Sexualisierte Gewalt gegen Kinder„Der Gesamtüberblick fehlt komplett“

Wie hat das Internet sexualisierte Gewalt verändert? Was hilft dabei, Kinder zu schützen? Und was sind nur Scheinlösungen? Ein Interview mit Daniel Moßbrucker.

schwarz-weiß Bild eines Fensters in einer schwarzen Wand
Wir sehen immer nur Ausschnitte des Problems. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Josh Nuttal

Monatelang hat der Journalist Daniel Moßbrucker mit einem Recherche-Team des Panorama-Magazins (ARD) und STRG_F (NDR/funk) recherchiert, wie Alltagsfotos von Kindern in Foren für Pädokriminelle landen. Nach dieser Recherche machte er weiter. Im September hat er ein Buch veröffentlicht – „Direkt vor unseren Augen: Wie Pädokriminelle im Internet vorgehen – und wie wir Kinder davor schützen“.

Wir haben mit Moßbrucker darüber gesprochen, welche verschiedenen Bereiche zu sexualisierter Gewalt im Netz gehören, warum die politische Diskussion oft zu kurz greift und was uns beim Überblick über die Probleme fehlt.

netzpolitik.org: Was hat dich dazu bewegt, ein Buch zu so einem schwierigen Thema zu schreiben?

Daniel Moßbrucker: Ich habe über Darknet-Foren für Pädokriminelle recherchiert und währenddessen gedacht: „Wahnsinn, Du lernst gerade so viel über eine ganz andere, parallele Welt.“ Aus guten Gründen ist diese Parallelwelt für die Mehrheit der Menschen komplett unbekannt. Wir wollen da gar nicht sein und wir dürfen das auch nicht. Aber in einem journalistischen Beitrag, den man daraus am Ende macht, kann man nur einen Teil des Ganzen erklären.

Ich habe zunehmend verstanden, wie diese ganzen Mechanismen funktionieren, die Denkweisen, wie in dieser Szene das Darknet mit dem Clearweb zusammenhängt. Das mal ausführlicher zu schildern, fand ich wichtig, weil es häufig Thema in politischen Diskussionen ist. Aber auch, weil bei Menschen, die sich nicht täglich mit Pädokriminalität befassen, natürlich Fragen auftauchen. Zum Beispiel: Welche Fotos kann ich eigentlich von meinen Kindern bei WhatsApp teilen?

Und dann meldete sich auch eine Buchagentin, nachdem wir unsere Recherche veröffentlicht hatten. Da dachte ich: Wenn ich denke, dazu könnte man ein Buch schreiben, und eine Agentin sich meldet, dann passt das ja.

Im Darknet zeigt sich nur ein kleiner Teil des Ganzen

netzpolitik.org: Du hast zwar mit den Recherchen zu Pädokriminalität im Darknet angefangen, aber in deinem Buch geht es ja um noch viel mehr. Was gehört eigentlich dazu, wenn wir von sexualisierter Gewalt gegen Kinder im Netz reden?

Daniel Moßbrucker: Das, was ich im Darknet recherchiert habe, ist sozusagen der krasseste Teil des Ganzen. Da trifft sich – in Anführungszeichen – die Elite der Pädokriminellen, die auch technisch sehr versiert ist. Das ist aber nur ein kleiner Teil des Ganzen, wie im Analogen. Da haben wir beim Thema sexualisierter Gewalt gegen Kinder oft ein Bild von einem Mann vor Augen, der irgendwo im Gebüsch hockt und dann ein Kind vom Fahrrad reißt, verschleppt und missbraucht. Das ist eine Schreckensvorstellung und es gab ein paar solcher Kriminalfälle. Es sind aber eher Ausnahmen im Promillebereich.

Ich habe für das Buch viel mit Leuten gesprochen, die mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt zusammenarbeiten. Und interessanterweise kann man sagen, dass sexualisierte Gewalt an Kindern durch die Digitalisierung eigentlich in allen Bereichen, die es vorher schon gab, an Dynamik gewonnen hat. Ein Bereich sind etwa ganz klassische Anbahnungsversuche von Erwachsenen an Kinder.

