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Kann Hetenfeindlichkeit enthaltenEnde nicht gut

Dies ist die letzte Ausgabe von Jaschas Kolumne. Unser Autor hätte gern mehr optimistische Ausflüge ins Netz gemacht, aber die Realität sieht anders aus.

Ein rotes Ampellicht
Hier ist erstmal Schluss, aber das Thema ist noch lange nicht erledigt. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Erwan Hesry

Willkommen zur zehnten Ausgabe von „Kann Hetenfeindlichkeit enthalten“. Dies wird auch die letzte Ausgabe sein, denn ich habe beschlossen, die Kolumne nicht weiter zu führen – meine Prioritäten und die Dinge, für die ich Ressourcen aufbringen kann und will, haben sich in den letzten zwölf Monaten verschoben.

Letztes Jahr hatte ich geschrieben, dass ich mir sicher bin, dass 2023 das Selbstbestimmungsgestz kommen wird. Einen Referentenentwurf gibt es mittlerweile. Aber die Hälfte von 2023 ist schon vorbei. Damals dachte ich, dass es sich wirklich nur noch um wenige Monate handeln würde, bis ich endlich zum Amt gehen kann, um meine amtlichen Eintragungen berichtigen zu lassen.

Der Justizminister Marco Buschmann ist mit für die Gestaltung des Gesetzes verantwortlich und versagt dabei komplett. Der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann hat auf seiner Website eine achtseitige Stellungnahme veröffentlicht, die vor allem den sogenannten „Hausrechtsparagraphen“ kritisiert.

Dieser Teil des Gesetzes sagt im Endeffekt – ich übertreibe-, dass Frauen, die nicht genug nach Frau ausehen, aus der Frauensauna geworfen werden dürfen. Schon heute werden cis-geschlechtliche Frauen bedroht und geschlagen, weil andere glauben, sie wären trans.

Erst kürzlich geschah das einer 86-jährigen dementen Frau. Sie wurde geschlagen und in eine Mülltonne gesteckt. Der Hausrechtsparagraph im Selbstbstimmungsgesetz erlaubt am Ende, diejenigen aus der Sauna zu werfen, die nicht irgendwelchen Schönheitsnormen entsprechen.

Eine neue „Trans Panic“

Ich habe das Gefühl, wir erleben eine Art „Trans Panic“, die der „Satanic Panic“ in Nichts nachsteht. Schon 2011 wurde Schwedens Fußballnationalmannschaft der Frauen gezwungen, sich auszuziehen und anhand ihrer Genitalien zu beweisen, dass sie Frauen sind und teilnehmen dürfen. Und fast wöchentlich werden weitere Fälle publik, in denen Menschen aufgrund ihres Aussehens unterstellt wird, trans zu sein und die deswegen körperliche Gewalt erfahren.

Die Gefahr für cis Frauen geht in den meisten Fällen von cis hetero Frauen und Männern aus. Eine Neunjährige soll bei einem Sportwettbewerb aufgrund ihrer kurzen Haare für trans gehalten und von den Großeltern einer anderen Teilnehmerin deswegen belästigt worden sein, die wohl auch die Eltern des Kindes hart angingen.

Marco Buschmann unterstützt so ein Klima gegen Frauen, gegen trans Personen und gender-nonkonforme Personen. Als Minister, der dieses Gesetz mitverhandelt, scheint er dafür völlig ungeeignet zu sein. Ich empfehle Jeja Kleins Text auf queer.de, in welchen Punkten sein
Gesetz trans Personen gefährdet.

Die Zustände der Herrschenden

Ich hätte gerne mehr optimistische Ausflüge durch das Netz gemacht, die Zustände erlauben es aber nicht. Ich weiß leider nicht mehr, wer gesagt hat: „Die herrschenden Zustände sind leider immer die Zustände der Herrschenden“. Die Herrschenden geben queeren Menschen gerade genug, um nicht vollends unterzugehen, verpassen ihnen dabei noch einen Tritt und fragen dann, was denn los sei. Denn wir dürfen ja heiraten.

Um die Herrschenden bei der nächsten Wahl auszutauschen, brauchen wir aber die Unterstützung anderer, nicht-queerer Menschen. Wir brauchen sie von denen, die sich nicht bei dem Anblick eines Regenbogens vor Angst in die Hose machen und die auch wissen, dass die Benutzung eines Gendersterns nicht den Untergang der Sprache und der Zivilisation bedeutet.

Jetzt, zum Ende dieser Kolumne, möchte ich mich bedanken: Bei der Redaktion von netzpolitik.org, die mir den Platz auf dieser renommierten Seite zur Verfügung gestellt hat, meine Texte redigiert und gegengelesen hat und generell unterstützend tätig war. Das war manchmal definitv notwendig. Ich bedanke mich bei den Lesenden, die sich die Zeit genommen haben, meine Ausgaben zu lesen und auch weiter zu verlinken.

