

          2. Ist auch lustig, wie Härte gegen Bürgergeld und Migranten jetzt so opportun wird, wie man sich anbiedert, wo doch die Demokratie gefährdet ist. Es stellt sich wohl dann die Frage, ob wir bereit sind die Demokratie auch wirklich zu verteidigen, oder ob das hier ein algorithmisches Laienspiel bleiben soll.

          3. Bei Assange sehe ich die Datenbasis nicht so, wenn das Statement in eine Richtung deuten soll. Bei Assange ist ziemlich klar, dass z.B. eine Unterstützung für die Freilassung Assanges seitens Russland, lediglich die geistige Armut des Westens aufzeigt, wenn Russland sich als erstes „bemüht“ hat. Substanz findet sich da nicht, soweit ich es einschätzen kann.

    4. Es ist immer interessant, sich mit chinesischen Kollegen, Expats und Auswanderern zu unterhalten. Das daraus ergebende Bild ist wesentlich differenzierter.

      Die verstehen übrigens nicht, warum die Deutschen die umfassende Korruption und Versorgungsversagen ihrer Politiker akzeptieren. Da sind sie sich einig: das kann sich weder ein Politiker noch die KP in China leisten.

  2. Könntet Ihr den entsprechenden Artikel vielleicht verlinken? Im Guardian ist er nicht verlinkt, über Google lässt er sich nicht finden, auch nicht über die Webseite der Zeitung. Danke!

    1. In der englischen Ausgabe habe ich ihn auch nicht gefunden. Meine Sprachkenntnisse reichen leider nicht aus, um die chinesische Seite zu durchsuchen. Vielleicht ist ja jemand hier, der Links schicken kann.

  3. Bei den Römern hiess es: „Ich, Claudius, Kaiser und Gott …!

    Jetzt heisst es: „Ich, Xi, Kaiser und Gott …!

    Und vielleicht bald: „Ich, Trump, Kaiser und Gott …!

    Ist einer angesichts der Entwicklungen bei uns ein Realist oder ein Phantast, wer jetzt unseren Kanzler oder den folgenden einsetzt …?

    1. Weder „Realist“ noch „Phantast“ aber ein ziemlicher Dummkopf. Noch dümmer, oder besser gesagt gefährlicher sind aber jene, die andere zu solchen Gedanken verleiten.

  4. Auch in China wird eine sogenannte „KI“ trainiert und mit falschen oder verschleierten alternativ Wörter, bleibt diese dumm und produziert unnötigen Speicherplatzmüll.
    Weiter soooo!

  5. Dass ein so großer Teil der Weltbevölkerung sich so von einem einzelnen machtbesessenen Diktator und seinen Lakaien beherrschen lässt…
    Das einzig gute ist, dass Xi mittlerweile auch schon in einem hohen Alter (71) ist.
    Wer auch immer nach ihm irgendwann kommen mag, noch mehr Schaden kann sein Nachfolger fast nicht anrichten

    Eigentlich kann es auch keinen deutlicheren Warnschuss als solche Enthüllungen geben um zu zeigen, zu welchen Absurdheiten Chatkontrolle und immer weiter ausufernde Überwachung über kurz oder lang führen (werden).
    Nicht umsonst warnen die Gegner dieser Überwachungsfantasien immer vor chinesischen Verhältnissen.

    1. Es gibt Menschen die sind auch bereit, aus einem Bunker das Volk zu regieren und zu terorrisieren. An die Macht zu kommen, ist relativ einfacher als diese wieder zu verlieren.

  6. Ich, DDR Kind, sage euch, dass Diktaturen nur untergehen, wenn der Staat pleite ist. Die DDR war materiell an Ende. Die Revolution von unten war inszeniert!! Denn die BRD brauchte Wachstum! Also kam zusammen, was zusammen gehörte.
    China ist von der Geschichte her viel anders und über tausende Jahren schon immer autoritär gewesen. Viele stehen hinter der Regierung, da diese Millionen Menschen aus der Armut geholt hatte!
    Wenn ein Land untergehen soll, muss man es wie die Briten machen. Opium fürs Volk. Dadurch ging China unter. Nicht durch Revolution.

  7. Entwickeln wir doch hier einfach Strategien, wie wir in Deutschland Xi kritisieren können, und zwar so, dass die diplomatische Spannungen entstehen. Dass Winnie Pooh auf jeden Fall den Druck zu spüren kriegt.

    Wenn wir alle ganz fest und laut sagen „Xi ist ein schlechter Mensch. Xi ist ein Diktator.“

    Ein Scholz würde bestimmt Kritik einschränken wollen oder Demonstrationen verbieten, bevor die Beziehungen mit China auf Eis liegen. Das würde Bände sprechen.

  8. Und wieder passen die beiden Graffitis aus Berlin:
    „1984 is now!“
    und
    „1984 war nicht als Anleitung gemeint!“
    Denn das Ganze erinnert doch stark an „Neusprech“ aus 1984:
    „Durch Sprachplanung sollen sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten beschränkt und damit die Freiheit des Denkens aufgehoben werden[….] Neusprech wird im übertragenen Sinne als Bezeichnung für Sprachformen oder sprachliche Mittel gebraucht, die durch Sprachmanipulation bewusst verändert werden, um Tatsachen zu verbergen und die Ziele oder Ideologien der Anwender zu verschleiern.[….]Mehrdeutigkeiten und Nuancen sollen ausgeschaltet werden, einfache Vorstellungen sollen an die Stelle der komplizierten treten, die Sprache soll einfache Gedanken und Empfindungen abbilden: Lust und Schmerz, Glück und Trauer, goodthink und crimethink. Da aus wenigen Wortwurzeln einfache Ableitungen vorgenommen werden können, verschwinden viele Wörter. Das Wort Denk steht für Denken und Gedanke, das Wort Gedanke kann also eliminiert werden.“
    (Wikipedia)
    Wer die Sprache beherrscht, beherrscht auch das Denken.
    Und das streben die Rechten wie die AfD hier in Europa auch an: wer die Sprache brutalisiert, kann danach auch brutal zu Menschen sein. Siehe Mord an Walter Lübcke.

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