Der „Normalfall“ von sexualisierter Gewalt passiert im sogenannten Nahbereich: in der eigenen Familie, im eigenen Freundeskreis, der Familie, in der Nachbarschaft, im Sportverein, in der Schule, in den Kindertagesstätten. Überall dort, wo Erwachsene sehr intensiv ein Vertrauensverhältnis mit den Kindern aufbauen können.

netzpolitik.org: Wie hat Digitalisierung dort das Problem verändert?

Daniel Moßbrucker: Smartphones haben es den Tätern und Täterinnen sehr viel einfacher gemacht, Machtbeziehungen weiter zu festigen, die es immer schon gab und immer auch geben wird.

Der Sozialarbeiter Lukas Weber hat das im Buch sehr schön beschrieben. Es war immer schon schwierig für Kinder, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, davon loszukommen und abzuschalten. Aber ohne Smartphone oder WhatsApp war es noch möglich – nach dem Sportunterricht war da der Täter ja erst mal weg bis zum nächsten Trainingslager oder zum nächsten Wettkampf.

Sexualisierte Gewalt an Kindern hat viele Formen

Heute schreibt er dann nach dem Training vielleicht: „Du siehst so toll aus, wenn wenn du diese Übung machst. Ich freue mich schon auf das nächste Mal.“ Und wenn das Kind nicht reagiert hat bis zum Morgen, wird geschrieben: „Warum antwortest du mir denn nicht? Magst du mich nicht mehr?“ Es hat keine Ruhe mehr.

Die digitale Dimension baut darauf auf, was im Analogen passiert: Egal ob es um physische Übergriffe geht oder das Verschicken von anzüglichen Fotos, das Kommentieren von Äußerlichkeiten an Kindern und anderes. All das ist sexualisierte Gewalt an Kindern.

netzpolitik.org: Gibt es in der digitalen Welt auch neue Phänomene, die es vorher nicht gab?

Daniel Moßbrucker: Was heutzutage noch dazukommt und wo die Kinder vielleicht sogar gar nichts mehr davon mitbekommen: Wenn sie oder die Eltern Fotos verschicken, die dann von Pädokriminellen kopiert werden. Das sind häufig sehr harmlose Bilder, die dann wiederum aber in Foren von Pädokriminellen kommentiert werden.

Und dann gibt es den großen Bereich des Cyber-Grooming, also wo Kinder etwa in Computerspielen von Unbekannten in Chats verwickelt werden. Auch dort geht es meistens darum, dass die Kinder am Ende Aufnahmen von sich machen sollen. All das wird subsumiert unter diesem großen Begriff der sexualisierten Gewalt an Kindern.

netzpolitik.org: Wie gut ist denn der Überblick, wie groß die Probleme sind? Kann man diese verschiedenen Bereiche überhaupt beziffern?

Daniel Moßbrucker: Aus meiner Sicht kann man das nicht und das ist eines der größten Probleme in dieser Diskussion. Vor allem die politische Diskussion lebt von Schreckenszahlen. Das sage ich nicht, um irgendwas zu verharmlosen. Während der Recherche für das Buch habe ich herausgefunden, dass ab Mitte der 2000er immer neue Zahlen herausgegeben wurden. Was davon hängen blieb: Das Problem ist ganz, ganz groß.

Nur singuläre Zahlen

Diese Zahlen waren aber immer singulär: Mal sagt Interpol, so viele 100 oder 1.000 Kinder haben wir gerettet. Eine andere NGO sagt, so viele Bilder sind im Umlauf. Dann sagt eine Polizeibehörde, so viele Webseiten wurden abgeschaltet. Aber der Gesamtüberblick, der fehlt komplett. Ich wage die These, dass niemand auf dieser Welt weiß, wie groß die Dimensionen sind.

Ich bin mir mittlerweile relativ sicher, dass rein quantitativ die Zahl der Personen, die in den Darknet-Foren regelmäßig aktiv sind, am geringsten ist. Das hat vor allen Dingen den Grund, dass es natürlich eine technische Hürde ist, da reinzukommen. Es ist auch nicht ganz einfach, sich dort einzunisten. Ich habe mittlerweile mit mehreren Betreibern solcher Foren anonym gechattet und gehe von wenigen 10.000 Menschen aus, die solche Foren regelmäßig aufsuchen.

