Mit 533 Journalist:innen sitzen so viele Medienschaffende im Gefängnis wie nie zuvor, meldet die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG). Vor allem China, Myanmar und Iran gehen drastisch gegen unabhängige Berichterstattung vor, geht aus der Jahresbilanz der Pressefreiheit 2022 hervor, die ROG kürzlich veröffentlicht hat.
„Die Rekordzahl inhaftierter Medienschaffender zeigt, dass autoritäre Regime verstärkt dazu übergehen, unliebsame Journalistinnen und Journalisten einfach wegzusperren“, sagt die ROG-Vorstandssprecherin Katja Gloger in einer Pressemitteilung. „In den meisten Fällen machen sie sich nicht einmal die Mühe, sie vor Gericht zu bringen.“
Neuer Rekordwert
Bereits im Vorjahr hatte ROG eine Rekordzahl inhaftierter Journalist:innen ermittelt, nun gab es erneut einen Anstieg um 13 Prozent. Im Vergleich mit der Bevölkerungsgröße landeten mit 62 Menschen die meisten Medienschaffenden in Myanmar hinter Gittern. Seit dem Militärputsch im Vorjahr sei dort Journalismus „faktisch eine Straftat“, so ROG. Vor Myanmar liegt nur China, wo 110 Journalist:innen inhaftiert sind.
Mit einer Repressionswelle reagierte das Regime im Iran auf die Massenproteste, die sich im September am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini entzündet hatten. Das bekommen auch Journalist:innen zu spüren, von denen derzeit 47 im Gefängnis sitzen. Manchen davon, etwa Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi, drohe dabei die Todesstrafe. Nur wenige Wochen habe der Iran gebraucht, um das Land auf der Negativliste auf den dritten Platz zu hieven, resümiert ROG.
Hart geht auch Russland gegen die Medien vor. Wer etwa „falsche Informationen“ über den Angriffskrieg auf die Ukraine oder das russische Militär verbreitet, riskiert bis zu 15 Jahre Haft. Wer nicht ins Ausland geflüchtet ist, müsse oft im Untergrund arbeiten, so ROG. Im Gefängnis sitzen derzeit 18 Journalist:innen, darunter acht Ukrainer:innen. Diese seien auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim verhaftet worden.
Willkür und Tod
Sorgen bereitet auch die Willkür, denen die Medienschaffenden ausgeliefert sind. Rund 64 Prozent sitzen ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis; manche der Inhaftierten warten seit mehr als 20 Jahren auf ihren Prozess. In Vietnam hingegen reicht es, angebliche „Propaganda gegen den Staat“ zu veröffentlichten, um wie Pham Doan Trang zu neun Jahren Haft verurteilt zu werden.
Weiter ungewiss ist das Schicksal von Jimmy Lai, dem Gründer der inzwischen von den Behörden geschlossenen Hongkonger Tageszeitung Apple Daily. Ihm und sechs seiner Mitarbeitenden drohen lebenslange Haftstrafen. Auf seinen Prozess wartet auch Julian Assange, der im Falle einer Auslieferung in die USA zu bis zu 175 Jahren Gefängnis verurteilt werden könnte.
Gestiegen ist die Zahl der Todesfälle. Nach zwei Jahren Abwärtstrend seien im Jahr 2022 insgesamt 57 Medienschaffende ums Leben gekommen, knapp 19 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein guter Teil davon geht auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zurück. Dort kamen in den ersten sechs Kriegsmonaten acht Medienschaffende ums Leben, unter anderem der Fotograf Maxim Lewin, der gezielt von russischen Truppen getötet worden sein soll.
Die Mehrheit der 2022 getöteten Journalist:innen starb jedoch außerhalb von Kriegsgebieten. Vor allem Mexiko ist ein gefährliches Pflaster für Journalismus. Im laufenden Jahr starben dort mindestens elf Medienschaffende, ein halbes Dutzend weiterer Fälle wird noch untersucht.
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