Pimmelgate SüdAugsburger Beleidigungsposse ist beendet

Das Pimmelgate von Augsburg ist beendet, das Verfahren wurde nach fast zwei Jahren eingestellt. Doch es bleibt ein fahler Nachgeschmack und Abschreckung für all jene, die sich online Hetze entgegenstellen.

Stadtansicht von Augsburg, im Vordergrund eine Aubergine
Im beschaulichen Augsburg sorgte ein Pimmelgate-Skandal für Aufregung. CC-BY-SA 4.0 Stadtansicht: Diego Delso

Ein Facebook-Post im Oktober 2021 zog ein bis heute andauerndes Verfahren nach sich: Ein Augsburger Klimaaktivist postete als Kommentar zum Facebook-Post eines AfD-Politikers einen Link zu einem Medienbericht. Das erzeugte ein Vorschaubild, darauf der Schriftzug „Andy, Du bist so 1 Pimmel“. Der Stadtrat Andreas Jurca scheint sich durch diesen automatisch angezeigten Bildausschnitt offenbar angesprochen gefühlt haben.

Wer hinter der Verlinkung stand, war leicht festellbar: Alexander Mai postete mit einem Facebook-Account, der seinen Klarnamen enthielt. So stand einige Monate nach dem Posting die Augsburger Polizei mit der Abteilung Staatsschutz vor seiner Tür, durchsuchte seine Wohnung und beschlagnahmte technische Geräte. Der Vorwurf: strafbare Beleidigung.

Abschreckung für andere

Über das Verfahren gab es internationale Berichterstattung, es wurde mehrfach als überzogen kritisiert. Ein ähnliches Verfahren aus der Hansestadt Hamburg war bereits viel früher erledigt. Heute wurde es auch im Augsburger Fall nach wiederholtem Verschieben des Gerichtstermins vor dem Amtsgericht Augsburg eingestellt.

Auch wenn das Pimmelgate-Süd-Verfahren nun erledigt ist, kritisiert Mai die abschreckende Wirkung der Ermittlungen: „Wie werden sich andere fühlen, wenn schon ein Zeitungslink zu Hausdurchsuchungen führen kann?“, fragt der Mathematiker nach dem Prozess. Er bezieht sich dabei auch auf die Augsburger Oberbürgermeisterin, die dazu aufgerufen hatte, sich auch online gegen rechte Hetze einzusetzen.

Verurteilungen in anderen Punkten

Einer der weiteren Punkte im heutigen Prozess waren Vorwürfe wegen Veröffentlichung von Dokumenten zu dem entsprechenden Fall. Mit dem Durchsuchungsprotokoll der Polizei, welches Mai unerlaubt veröffentlicht hatte, wollte der Klimaaktivist darauf aufmerksam machen, dass er während der Durchsuchung nicht von seinem Telefon aus seine Anwältin anrufen durfte.

Zudem hatte Mai Stadtrats- und Ausschussprotokolle erstellt und veröffentlicht, in denen er unter anderem Mitglieder der AfD-Fraktion mit beleidigenden Ausdrücken bezeichnet hatte. Verhandelt wurde außerdem ein dreistündiger Kletterprotest zur Rettung von Bäumen. Bezüglich dieser drei Punkte erlegte das Gericht Mai eine Strafe von insgesamt 80 Tagessätzen auf. Das Amtsgericht Augsburg hat die Strafen gegenüber netzpolitik.org bestätigt, es können noch Rechtsmittel eingelegt werden.

Hinweis: Zunächst war von einem Oberbürgermeister die Rede. Es handelt sich aber um eine Oberbürgermeisterin. Wir haben das korrigiert.

8 Ergänzungen

  1. Die Staatsanwaltschaft Augsburg ist eine Strafverfolgungs- und Vollstreckungsbehörde des Freistaats Bayern. Insofern braucht man sich nicht zu wundern, dass politisch instrumentalisierbare Ermittlungen sich hinziehen, denn es ist ja die anhaltende Einschüchterung und Repression, die ihre Wirkung entfalten soll – auch wenn die Sache selbst unzutreffend oder belanglos ist. Kritikwürdiger Verfahren der Staatsanwaltschaft Augsburg haben in der deutschen Wikipedia bereits eine veritable Historie hinterlassen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsanwaltschaft_Augsburg#%C3%96ffentliche_Kritik_an_der_Arbeitsweise

    Daraus ein Beispiel unter vielen:
    2020 ließ die Staatsanwaltschaft Augsburg, Abteilung „Staatsschutz“, das Zimmer einer 15-jährigen Schülerin durchsuchen, fünf Monate nach einer konsumkritischen Sprühkreide-Aktion, mit der Begründung „Gefahr im Verzug“. Sie erlitt dadurch eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Das Verfahren wurde später still eingestellt.

