Bullshit-BustersDer ewige Kampf gegen das Cookiemonster

Der Kampf gegen den digitalen Kapitalismus ist mühsam. Der Gegner nährt sich von jedem Einwilligungsbanner, das uns belügt, und von jedem Datenteilchen, das er gegen unseren Willen über uns sammelt. Und permanent müssen wir gegen nervige Cookie-Monster kämpfen.

Ingo Dachwitz kämpft in einem braunen Overall gegen Cookie-Monster

Who you gonna call? Bullshit-Busters! Wir räumen auf mit Mythen, Lügen und falschen Versprechungen. Tagein, tagaus bekämpfen wir den Bullshit der digitalen Welt. Und wir kämpfen für Eure Grund- und Freiheitsrechte. In den kommenden Wochen berichten wir Euch in kurzen Beiträgen, welchen Bullshit wir dieses Jahr aufgedeckt und bekämpft haben. Den Anfang machen Ingo und sein Kampf gegen den Bullshit des Überwachungskapitalismus.

Er ist einer der mächtigsten Widersacher überhaupt: der Kapitalismus in seiner digitalen Form. Er verwandelt unsere Eigenschaften in Daten. Er macht unser Leben zur Ware. Er verkauft unsere Aufmerksamkeit und will uns manipulieren. Er schaltet unser Denken aus, macht uns zu affektgesteuerten Zombies, die nur noch schnell auf „weiter“ klicken. Er macht uns abhängig von Likes und Notifications und endlosem Scrollen, damit wir noch länger online sind, noch mehr Aufmerksamkeit erzeugen, noch mehr Daten preisgeben, noch mehr Werbung sehen, noch mehr Gewinn erzeugen. Er befeuert Polarisierung, weil ihm nichts mehr Daten und mehr Aufmerksamkeit bringt, als Streit und rohe Emotionen.

Dagegen können wir uns wappnen – mit Datenschutz, Wettbewerbsrecht und Plattformregulierung. Das ist nicht viel angesichts der übergroßen Macht des Kapitalismus. Die Plattformregulierung wird gerade erst auf den Weg gebracht. Das Wettbewerbsrecht zeigt nur allmählich seine Zähne. Der Datenschutz ist von den dreien wohl die schwächste Waffe. Umso genauer müssen wir hinschauen, wo er noch nicht greift.

Das mache ich mit meinen Recherchen seit vielen Jahren. In diesem Jahr zum Beispiel mit einer Recherche zu Datensammlung und Datenhandel in der Online-Werbung. In mehr als 650.000 Kategorien sortiert uns die Werbeindustrie ein.

Zocken gegen den Bullshit

Drei mächtige Bullshit-Mythen habe ich „gebustet“:

  • Mythos #1: „Die Einwilligung muss freiwillig und informiert erfolgen.“ Das ist Bullshit! Zwar lautet so ein zentraler Grundsatz der DSGVO. Doch eingehalten wird er fast nirgendwo. Wer eine Website besucht oder eine App nutzt, dessen Daten gehen an hunderte Firmen, die kaum jemand kennt. Wie absurd das Ganze ist, zeigt eine Wetter-App, die nach unserer Presseanfrage mehr als 1000 einzelne Firmen in der Datenschutzerklärung aufgeführt hat, an die sie Daten weitergibt. Wie soll man da informiert zustimmen? Erschwerend kommen Design-Tricks hinzu, mit denen wir zur Einwilligung gedrängt werden. Ist es eine freiwillige Entscheidung, wenn die datenschutzfreundliche Option versteckt ist? Oder wenn die einzige Alternative zum Tracking monatlich Geld kostet?
  • Mythos #2: „Das sind doch nur US-Firmen, in Deutschland und Europa machen wir so etwas nicht.“ Bullshit! Wir haben bei unserer Recherche diverse deutsche Firmen entdeckt, die auf dem Datenmarktplatz Segmente angeboten haben. Darunter waren Tochterfirmen der Deutschen Telekom und ProSiebenSat1. Auch in anderen EU-Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien oder den Niederlanden haben wir Databroker aufgespürt. Zwar dominieren US-Firmen den Markt noch immer, doch auch sie überwachen Menschen in Deutschland für Werbezwecke. Zahlreiche deutsche Websites, Apps und Online-Dienste unterstützen sie dabei, diese Daten weiterzugeben.
  • Mythos #3: „Das sind noch nur harmlose Daten.“ Bullshit! Wir haben tausende Segmente gefunden, die laut ihrer Bezeichnung einen Bezug zu den Themen Gesundheit, Finanzen, Sexualität, Religion, Politik oder persönliche Schwächen haben.

