Für Kölner:innen liegen die rechtsrheinischen Stadtteile auf der „Schäl Sick“, auf der falschen Seite. Das gilt auch für das Stadtviertel Kalk. Früher war die Schäl Sick schlechter bewacht, hatte keine Stadtmauer, was die linksrheinische Bevölkerung davon überzeugte, auf der guten, der richtigen Seite zu leben. Um Sicherheit geht es auch in einem Streit, der in der Domstadt nun zu Protesten führt.
Update: Die Kölner Polizei hat heute laut einer Pressemitteilung die Kameras in Köln-Kalk eingeschaltet. Die im Artikel geschriebenen Pläne sind damit umgesetzt.
Die Polizei der Stadt will in Köln-Kalk 26 Überwachungskameras aufhängen, die Teile des Viertels in Echtzeit überwachen und gleichzeitig diese Videoaufnahmen für 14 Tage speichern sollen. Bei den geplanten Überwachungskameras handelt es sich nicht um so genannte intelligente Videoüberwachung, die etwa Gesichter oder Handlungen in Echtzeit erkennen und verfolgen kann. Eine spätere Aufrüstung zu einer solchen biometrischen Überwachung ist mit Vorhandensein moderner Kameratechnik allerdings nur eine Frage der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der eingesetzten Software.
Köln-Kalk ist mittlerweile ein angesagtes Stadtviertel in Köln, was zu Gentrifizierung und Verdrängung geführt hat. Die Polizei sieht einen „Kriminalitätsschwerpunkt“. Die Initiative „Kameras Stoppen“ spricht gegenüber netzpolitik.org eher von sozialen Problemen, die im Viertel sichtbar seien und durch hohe Mieten verstärkt würden. Gegen diese Probleme würden Überwachungskameras und polizeiliche Repression nicht helfen.
Die Polizei beruft sich auf § 15a des Polizeigesetzes in Nordrhein-Westfalen, der ihr eine eigenständige „Datenerhebung durch den offenen Einsatz optisch-technischer Mittel“ erlaubt. Für den Einsatz der Überwachungskameras müssen allerdings Bedingungen erfüllt sein. Die Überwachung ist laut Gesetz etwa nur erlaubt, wenn
an diesem Ort wiederholt Straftaten begangen wurden und die Beschaffenheit des Ortes die Begehung von Straftaten begünstigt, solange Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an diesem Ort weitere Straftaten begangen werden
oder
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort Straftaten von erheblicher Bedeutung nach § 8 Absatz 3 verabredet, vorbereitet oder begangen werden und jeweils ein unverzügliches Eingreifen der Polizei möglich ist.
Polizei liefert kaum Statistiken
Laut der Initiative „Kameras Stoppen“ legt die Kölner Polizei bei ihren bisherigen Videoüberwachungen in der Stadt nur knappe und wenig aussagekräftige Statistiken zu diesen Fragen vor. Die Initiative berichtet gegenüber netzpolitik.org, dass die Polizei auch bei den elf Gerichtsverfahren gegen Kameraüberwachung, welche von der Initiative unterstützt werden, in Sachen Kriminalitätsdaten mauern würde. Auch Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zur Videoüberwachung würden abgelehnt.
Zusammen mit anderen Gruppen hat „Kameras Stoppen!“ nun die Initiative „Kameras in Kalk“ gegründet, um den Protest zu koordinieren. Kritik am Vorgehen der Polizei gibt es nicht nur von Seite der Bürgerinitiativen, sondern auch von den lokalen Grünen. Letztere lehnen die Kameraüberwachung ab. Laut einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers ist sogar die örtliche CDU für eine Evaluierung der Überwachung nach drei oder vier Jahren und sagt, dass die Videoüberwachung des öffentlichen Raumes „nicht zum Dauerzustand werden“ dürfe.
Für Unmut hat offenbar auch gesorgt, dass die Überwachung keine Entscheidung des Bezirks war. Eine Verpflichtung zur Beteiligung der Kommunen oder auch nur zur detaillierten Information sieht das Polizeigesetz bei solchen Überwachungsmaßnahmen nicht vor. Die Polizei hatte die SPD-Bezirksbürgermeisterin Claudia Greven-Thürmer im Jahr 2020 über ihr Vorhaben lediglich in Kenntnis gesetzt.
Proteste auch auf der Straße
Gemeinsam rufen die Initiativen für den 5. März zu einem „Stadtteilrundgang gegen Überwachung und für ein solidarisches Kalk“ auf. Im Aufruf heißt es, dass die Kameras alle zu Verdächtigen machten, aber Straftaten nicht verhindern würden. Die Kölner Initiative fordert den Stopp des Projektes und stattdessen eine Verbesserung der sozialen Strukturen im Stadtteil.
Sie fürchtet zudem, dass die Kameraüberwachung rassistische Polizeikontrollen verschärfen könnte. Köln-Kalk ist ein Stadtteil mit einem hohen Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund. Diskriminierende Auswirkungen von Überwachung hatte zuletzt Amnesty International in einer Studie zu Kameraüberwachung in New York festgestellt. Dort ist die Kameradichte in Stadtvierteln, in denen mehr nicht-weiße Menschen wohnen, deutlich höher als in anderen Vierteln. Die dortige Bevölkerung ist einem höheren Überwachungsdruck ausgesetzt.
Update 6. März:
Nach Angaben von Mitveranstalter:innen der Demo beteiligten sich dort etwa 120 Menschen an den Protesten.
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