    Das Augsburger Pimmelgate ist indes dort noch nicht erwähnt. (Wikipedianians hopp! hopp!)

    Es stellt sich schon die Frage, angesichts der Häufung solcher Fälle, ob die Staatsanwaltschaft Augsburg genau das tut, was in der Staatskanzlei stillschweigend erwartet wird, und/oder ob dort eine einseitige Gesinnung vorherrscht

  2. NP-Zitat: (…) „Wie werden sich andere fühlen, wenn schon ein Zeitungslink zu Hausdurchsuchungen führen kann?“ (…)“

    Auch im behördlichen „Problembundesland Hessen“ (taz) sorgte ein polizeikritischer Link im Oktober 2019 für eine Hausdurchsuchung und diesbezügliche mediale Aufmerksamkeit:

    „Fragwürdige Polizeiaktion in Hessen/ Kritik an Todesschüssen unerwünscht

    Vor zwei Jahren erschoss ein Beamter in Fulda einen Geflüchteten. Bis heute sieht sich die Polizei durch kritische Stimmen in ihrem Ansehen gefährdet. (…)
    Schadt wird vorgeworfen, auf der Facebook-Seite des Netzwerks „Fulda aktiv gegen Rassismus“ (AGR), auf der er als Kontaktperson angegeben ist, einen Artikel des Online-Portals Belltower News verlinkt zu haben. (…)“ (taz.de, 17.4.20)

    https://taz.de/Fragwuerdige-Polizeiaktion-in-Hessen/!5679277/

  3. Hmm, also die Sache wird nicht ermittelt, sondern das Ermitteln? Es mag Situationen geben, um nicht allgemein aus zufälligen Grunden im Raum stehende Tatbestände aufbauschen zu müssen, wo Beweise gesichert werden müssten, z.B. Korruption im Amt u.ä., aber Nahnichtiges darf einfach nicht zu solchen Eskapaden führen. Es liegt nahe, dass man hier nach mehr schauen wollte, und wir hier einfach ein weiteres mal sehen, dass uns an so einigen Stellen die Checks and Balances fehlen. Das ist eigentlich schon irgendwie bescheuert.

  4. Selbstverständlich ist das rechte Gesinnungjustiz. Wie soll man das Vorgehen der Staatsanwaltschaften in beiden Pimmelfällen sonst werten? In Hamburg mag noch der Kotau vor dem Innensenator einen Einfluss gehabt haben. Auch wenn diese kriecherische Untertanentum sicher alles nicht ist, außer rechtskonservativ.
    Müsste nicht die Bundesstaatsanwaltschaft Verfahren wegen Amtsmissbrauchs gegen die Staatsanwaltschaften in Augsburg, Fulda und Hamburg führen?

    1. Das ist nicht „rechte“ oder „linke“ Gesinnungsjustiz sondern einfach Staatshörigkeit. Die Rechten werden genauso hausdurchsucht, wenn sie den IQ von Annalena B. bewerten oder Querdenker, wenn sie sich mit wenig sensiblen Worten über den Gesundheitslobbyisten äußern, der temporär unser Gesundheitsminister ist. Es gibt genügend Beispiele dafür und mit §88 StGB auch eine Rechtsgrundlage, die die Strafbarkeit der „Majestätsbeleidigung“ auf alle Politiker ausweitet.

    2. > Müsste nicht die Bundesstaatsanwaltschaft Verfahren wegen Amtsmissbrauchs gegen die Staatsanwaltschaften in Augsburg, Fulda und Hamburg führen?

      Die Bundesstaatsanwaltschaft ist eine schweizerische Behörde mit Hauptsitz in Bern.

      Die Generalstaatsanwaltschaft (abgekürzt: GStA, GenStA) ist in Deutschland die bei einem Oberlandesgericht gebildete Staatsanwaltschaft; sie ist eine Behörde des jeweiligen Bundeslandes. Sie ist nicht zu verwechseln mit dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof.

      Als Einzelstraftatbestand existiert der klassische Amtsmissbrauch in Deutschland nicht mehr.
      https://de.wikipedia.org/wiki/Amtsmissbrauch_(Deutschland)

  5. „Die Rechten werden genauso hausdurchsucht, wenn sie den IQ von Annalena B. bewerten“

    Haben Sie da auch Belege für Ihre Aussage?

Wir freuen uns auf Deine Anmerkungen, Fragen, Korrekturen und inhaltlichen Ergänzungen zum Artikel. Bitte keine reinen Meinungsbeiträge! Unsere Regeln zur Veröffentlichung von Ergänzungen findest Du unter netzpolitik.org/kommentare. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.