Das sind ganz andere Dimensionen als beim Cybergrooming. Da gibt es viel mehr Täterinnen und Täter, weil es einfacher ist. Da gibt es mehr betroffene Kinder, da gibt es mehr Menschen, die in Online-Games unterwegs sind. Wir konnten auch näherungsweise durch unsere Recherchen ermitteln, wie viele Fotos kopiert und woanders veröffentlicht werden. Dort reden wir vermutlich über eine Anzahl von Fotos im hohen einstelligen Millionenbereich, die so zirkulieren.

Aus meiner Sicht ist es aber unmöglich, sexualisierte Gewalt im Netz vollständig zu beziffern. Wichtig ist mir aber: Wir dürfen nicht vergessen, dass gerade der physische Missbrauch von Kindern häufig ohne digitale Spuren praktiziert wird, wenn es beispielsweise in der eigenen Familie passiert.

netzpolitik.org: Politische Forderungen zu dem Thema drehen sich oft um Repression und neue Ermittlungsbefugnisse. Aber welche Möglichkeiten gibt es denn schon heute?

Daniel Moßbrucker: Was funktioniert, ist der Ansatz „Löschen statt sperren“. Das bedeutet: Wenn du zum Beispiel bei Instagram ein Bild siehst und denkst, das kann nicht legal sein, dann kannst du das melden. Zum Beispiel bei Jugendschutz.net, eco, FSM und oder direkt bei jeder Polizeibehörde inklusive dem BKA. Und dann gibt es beim BKA eine Einheit, die die Provider anschreibt und sagt: „Hey, das ist illegal, nehmt das aus dem Netz.“ Dafür gibt es Personal und die Sachen verschwinden meist schnell. Das läuft gut.

Ermittlungserfolge für die Abschreckung

Was nicht so gut läuft: Dieses Löschen konzentriert sich nur auf Inhalte, die im Clearweb verbreitet werden. In Darknet-Foren werden auch viele Links zu Hosting-Anbietern im Clearweb geteilt. Die könnte man auch löschen lassen, das passiert aber nicht konsequent.

Man muss auch anerkennen, dass gerade das deutsche BKA einige Erfolge hatte, Täter zu ermitteln. Solche Erfolge sind vor allem zur Abschreckung wichtig. Ein richtiger Schlag gegen die Szene ist es aber nicht, denn es dauert oft nur wenige Wochen, bis ein Nachfolge-Forum da ist. Mit den identischen Inhalten – nur von anderen Leuten betrieben. Das heißt, der Effekt dort ist nicht sehr nachhaltig.

netzpolitik.org: Was kann man außerhalb der Strafverfolgungsbehörden tun?

Daniel Moßbrucker: Die politischen Diskussionen haben sich vor allem auf repressive Maßnahmen konzentriert. Im Bereich der Prävention gibt es weniger Interesse, dazu zählt zum Beispiel die personelle und finanzielle Ausstattung von Beratungs- und Aufklärungsstellen. Ich habe mit vielen dieser Beratungsstellen gesprochen und alle klagen darüber, dass sie jedes Jahr erneut Anträge schreiben und um Stellen kämpfen müssen. Sie sind extrem abhängig von staatlichen Geldern und es gibt ein wahnsinniges Kompetenzwirrwarr, sodass Expertinnen und Experten teilweise nicht den Überblick haben, in welchem Bundesland jetzt wer zuständig ist. Und am Ende ist gar keiner zuständig.

Wir fragen zu wenig, wie wir Betroffenen von sexueller Gewalt helfen können und wie die Jugendämter ausgestattet sind. Wo man meiner Meinung nach am meisten ansetzen müsste, ist die Frage der sogenannten Schutzkonzepte.

Rund drei Viertel der Taten passieren im sogenannten sozialen Nahfeld. Das heißt: Institutionen wie Schulen, Kindergärten und Sportvereine müssen ein Schutzkonzept gegen sexuelle Gewalt entwickeln. Es gibt Mechanismen, wie man eine Institution strukturell so umbauen kann, dass es sehr viel unwahrscheinlicher wird, dass es zu einem Ausnutzen von Vertrauensverhältnissen zwischen Kindern und Erwachsenen kommt. Zum Beispiel, dass nicht drei Jahre lang nur ein einziger Erwachsener im Verein mit einem Kind zu tun hat.

