Die EU-Kommission hat am Mittwoch sechs Unternehmen benannt, die so mächtig sind, dass sie als sogenannte „Gatekeeper“ gelten. Alphabet, Amazon, Apple, ByteDance (TikTok), Meta und Microsoft müssen sich nun an strengere Regeln in der EU halten. Etwas überraschend entkommt Samsung dem neuen Status, obwohl der südkoreanische IT-Riese selbst vermutet hatte, die Kriterien zu erfüllen.
Nach dem Digital Markets Act (DMA) erklärt die EU-Kommission Konzerne zu Gatekeepern, „wenn diese für Unternehmen über zentrale Plattformdienste ein wichtiges Zugangstor zu Verbraucherinnen und Verbrauchern darstellen“. Diese Schlüsselposition gibt den Konzernen viel Macht und kann zu verzerrten Bedingungen auf digitalen Märkten führen. Demnach fällt etwa das Soziale Netzwerke Facebook, der Messenger WhatsApp und die Suchmaschine Google unter die neuen Regeln. Eine vollständige Liste findet sich hier.
Zentrale Plattformdienste üben Macht aus
Unternehmen haben eine Reihe an Kriterien zu erfüllen, um als Gatekeeper eingestuft zu werden. So müssen sie in mindestens drei EU-Ländern tätig sein, dort einen bestimmten Jahresumsatz erzielen und einen „zentralen Plattformdienst“ mit mehr als 45 Millionen Endnutzer*innen und 10.000 gewerblichen Nutzer*innen in der EU betreiben.
Zu den Plattformdiensten zählen Betriebssysteme, Browser, Messenger, Soziale Netzwerke, Suchmaschinen, sowie Vermittlungs-, Video-Sharing- und Werbedienste. In den Bereichen Cloud-Computing-Dienste und virtuelle Assistenten hat die EU-Kommission keine konkreten Dienste benannt.
Strenge Regeln sollen unfaire Geschäftspraktiken abstellen
Die Einstufung als Gatekeeper hat für die betroffenen Unternehmen handfeste Konsequenzen: Die „Torwächter*innen“ sollen ihre Marktmacht nicht mehr ausnutzen können, um die eigenen Dienstleistungen zu bevorteilen. So dürfen laut Kommission Nutzer*innen nicht mehr daran gehindert werden, vorab installierte Software und Apps zu deinstallieren. Umgekehrt müssen Gatekeeper ermöglichen, dass Nutzer*innen Anwendungen aus anderen App-Stores herunterladen können. Ebenfalls verboten: Die eigenen Produkte automatisiert ganz oben in einem Ranking anzuzeigen, etwa bei einer Suche.
Unternehmen wie Meta und Alphabet dürfte das Verbot der Zusammenführung personenbezogener Daten aus ihren unterschiedlichen Diensten hart treffen. Solange Nutzer*innen dem nicht ausdrücklich zustimmen, darf etwa Meta die bei der Nutzung von Facebook, Instagram und WhatsApp anfallenden Daten nicht in einen Topf werfen und verwerten. Gewerbliche Nutzer:innen wiederum erhalten deutlich besseren Zugang zu den Daten, die sie durch ihre Tätigkeiten auf der Plattform des Gatekeepers erzeugen. Zugleich darf ein Gatekeeper die Daten gewerblicher Nutzer, mit denen er auf seiner eigenen Plattform im Wettbewerb steht, nicht für eigene Zwecke verwenden.
Zudem schreibt der DMA marktmächtigen Messenger-Diensten „Interoperabilität“ vor. Dadurch soll man beispielsweise Nachrichten zwischen verschiedenen Messenger-Diensten wie Whatsapp und Signal hin- und herschicken können. Kleinere Anbieter können allerdings selbst entscheiden, ob sie sich mit ihren großen Konkurrenten zusammenschalten. Bis auf Weiteres haben etwa Signal und Threema bereits abgewunken. Zumindest WhatsApp und Facebook Messenger müssen ihre Angebote aber nun schrittweise anpassen. Zuerst soll die Interoperabilität für Einzelnachrichten und Medien funktionieren, innerhalb von zwei Jahren auch für Gruppenchats, innerhalb von vier für Sprach- und Videoanrufe. Das Sicherheitsniveau darf sich nicht ändern, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung muss also bleiben. Generell haben die Gatekeeper sechs Monate Zeit für die Umsetzung der Auflagen.
