Proteste für DemokratieKrise in Georgien spitzt sich zu

Am 29. Dezember endet offiziell die Amtszeit der oppositionellen Präsidentin und es verstreicht das von ihr gesetzte Ultimatum für Neuwahlen. Seit einem Monat gehen die Menschen in Georgien dafür auf die Straße. Sie befürchten, dass die Regierung nun wieder mit Gewalt gegen die Demokratieproteste vorgeht.

Eng gedrängte Menschenmenge, über der Straße Weihnachtsschmuck.
Zehntausende drängen sich in der Nähe des Parlamentes, um die Rede der oppositionellen Präsidentin zu hören. CC-BY-NC-SA 4.0 Markus Reuter

Die politische Krise in Georgien spitzt sich zu. Seit nunmehr vier Wochen protestieren jeden Tag Menschen im ganzen Land, vor allem aber vor dem Parlament in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Sie fordern Neuwahlen und die Freilassung aller während des Protests Festgenommenen. Entzündet hatte sich der Konflikt nach der von Betrugsvorwürfen begleiteten Wahl und der Entscheidung der Regierungspartei „Georgischer Traum“, den Beitritt zur Europäischen Union auf Eis zu legen.

Zu Beginn hatte die Regierung mit Brutalität und Repression auf die Proteste reagiert und damit immer mehr Menschen auf die Straße getrieben. Die Gewalt wurde von Menschenrechtsorganisationen verurteilt, Staaten wie USA, Großbritannien sowie die Baltischen Staaten belegten Mitglieder der Regierung als Reaktion mit Sanktionen. Deutschland hat angekündigt, Hilfsgelder einzufrieren.

Nach der Phase der Gewalt hatte die Regierung versucht, die Proteste versanden zu lassen und die Polizei weitgehend zurückgezogen. Dennoch protestierten immer wieder Zehntausende, an mehreren Tagen vermutlich mehr als 100.000 Menschen abends vor dem Parlament in der Hauptstadt Tiflis, aber auch in kleinerem Umfang in anderen Städten des Landes. Georgien hat nur 3,7 Millionen Einwohner:innen, die Zahl der Protestierenden ist angesichts dessen sehr hoch. Wir berichten aus Tiflis fortlaufend auf Bluesky und Mastodon über die Proteste.

Zuspitzung rund um 29. Dezember

Im Konflikt um die georgische Demokratie, in dem die Regierungspartei seit Jahren immer autoritärer agiert, hat sich die Präsidentin Salome Surabischwili schon länger auf die Seite der Protestierenden gestellt. Doch ihre Amtszeit endet am 29. Dezember, einen neuen Präsidenten hat das Parlament unter Boykott der Oppositionsparteien zuletzt gewählt. Er soll an diesem Tag ins Amt kommen.

Surabischiwili will jedoch im Amt bleiben und die Opposition erkennt den neuen Präsidenten, einen ehemaligen Fußballer, nicht an. Surabischwili, die sich mittlerweile zur Integrationsfigur entwickelt hat, hat in einer Fernsehansprache einen Rat für Neuwahlen angekündigt und verständigt sich derzeit mit der Opposition und den Oppositionsparteien über das weitere Vorgehen. Gleichzeitig hat sie die Regierung in einem Ultimatum aufgefordert, mit ihr zu verhandeln und bis zum 29. Dezember Neuwahlen zu akzeptieren und auszurufen. Derzeit macht die vom Oligarchen Bidsina Iwanischwili dominierte Regierung allerdings keine Anstalten, darauf einzugehen.

Mit Wut, Tanz und Courage

Für den Nachmittag des 28. Dezembers hat die Demokratiebewegung eine große Menschenkette in der ganzen Hauptstadt angekündigt. Es gibt zudem Gerüchte, dass danach zum Palast der oppositionellen Präsidentin mobilisiert werden soll, um diese zum Ende ihrer offiziellen Amtszeit vor der Polizei und der Regierung zu schützen. Die Regierung hatte in einer Pressekonferenz angekündigt, dass die Präsidentin festgenommen werden könnte. In jedem Fall gibt es Unklarheit und Nervosität, was an diesem Tag passieren wird.

Mitglieder der dezentral organisierten Oppositionsbewegung befürchten, dass die Regierung rund um den 28. Dezember wieder gewaltvoll gegen die Protestierenden vorgehen könnte. Derzeit fährt die demokratische Oppositionsbewegung eine Strategie der diversen Demonstrationen, bei denen seit mehr als einer Woche jeden Tag bis zu 20 Märsche aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen, Szenen und Regionen jeweils zum Parlament marschieren.

Die Proteste vor dem Parlament sind vielfältig, friedlich, kreativ und humorvoll. Die Rustaveli Avenue entwickelt sich jeden Abend zu einer Art demokratischem Jahrmarkt mit Gesang, Diskussionen und einem Zusammentreffen der Opposition.

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