Es gibt zu wenig Schutzkonzepte

Bis zum heutigen Tag haben gerade einmal fünf Bundesländer diese Schutzkonzepte an Schulen für verpflichtend erklärt, nämlich in Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Aber das heißt längst nicht, dass jede Schule dort wirklich eines hat. Dabei wäre das wahnsinnig wichtig und würde wahrscheinlich signifikant mehr bringen in der Prävention und in der Verhinderung von Taten als manche digitale Ermittlungsmaßnahme.

Es bringt aber auch nichts, Prävention gegen Repression auszuspielen. Es ist ja auch völlig nachvollziehbar, dass der Staat sagt: Das sind schwere Straftaten. Wir müssen immer wachsam sein, ob unsere Strafverfolgungsbehörden noch in der Lage sind, diese Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Aber auch dort ist dann eben die Frage: Was brauchen wir wirklich?

netzpolitik.org: Was denkst du zu den aktuellen Forderungen rund um Vorratsdatenspeicherung und Chatkontrolle?

Daniel Moßbrucker: Ich will gar nicht sagen, dass zum Beispiel eine Vorratsdatenspeicherung gar nichts bringt. Wenn der Staat auf deutlich mehr Daten zugreifen kann, wird er auch wahrscheinlich mehr Treffer haben. Die Frage ist nur: Wie steht das im Verhältnis zu dem Eingriff und können wir damit rechnen, dass sich diese Szene dem anpasst? Und ich glaube, das wird sie tun. Das hat sie bisher immer getan.

Wenn es eine Vorratsdatenspeicherung geben würde, würden auch die letzten Pädokriminellen, die jetzt noch ohne Anonymisierungswerkzeuge im Netz sind, umsteigen. Es gibt schon jetzt sehr viele Hinweise für Ermittlungsbehörden, aber oft bleiben etwa beschlagnahmte Handys mehrere Monate bei der Polizei liegen, ohne dass sie ausgewertet werden. Personalmangel in den Behörden ist ein wichtiges Thema. Und mit mehr Ermittlungsbefugnissen gäbe es noch mehr Daten, die man auswerten müsste.

Der politische Diskurs ist verkürzt

Ein Staatsanwalt, der nicht namentlich genannt werden wollte, hat es auf den Punkt gebracht. Er hat gesagt, dass eine Vorratsdatenspeicherung schon helfen könnte. Aber er jetzt schon Angst vor dem Tag hat, wo es diese ganzen Daten gibt, weil die Behörden damit personell völlig überfordert wären. Das hört man in der Diskussion aber nur selten. So funktioniert Politik: scheinbar einfache Lösungen für komplexe Probleme.

Mich stört vor allem, dass der politischen Diskussion einfach nichts anderes einfällt als immer wieder diese Dauerbrenner aus der Schublade zu holen und damit ja auch wahnsinnig viel politischen Diskurszeit aufzubrauchen, in der man eigentlich auch andere Dinge diskutieren könnte und sollte. Die Chatkontrolle ist dafür das jüngste Beispiel.

Maßnahmen wie ein Schutzkonzept zu erarbeiten, braucht natürlich viele Ressourcen. Das ist teuer, das wollen sich viele politische Verantwortliche schlichtweg nicht leisten und setzen andere Prioritäten. Und deswegen wird der politische Diskurs auf diese repressiven Maßnahmen verkürzt. Und das ist, glaube ich, der Kern des Problems.

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13 Ergänzungen

  1. Bei der Diskussion um den digitalen Einfluss werden folgende Fragen völlig vernachlässigt:

    Müssen Kinder wirklich ein Smartphone haben? Reicht nicht ein „normales“ Handy, um kurz mit den Eltern oder anderen Kindern zu sprechen?
    Warum werden Smartphones als Statussymbol glorifiziert und dadurch bei Kindern sozialer Druck ausgeübt, auch eines haben zu müssen?

    Warum dürfen Kinder schon an einen „vollwertigen“, internetfähigen Rechner? Warum bekommen sie eigene Internet-Chatkonten? Warum läuft es nicht über einen elterlichen Account, der von diesen eingesehen werden kann? Im realen Leben fragen (gute) Eltern auch, mit wem sich ihre Kinder rumtreiben.

