IrakRegierung ordnet landesweite Sperrung von Telegram an

Der Messengerdienst Telegram ist im Irak auf Anordnung der dortigen Regierung derzeit gesperrt. Die Regierung begründet den Schritt unter anderem mit dem Schutz der nationalen Sicherheit. Ob sich die Anordnung umsetzen lässt, ist allerdings fraglich.

Eine Morsetaste
Früher wurden Telegramme noch mit Hilfe von Morsetasten übermittelt. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Sandra Tan

Telegram gilt im Irak als beliebtester Messenger-Dienst. Millionen Iraker:innen nutzen ihn, um untereinander Privatmitteilungen auszutauschen oder um tagesaktuelle Nachrichten zu beziehen. So folgen der staatlichen irakischen Nachrichtenagentur INA dort rund 260.000 Menschen. Aber auch staatliche Behörden nutzen den Messenger, um Informationen zu verbreiten.

Zum Schutz der nationalen Sicherheit

Am vergangenen Sonntag hat die irakische Regierung eine landesweite Sperrung von Telegram angeordnet. Als Grund nannte das Telekommunikationsministerium die nationale Sicherheit sowie den Schutz persönlicher Daten. Zuvor waren in öffentlichen Telegram-Kanälen wiederholt die privaten Daten unter anderem von Sicherheitskräften verbreitet worden. Auf Telegram-Kanälen können Nutzer:innen an eine unbegrenzte Anzahl von Empfänger:innen Nachrichten versenden.

Die Regierung hatte Telegram nach eigenen Angaben dazu aufgefordert, bestimmte Kanäle zu sperren, auf denen die sicherheitspolitisch relevanten Informationen veröffentlicht worden waren. Nachdem das Unternehmen der Aufforderung nicht nachgekommen sei, ordnete die irakische Regierung an, den Dienst zu sperren. Zugleich betont sie, dass dieser Schritt die Meinungsfreiheit nicht beeinträchtige.

Juristische und technische Hürden

Das Vorgehen erinnert an einen Vorfall in Brasilien im April dieses Jahres. Damals hatte die brasilianische Justiz eine Sperrung Telegrams angeordnet. Anlass war die Weigerung des Diensts, Informationen über Telegram-Chatgruppen von Neonazis an die brasilianische Bundespolizei herauszugeben. Nur wenige Tage später revidierte ein Richter die Entscheidung “angesichts der weitreichenden Auswirkungen […] auf die Kommunikationsfreiheit tausender Menschen”.

Doch selbst wenn eine solche Sperrung juristisch Bestand hat, ist fraglich, ob sie technisch umsetzbar ist, wie der Blick nach Russland zeigt. Im Jahr 2018 hatte die dortige Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor angeordnet, Telegram zu blockieren. Der Messengerdienst hatte sich zuvor geweigert, die Datenverschlüsselung an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB herauszugeben. In Folge dessen waren auch andere Dienste sowie Webseiten unter anderem von Unternehmen nicht länger zugänglich. Zudem konnte die Sperrung leicht umgangen werden.

Nach zwei Jahren beendeten die russischen Behörden das Katz-und Maus-Spiel und hoben die Sperre mit der Begründung auf, dass sich Telegram in der Zwischenzeit ausreichend kooperativ gezeigt habe.

Update vom 14.08.2023:

Das irakische Telekommunikationsministerium hat am 12. August 2023 die landesweite Sperrung von Telegramm aufgehoben. Laut Ministerium habe sich Telegramm ausreichend kooperativ gezeigt und die Auflagen der irakischen Sicherheitsbehörden erfüllt.

 

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

4 Ergänzungen

  1. > Nach zwei Jahren beendeten die russischen Behörden das Katz-und Maus-Spiel und hoben die Sperre mit der Begründung auf, dass sich Telegram in der Zwischenzeit ausreichend kooperativ gezeigt habe.

    Der wohl wichtigste Satz des Artikels. Darüber ein wenig länger nachzudenken könnte erhellend sein.

    1. Die Frage ist, ob das so stimmt? Letztlich nutzt Russland Telegram ja selbst für seine Propaganda.

      1. Ein weiteres Beispiel ist Yandex. ISW hat dazu zwei informative Absätze geschrieben, die das Verhältnis von russischen Techfirmen zum Kremel verdeutlichen:

        a) The Kremlin is likely attempting to crypto-nationalize Russian internet giant Yandex to strengthen control over the Russian information space in preparation for the 2024 Russian presidential election.

        b) The possible transfer of Yandex to affiliates of Russian First Deputy Presidential Chief of Staff Sergey Kiriyenko suggests that Putin seeks to reward Kiriyenko for his personal loyalty, particularly following the June 24 Wagner Group rebellion.

        https://understandingwar.org/backgrounder/russian-offensive-campaign-assessment-august-10-2023

  2. Endlich macht mal einer was gegen einen Messenger, der es seit Jahren nicht hinbekommt E2EE in Gruppenchats zu implementieren und eigentlich nur durch Intransparenz glänzt.

    Ein recht radikaler, aber begrüßenswerter Schritt, die Leute zu sicheren Messengern zu bewegen.

    In die korrekte Umsetzung habe ich jedoch wenig Hoffnung, nachdem Telegramm über die Jahre die Anti-Zensurmaßnahmen stark erhöht hat.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.