Berlin verbaut aktuell Haftraumraummediensysteme in den Zellen ihrer JVAen. Sie sollen Internet, Fernsehen und Telefon in die Zellen der Gefangenen bringen. Wie eine Recherche von netzpolitik.org zeigt, läuft dieser Rollout schleppend. Immer neue Probleme mit dem Produkt treten auf. Während der Senat nur scheibchenweise Informationen liefert, leiden die Gefangenen unter den Problemen. Doch einer gewinnt: der Hersteller Telio.
Die Pläne haben mittlerweile drei Justizsenator:innen überlebt. Als Wunschprojekt des scheidenden Justizsenators Dirk Behrendt (Die Grünen) 2019 gestartet, übernahm es Lena Kreck (Die Linke), bis es nun im Verantwortungsbereich der ehemaligen Verfassungschützerin Felor Badenberg (parteilos) liegt.
Der Senat ist an Berichterstattung zu dem peinlich verlaufenden Rollout sichtlich nicht interessiert. Gespräche mit Anstaltsleitungen werden nicht genehmigt. Gespräche mit Gefangenen erst mit Verweis auf den Rechtsanspruch des Inhaftierten zur freien Meinungsäußerung zugelassen.
Was derzeit verbaut wird, hat jedoch nichts mit dem ersten Versprechen von „Internet in JVAen“ – so Behrendt zu Beginn – zu tun: Wenn der Digitale Brief funktioniert, ist es eher ein Webinterface, das Daten bei Telio speichert als eine E-Mail. Simple Videotelefonie mit einfachster Hardware soll 20 Cent pro Minute kosten. Das ist angesichts der geringen Löhne für Gefangene absurd.
Gefangene sind keine Testpersonen
Das Hamburger Unternehmen kann derweil Erfolge feiern. Kauft die Gruppe doch nach und nach Konkurrenten auf und etabliert es sich auf dem internationalen Markt. Sie sind die günstigsten. Was billig ist, kaufen die Regierungen. Die Kosten tragen die, die keine Wahl haben.
Den Preis legt Telio auf die Gefangenen um. Inhaftierte in Berlin sind oft Dauergäste, sitzen wegen Nichtigkeiten und Taten aus extremer Not ein. Sie können sich nicht aussuchen, bei wem sie einen Telefonvertrag abschließen. Oder welchen Anbieter sie fürs Fernsehen nutzen. Eigene Handys sind in der JVA verboten. Also bleibt ihnen nur der Marktführer.
Kommunikation hinter Gittern darf kein Luxus sein, die Gefangenen keine Testpersonen. Denn es geht dabei nicht nur um Unterhaltung und Ablenkung, sondern um ein Grundrecht. Das Recht auf Resozialisierung.
Die Qualitätsstandards bei Software sind oft wirklich armseelig. Zu Zeiten von Software as a Service gilt für den Nutzer häufig das Motto „Friss oder stirb.“. Bei Strafgefangenen wie in diesem Fall gleich Dreimal.