    Die Antwort lässt sich ableiten: Es geht primär nicht um die Kinder. Es geht – wieder mal – um viel Geld, um die Macht der Konzerne, die unbedingt ihre Vision vom volldigitalisierten, jederzeit beeinfluss- und konditionierbaren Bürger verwirklicht sehen wollen.

    Und deshalb wird mit der Abhängigkeit von Kindern nicht nur mit an der Supermarktkasse in Augenhöhe platzierten Süßigkeiten, sondern auch mit der hochproblematischen Maxime gearbeitet, Kinder müssten so früh wie möglich ans Digitale gewöhnt werden – koste es, was es wolle. Immer mehr Kurzsichtige? Kollateralschaden! Immer weniger Lese- und Rechenkompetenz? Kollateralschaden! Die paar Grooming-Vorfälle? Kollateralschaden!

    Und da die Politik der Wirtschaft bekanntlich niemals reinredet, wird sie auch niemals einfache, grundrechtsfreundliche Methoden etablieren, sondern stattdessen „das Problem“ dystopisch lösen wollen. Demokratie in Gefahr? Kollateralschaden!

    Das Problem liesse sich einfach lösen – gesellschaftlich! Aber das ist nicht gewollt …

    1. > Die Antwort lässt sich ableiten: Es geht primär nicht um die Kinder.
      Das ist zu unspezifisch. Es geht schon um die Kinder, aber aus unterschiedlichen Interessenlagen.

      Dem Staat geht es primär um das Kindeswohl im legalen Rahmen.
      Den Eltern geht es primär um das Wohlergehen ihrer Kinder.
      Der Wirtschaft geht es um Geschäftsbereiche und Konditionierung zum Konsumenten.

      > Das Problem ließe sich einfach lösen – gesellschaftlich!
      Einfache Lösungen für komplexe Probleme?
      Wenn es so einfach wäre, warum beglückst Du uns nicht mit Deiner Lösung?

      > Aber das ist nicht gewollt …
      Wohlfeile Rhetorik am Schluss. Schade! Dabei waren die Fragen am Anfang gar nicht so schlecht.

    2. @Jedi Ritter: „Müssen Kinder ein Smartphone haben“, fragst Du. Ich frage Dich: „Warum lässt Du Deine Angst vor angenommenen Tätern das Leben Deiner Kinder bestimmen?“.
      Aus Angst handeln, das machen sonst doch nur die Rechten…

      1. a/Jedi Order: Keine Angst, ich habe keine Angst. Wen oder was meinen Sie mit „angenommenen“ Tätern? Was hat das mit „den Rechten“ oder anderen Gruppierungen zu tun? Ich sehe keinen Zusammenhang.

        Mir geht es darum, Digitalisierung nicht als Zwang oder Ideal zu betrachten, sondern als etwas, bei dem man Sinn und Zweck (nicht zuletzt wegen vieler, hier diskutierter anderer Aspekte) kritisch hinterfragen muss, bevor man in der Politik zu Maßnahmen greift, die unserer Gesellschaft viel mehr schaden als nützen, anstatt zuerst „einfache(re)“ (!) Wege zu gehen.

        Jedi Order: „Das ist zu unspezifisch.“

        Nein. Natürlich geht es Eltern um das Wohl ihrer Kinder (sollte es jedenfalls). Aber warum diese dann nicht mit Medienkompetenz begleiten anstatt sie in ihrem Zimmer mit meist überdimensionierter Technik zuzustopfen und sich selbst zu überlassen?

        Natürlich geht es auch dem Staat um das Kindeswohl. Aber warum dann keine Medienerziehung in Kindergarten und Schule? Warum keine Stellen für darin geschulte ITler und Pädagogen? Warum keine Verankerung des Datenschutz-Themas in Politik, Lehrplänen etc. und entsprechende Sensibilisierung der Gesellschaft und damit der Eltern und ihren Kindern?
        Warum glauben Bildungspolitiker, dass das frühzeitige Chatten im Internet für Kinder wichtiger sei als soziale Kernkompetenzen im realen Leben? Ein Smartphone macht weder intelligenter, lernwilliger noch sozial erfahrener.

        Und die Wirtschaft? Sie passt sich diesem Glauben naturgemäß an und fördert ihn. Warum nicht stattdessen ein kinderfreundliches, modulares Handy entwickeln, bei dem „gefährliche Dinge“ erst gar nicht aufgerufen werden können?