Weitere Untersuchungen laufen
Die am Mittwoch präsentierte Liste ist nicht abschließend. So hatten Beobachter*innen etwa erwartet, dass mit iMessage auch der Messenger-Dienst von Apple als Gatekeeper gelten wird. Obwohl iMessage die Schwellenwerte offenbar erreicht, hat Apple gegen eine solche Einstufung Einspruch eingelegt. Dies gilt auch für die Microsoft-Dienste Bing, Edge und Microsoft Advertising. Die EU-Kommission prüft nun die Einwände, in fünf Monaten sollen die Ergebnisse vorliegen. Zudem will die Kommission in spätestens 12 Monaten entscheiden, ob iPadOS von Apple ebenfalls von den strengeren Regeln betroffen ist, obwohl es die Schwellenwerte nicht erreicht.
Eine solche Untersuchung bleibt Samsung erspart. Dessen Internet Browser erfüllt zwar laut Kommission ebenfalls die Bedingungen des DMA, das Unternehmen hatte sich deshalb auch bei der Kommission als potenzieller Gatekeeper gemeldet. Laut Kommission habe Samsung aber „hinreichend begründete Argumente“ vorgelegt, um nicht als „Torwächter“ zu zählen. Gleiches sei bei Gmail und Outlook der Fall gewesen.
Auf Anfrage unserer Redaktion nach den Argumenten im Samsung-Fall antwortet ein Sprecher der Kommission: „Die Kommission stellte fest, dass der absolute und relative Umfang der Aktivität bei Samsungs Internet Browser […] sehr begrenzt ist.“ Dies deute darauf hin, dass es keinen wichtigen Gatekeeper-Status bei diesem Dienst gebe. Die Korea-Times berichtet, dass Samsung die Kommission davon überzeugt habe, „nur“ ein Smartphone-Hersteller zu sein – und keine Online-Plattform.
Hohe Strafen angedroht
Wegen der Entscheidung wittert die koreanische Zeitung bereits einen Wettbewerbsvorteil für Samsung gegenüber Apple. Denn bei Nicht-Einhaltung der Gatekeeper-Auflagen drohen Strafen von bis zu zehn Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes, bei Wiederholung sogar bis zu 20 Prozent. Bei systematischer Zuwiderhandlung droht sogar die Anordnung zum Verkauf von Teilen des Unternehmens.
BEUC, ein Dachverband europäischer Verbraucherschutzorganisationen, begrüßte in einer Mitteilung die Ernennung der Gatekeeper. Die Verbraucher*innen würden von der EU-Kommission erwarten, dass diese konsequent handele, wenn sich die Gatekeeper nicht an die Vorgaben halten sollten, sagt die stellvertretende Generaldirektorin Ursula Pachl. „Es wird zudem die Möglichkeit geben, dass sich Verbraucher*innen zusammenschließen und ein Unternehmen in Haftung nehmen können, wenn es gegen die Vorschriften des Gesetzes über digitale Märkte verstößt, was eine großartige Entwicklung ist.“
Hier alle Gatekeeper mit ihren zentralen Plattformen in der Übersicht
Soziale Netzwerke: TikTok (ByteDance), Facebook, Instagram (beide Meta) und LinkedIn (Microsoft)
Kommunikation: Whatsapp, Messenger (beide Meta)
Vermittlungsdienste: Google Maps, Google Play, Google Shopping (alle Alphabet), Amazon Marketplace, App Store (Apple), Meta Marketplace
Video-Sharing: YouTube (Alphabet)
Werbedienste: Google (Alphabet), Amazon, Meta
Browser: Chrome (Alphabet), Safari (Apple)
Suchmaschinen: Google Search (Alphabet)
Betriebssysteme: Google Android (Alphabet), iOS (Apple), Windows PC OS (Microsoft)
Die EU Kommission hat angekündigt, die einzelnen Beschlüsse zu den identifizierten Gatekeepern zu veröffentlichen. Dies soll unter diesem Link geschehen, sobald „alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind“, so die Kommission in ihrem Pressestatement.
Einen „Samsung Browser“ kenne ich nicht. Gibt’s den nur in Smart TVs?
Aber, was ist eigentlich mit Firefox (syncdienst, Pocket u.s.w.). Nicht groß oder nicht kommerziell genug? Wie viel kostet dann der o.g. Samsung-Browser – außer die Hoheit über Persönliche Daten?
Der Samsung Browser ist bei allen Samsung Handys und Tablets vorinstalliert, somit hat es auch viele Nutzer. So ähnlich wie Safari.
mir fehlt auch cloudflare.
„Soziale Netzwerke“, seid wann sind die Aufgelisteten den sozial? Das sind Werbeausspiel-Plattformen. Bitte nicht einfach die Unternehmens-Propaganda nachplappern.