Dieser Artikel ist Teil unserer diesjährigen Spendenkampagne Bullshit-Busters.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

4 Ergänzungen

  1. Ein wichtiges Thema leider zu oberflächlich und zu kurz behandelt. Das betrifft alle, die das Internet nutzen.

    > Dagegen können wir uns wappnen – mit Datenschutz, Wettbewerbsrecht und Plattformregulierung.

    Das ist richtig aber nicht vollständig. Das Wettbewerbsrecht dürfte wohl das schärfste Schwert gegen überbordenden Digital-Kapitalismus sein. Eine wirksame Plattformregulierung wird während des Gesetzgebungsverfahrens immer wieder von Lobbyisten gekonnt torpediert.
    Und Datenschutz ist nur so gut, wie er im Alltag eben auf operationaler Ebene implementiert ist. Eine Kultur des Datenschutzes gibt es als Wünsch-Zustand in den Köpfen mancher, aber ansonsten wird Datenschutz mit großer Hingabe ausgehebelt, wenn es darum geht Profite zu erhöhen.

    Was auf Nutzerebene wirkt ist gute digitale Selbstverteidigung, die allerdings Zeit und Kenntnisse erfordert. Machbar ist es aber, wenn man sich einmal dazu entschlossen hat und das mit Konsequenz und Ausdauer betreibt. Digitale Selbstverteidigung ist inzwischen ein vernachlässigtes Thema, war vor zehn Jahren noch präsenter.

    Eines aber sollte nie vergessen werden: Der Prozess ubiquitärer Digitalisierung wurde nicht zum Wohle der Menschen bzw. Nutzer vorangetrieben. Es mag wenige Ausnahmen geben, aber Effizienz und Profitsteigerung sind die treibenden Kräfte.

    Es ist schon auch bedauerliche Konsumentenhaltung, wenn man sich darauf beschränkt Forderungen „an die Politik“ zu richten. Es ist das Konsumentenverhalten, das Politik treiben kann. Zu wenige entschließen sich zu einem „nicht mehr mit mir“. Dabei ist es das Instrument der Werbung, das kluges Konsumentenverhalten auf emotionaler Ebene wirksam angreift. Die Macht Einzelner besteht aber im Verweigern und im Verzicht, auf der Basis von Selbstbestimmung, wohlgemerkt .

  2. Wieviele Firmen man in den Ruin treiben könnte, wenn jeder seriöse Datenschützer wegen Mythos 1 klagt. Ohne Einwilligung, dürfen einfach keine Daten weitergegeben werden. Punkt. Das gilt auch, wenn man technische Hilfsmittel verwendet oder schlechtes Webseiten-Design ausnutzt, z.B. die Seite kann weiter gescrollt werden zum Lesen, und der Cookie-Banner klebt unten dran. Wer trotzdem ohne Zustimmung Daten weiterverarbeitet, wird eine Geldstrafe zahlen müssen. Als Schmerzensgeld an die betroffenen Nutzer.

  3. Nur so eine Idee für die Technische Lösung eines von Kapitalistischer Gier erzeugten Problems. Wenn man alle von meinem Adblocker gesperrten Domains automatisch in eine Allgemeine Sperrliste einträgt und diese an den/jeden dns-resolver/Server verfütterte… was bliebe nach einer Weile noch an erreichbaren Domains übrig (In Abwandlung des „Sand in der Wüste“ Theorems)?

    localhost! [Vermute ich] Und da gibt es üblicherweise „keine Verbindung“

    Fazit: Dieses Internet ist kaputt gespielt. Wir brauchen ein neues ohne Werbung und das alles. ;-)

    Ich glaube das eigentliche Problem ist nicht der Kapitalismus an sich. Es ist die „Geiz ist Geil“ Mentalität der Menschheit. :-/

Wir freuen uns auf Deine Anmerkungen, Fragen, Korrekturen und inhaltlichen Ergänzungen zum Artikel. Bitte keine reinen Meinungsbeiträge! Unsere Regeln zur Veröffentlichung von Ergänzungen findest Du unter netzpolitik.org/kommentare. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.