        Wenn Sie meine Fragen als Antworten verstehen, kommen Sie zu möglichen, einfachen und vor allem grundrechtsfreundlichen Lösungen. Wenn diese gewollt sind (!), kosten sie zwar etwas Geld, aber es geht doch um die Kinder …

  2. Ihr schreibt selbst: „Ich wage die These, dass niemand auf dieser Welt weiß, wie groß die Dimensionen sind.“

    Es wäre schön, wenn aus der Überschrift hervorginge, dass „Inzidenz gleich Null“ eine valide Möglichkeit ist.

    Es wird Zeit, dass jemand den Sicherheitsfanatikern ans Bein pinkelt. Sonst machen die immer weiter mit dem frei erfundenen Aber Unsere Kinder Geseier.

  3. Ich weiß nicht. Man spricht hier von „Überlastung“, aber „rettet“ im gleichen Atemzug irgendwelche Strichmännchen. Gepaart mit dem, unsäglichen und wiederholendem politischen Missbrauch von Kindesmissbrauch, um Überwachungsfantasien wahr werden zu lassen, fällt es mir schwer das Thema zu fassen.

    Sind geplante Vorhaben ernst gemeint, oder dienen sie als Karriereboost? Zur Überwachung? Wurde daher die Definition stetig erweitert soweit das ein Großteil der Täter Kinder sind, die es eig. zu schützen gilt?

    Das Vertrauen wurde hier durch das Reiten von toten Pferden nachhaltig geschädigt.

  4. Ich fände es gut, wenn nicht mehr von „Pädokriminellen“ gesprochen würde, sondern einfach von Missbrauchstätern oder schlicht von kriminellen Tätern.

    Natürlich lässt sich der obige Begriff semantisch begründen (pädo=kindlich), aber in den Köpfen der Menschen verknüpft er eben auch ganz stark Pädophilie mit Kriminalität. Die meisten Pädophilen sind aber nicht kriminell. Durch eine solche Wortwahl werden im Endeffekt somit sozialer Hass und Ausgrenzung gegen eine gesellschaftliche Minderheit verstärkt.

    Man sollte sich einmal selber die Frage stellen: Hätte ich diese Neigung oder mein Sohn, würde ich mich dann öffentlich outen bzw. ihm zu einem Outing raten? Wenn die Antwort „nein“ lautet, dann ist das ein klares Zeichen dafür, dass in unserer Gesellschaft etwas falsch läuft.

    Niemand sollte auf Basis seiner sexuellen Identität Angst vor Ausgrenzung und Diskriminierung haben müssen. Da Menschenrechte universell sind, kann man hier auch nicht bei verschiedenen Gruppen unterschiedlich verfahren. Auch Pädophile sind Menschen und somit schutzwürdig.

    Dies soll jetzt aber kein Angriff gegen Netzpolitik sein. Ich lese diesen Begriff häufiger in verschiedenen Medien und es ist auch sicher ein Fortschritt, von Pädokriminellen zu schreiben statt einfach pauschal von Pädophilen zu sprechen, wenn man eigentlich Kriminelle meint. Es löst aber meiner Meinung nach das Grundproblem des negativen Framings nicht, welches zu Ausgrenzung führt.

    1. Volle Zustimmung, aber da bist du mit deiner Position schon wirklich fortschrittlich.
      Würdest du dich auch so öffentlich unter Klarnamen äußern?

      Ich kenne eine Gesellschaft, die sich für Menschenrechte einsetzt und selbst für solch eine Organisation war das Thema zu heikel als eine Gruppe von Pädophilen um Hilfe bzw. Tipps und Tricks bzgl. dem Einreichen einer Verfassungsbeschwerde gegen das Verbot von Sexpuppen. Die Gesellschaft hat „inoffiziell“ einen Vertreter geschickt der gemeinsam mit diesen Menschen gesprochen hat und so wurde immerhin dieses Problem im Grundrechte-Report 2022 erwähnt.

      Ist ein weiter Weg, der nur durch wegweisende Urteile aus dem BVerfG korrigiert werden kann. Der soziale Druck auf die Politik und die Medien ist zu Groß und ähnliche Stimmen wie deine wurden öffentlich auseinandergenommen.