Ich hoffe, alle bleiben netzpolitik.org gewogen und werden auch weiterhin die Beiträge der hier veröffentlichenden Journalist*innen und Kolumnist*innen lesen. Netzpolitik ist und bleibt auch immer Gesellschaftspolitik.

Anmerkung der Redaktion: Durch einen Übersetzungsfehler hieß es zuerst, die 86-jährige Frau habe im Rollstuhl gesessen. Das haben wir korrigiert.

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16 Ergänzungen

  1. Mal bedacht, dass die absolut einseitg kompromisslose Haltung ohne Rücksicht auf die Wahrnehmung und Realität Dritter letztlich dieses Misstrauen bestärkt?

    „Was A als für sich richtig bezeichnet, müssen alle anderen genau so und mit allen Konsequenzen für alle anderen immer akzeptieren“ ist halt ein maximal konfrontatives Konzept.

  2. Schöne Kolumne und leider so wahr.
    Da fehlt glaube ich ein „l“ :“Schon heute werden cis-geschechtliche Frauen bedroht und geschlagen, weil andere glauben, sie wären trans.“ „cis-geschlechtliche

  3. Danke für das Verlinken der Quelle..
    Zur vollständigen Berichterstattung gehört aber, dass der Täter gefasst und zu 2,5 Jahren Haft verurteilt wurde. Also nicht, wie implizit unterstellt, sowas „legal“ ist.
    Das zweite Beispiel .. diesselbe Methode : „reports that the school district is in the process of banning the man“.
    Überhaupt ist es immer interessant wie sich woke Minderheiten Beispiele aus 1000 km entfenrten Ländern bedienen.
    Mit solchen Stilmitteln demontiert man seine Ideologie selbst.

    PS:
    – Regenbögen waren schön bis sie als Kampf-Symbol missbraucht wurden.
    – Bei falscher Rechtschreibung geht nichts unter , muss man eben mehr mit Rotstift korrigieren.

  4. Es scheint mir als „nicht-queerer Mensch“ vielmehr, dass wir „Euere“ Unterstützung benötigen, um Menschen nicht mehr zu diskreditieren, nicht zu schlagen oder gar sie nicht in Mülltonnen zu werfen. Im wahrsten Sinn des Wortes ist das unglaublich (peinlich und unmenschlich).

    Eigentlich wollte ich einzig sagen, meine Solidarität hättet „ihr“. Die Menschen, von denen hier gesprochen wird (also ihr?) und von denen ich einige wenige ein klein wenig kennen lernen durfte, „die“ sind gar nicht wirklich anders als du und ich. Da würde ich kaum von „ihr“ und „wir“ sprechen. Unser Bild ist offenbar massiv schief.

    Egal wie bunt oder vermeintlich anders jemand ist, nach ein paar Tagen sieht das niemand mehr. Es wird einfach irrelevant. Ja, die Probleme, die immerhin wir verursachen, die sind nicht irrelevant. Ich weiß das.

    Ein schwuler Bekannter – ich erwähne sein schwul sein nur, um klar zu machen, dass genau er und nur er dieses Frage stellen durfte – fragte mich, „was meinst du, woran erkennt man einen Schwulen?“. Diese Frage hilft, die eigenen Vorurteile zu erkennen.

    Leider bedeutet das nicht, es sei alles gut. Ist es nicht. Wir sollten das ändern. Wir sollten uns ändern. Dazu tragen Informationen und „kennen lernen“ bei.

    Jascha Urbach und auch NP, vielen Dank das ihr diese Artikelserie möglich gemacht habt und auch meinen kleinen Horizont immer wieder erweitert habt.

  5. Ich komme ins grübeln, ob zwei jungen Frauen in einer getrennten Sauna es hinnehmen müssen, dass eine Dritte Person mit anderem biologischen Geschlecht frei entscheiden darf, ob sie mit dazu darf oder nicht.

    Und ich finde des geschmacklos, die Debatte ums Hausrecht zu umrahmen mit der Nachricht, dass ein Irrer eine Senioren aufs schwerste misshandelt hat. Solches Freund-Feind schadet der Debatte ungemein.

    Markus

  6. Kleine Korrektur(?): Ich glaub, da hat sich ein Übersetzungsfehler eingeschlichen. Ich verstehe die pinknews-Quelle so, dass es sich um einen Müllcontainer auf Rollen (wheelie bin) gehandelt hat, mit dem die demente alte Frau misshandelt wurde. Aber ich finde keine Information dazu, dass sie Rollstuhlnutzerin gewesen sei.

    Ansonsten ja, seufz, full-ack.

    1. Korrekt.

      Und der Täter hat sie für einen predatory pedophile gehalten, und nicht nur für trans.