    2. > Ich fände es gut, wenn nicht mehr von „Pädokriminellen“ gesprochen würde.

      Der Begriff Pädophilie (von altgriechisch παῖς paîs „Knabe, Kind“ und φιλία philía „Freundschaft“) bezeichnet das ausschließliche oder überwiegende sexuelle Interesse von Menschen an Kindern vor Erreichen der Pubertät. Sind die jeweiligen Bedingungen der verschiedenen diagnostischen Manuale erfüllt, wird Pädophilie als psychische Störung, genauer als Störung der Sexualpräferenz bzw. als paraphile Störung klassifiziert. Werden entsprechende Neigungen in Handlung umgesetzt, sind im Regelfall zugleich strafrechtliche Normen verletzt, die sexuelle Handlungen mit Kindern zum Gegenstand haben.

      In der medialen wie wissenschaftlichen Rezeption wird der Begriff Pädophilie nicht selten als Synonym für den sexuellen Missbrauch von Kindern bzw. Jugendlichen verwendet. Das ist insofern falsch, als weder der sexuelle Missbrauch von Kindern noch der sexuelle Missbrauch von Jugendlichen – anders als die Pädophilie – eine spezifisch auf diese Altersgruppen gerichtete Sexualpräferenz voraussetzt. Auch ist der Perversionsbegriff von jenem der Pädosexualität abzugrenzen, der ein abweichendes und in der Regel strafbares Sexualverhalten beschreibt, das jedoch nicht mit einer Pädophilie assoziiert sein muss. Für beide Begriffe gibt es keine Definition, auf die sich die Sexualwissenschaft oder andere wissenschaftliche Disziplinen geeinigt hätten, was ihre undifferenzierte Verwendung begünstigt.

      https://de.wikipedia.org/wiki/Pädophilie

      1. Pädophilie gilt seit 2022 nicht mehr ausschließlich als „Störung“. Es wird mittlerweile zwischen pädophiler Störung und pädophiler Präferenz/Neigung unterschieden. Das wäre auch merkwürdig, da kein schädliches Verhalten vorhanden ist solange Menschen keinen Kindern etwas antun, oder Missbrauchsmaterial konsumieren. Ebenfalls existieren Erwachsene mit einem kindlichen Körper, was nach Definition ihre Partner zu gestörten klassifiziert, da es per Definition erst einmal nur um das Körperschema geht.

        Jemanden als psychisch gestört zu bezeichnen, welcher zu sich selbst steht und sagt er wird kein Verbrechen begehen ist unlogisch.

        Da ist der englische Wikipedia-Artikel in dieser Hinsicht deutlich aktueller (liegt wohl daran, da diese neue Klassifikation in Amerika viel früher etabliert wurde.)

        Quelle: Kein Täter Werden, DSM-5 Pädophilie

  5. Als Lehrerin, die über zwanzig Jahre in NRW an vielen Schulen gearbeitet hat, muss ich sagen, dass man nicht überbewerten darf, was Schutzkonzepte bringen, die von chronisch überforderten Kollegien erarbeitet werden sollen, angetrieben von Didaktischen Leitungen und Schulleitungen, die vor allem immer die Schulprofilierung und Aussendarstellung im Blick haben.
    Es entsteht viel für die Schublade oder Homepage.

    Was zeichnet gute Schutzkonzepte aus? Bestimmt auch Menschen mit guten Überzeugungen und Praktiken.
    Welche Überzeugungen und Praktiken sind das, wie können sie umsetzbar gemacht werden?

    Warum wird das nicht stärker top down reingegeben und zur Tischvorlage gemacht? Warum muss jede Schule, Einrichtung etc das Schutzkonzept bottom up selbst entwickeln?

    1. Es gibt nicht besseres, als bottom-up Prozesse, wenn sie nachhaltig angelegt sind. Lokale Probleme können so effektiver angegangen werden. Außerdem wird dadurch mehr gelernt, und Reaktanz vermieden.

      Nützlich könnte es jedoch sein, dass mittels top-down solche Prozesse verpflichtend werden und Ergebnisse bottom-up und in die Breite anderen zur Verfügung gestellt werden, zur Diskussion, Kritik, Optimierung, Erfahrungsaustausch.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.