      Macht es nicht besser, aber man fragt sich, ob die Quellen gelesen oder einfach aus twitter kopiert wurden

    2. „Wheelie bin“ ist eine grosse Muelltonne idR mit Deckel, ja. Wird im referenzierten Artikel klar beschrieben, auch wenn der Autor das Bild einer aus dem Rollstuhl gezerrten und vollstaendig in einer Muelltonne versenkten Person vermittelt.

      Aber mE interessanter, dass der verlinkte Artikel die Einlassung des Taeters als ‚“the delusional belief that the victim was a predatory pedophile” and a male dressed as a female.‘ wiedergibt. „Male dressed as female“ ist ja nun eben nicht „trans“ sondern „verkleideter Mann“. Die Interpretation, es sei eine genuin trans-feindliche Handlung gewesen, bleibt mit der Quellenlage Spekulation.

      Die Standardverteidigung ist ja immer, Kolumnen seien primaer Meinung und keine journalistischen Texte. Darf man sich halt nicht wundern, wenn man Glaubwuerdigkeitsprobleme bekommt, das ist der Sache nicht hilfreich 8-/

  7. ‚Die herrschenden Meinungen ist die Meinung der Herrschenden‘ lautet richtigerweise verkürzt dieses Zitat von Marx (siehe unten).

    Und die Meinung der Herrschenden* (*Die Vorstellung, die regierenden Politiker wären unbeeinflusst von den (wenigen) die über die relevante Menge an Geld, Daten und Eigentum verfügen bitte ich den Autor grundsätzlich gedanklich und mit Hilfe von Literatur zu prüfen und zu überdenken) ist aktuell die ungefragte Penetration des öffentlichen Raums mit diesem Thema bis hin zur alltäglichen Sprache eines jeden.

    Das es den Herrschenden* in Wirklichkeit natürlich nicht um uns geht sondern uns und damit den Schutz vor Hass auf uns wegen unserer naturgegebenen Andersartigkeit geht ist finde ich unübersehbar und zeigt sich z.b. an der in diesem Beitrag zurecht beklagten im Gesetzentwurf vorgesehenen ganz offiziellen Diskriminierungserlaubnis und Ermutigung.

    Was wie auch ich finde, den gesamten Gesetzentwurf entwertet bzw. obsolet macht. Denn von einer vollwertigen geschlechtlichen Anerkennung kann keine Rede mehr sein. Es geht ja eh nurmehr und ganz offiziell um ‚Identitäten‘ und das beliebig und damit lächerlich machen von Transsexualität. Womit wir nach meiner Meinung schon näher sind an dem wahren Motiv der Mächtigen sich plötzlich um uns, tatsächlich von Trans- oder Intersexualität betroffene, eine winzige Minderheit zu kümmern: Ein weiteres Thema mit erheblichen Spalt- und Konfliktpotential aufzubauen an dem sich die Gesellschaft abarbeitet – damit sie ja nicht auf die Idee kommt sich mit dem eigentlichen Thema unserer Zeit auseinanderzusetzen. Welches ist dieses übrigens?

    Josefine Durner

  8. Zitat zum Thema: Macht

    „Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, d.h. die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht.“

    Karl Marx

    (1818 – 1883), deutscher Philosoph, Sozialökonom und sozialistischer Theoretiker

  9. Wer möchte, daß Menschen gleichbehandelt werden, muß sich dann aber trotzdem den üblichen zwischenmenschlichen Spielregeln beugen. Und wenn es in einer Sprache ein generisches Maskulinum oder Femininum oder Neutrum gibt, das traditionell entstanden ist, muß das nicht die Mehrheit ändern. Niemand wird dadurch diskreditiert, und ebenso hat niemand das Recht, seine Sichtweise der Allgemeinheit aufzudrängen. Demokratie nennt man das, und ja: damit nimmt es die Politik nicht so genau. Wenn der Justizminister Probleme mit einem Gesetz hat, soll er bitte das Volk fragen. Regeln wie Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung, aber auch Pflichten betreffend müssen natürlich eingehalten werden; sollte das Volk anderer Meinung sein, muß ein Gericht entscheiden. Das ist so üblich.
    Tatsächlich denken immer noch Mehrheits-Menschen, das NUR ihre Meinung zählt.
    Muß man der Politik zugute halten, daß sie da konkrete Veränderungen eingeleitet hat, die in demokratischer Weise länger gebraucht hätten. Leider geht es jetzt so weiter, ohne Notwendigkeit. Das ist eine Fehlentwicklung, die alles Erreichte in Frage stellen könnte, wenn sie weitergeht. Zurück zur Demokratie, bitte!
    Aber diese Wokeness geht in zu vielen Dingen zu weit. Dadurch werden Errungenschaften wieder in Frage gestellt. Man muß die Menschen mitnehmen, freiwillig müssen sie mitgehen!
    Das wird momentan nicht beachtet. Dauert deshalb manches extrem lange? Mal drüber nachdenken kann jeder selber.

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