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Kann Hetenfeindlichkeit enthaltenEinmal richtig machen

Das Selbstbestimmungsgesetz steht fast vor der Tür. Dabei sollten Behörden und andere auch früh genug an ihre Software denken, findet unser Kolumnist. Denn es gäbe nun die Möglichkeit, es einfach mal richtig zu machen.

Symbolbild - diverse runde Lichtpunkte
Symbolbild – All dots are beautiful CC-BY-NC-SA 4.0 owieole

Seit der ersten Ausgabe dieser Kolumne vor einem Monat wurde meine Twitter-Timeline von einem Thema beherrscht: Marie-Luise Vollbrecht und ihr Vortrag, der auf Schulniveau zu erklären versucht, warum es in der Biologie nur zwei Geschlechter gebe. Die transfeindliche, vermeintliche „Diskussion“ wird mit harten Bandagen geführt, aber ich spare mir eine weitere Zusammenfassung oder gar Analyse. Denn das haben andere bereits getan.

Ich möchte über etwas anderes sprechen: Ende Juni hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein Eckpunktepapier für das Selbstbestimmungsgesetz vorgelegt. Es soll das in weiten Teilen menschenrechtswidrige Transsexuellengesetz ersetzen.

Diejenigen, die in diesem Kulturkampf eher auf Frau Vollbrechts Seite stehen, schreiben allerlei Unwahrheiten, welche Sachen durch dieses Gesetz möglich sein werden. Was damit wirklich möglich wird: Dass trans, inter und nicht-binäre Menschen einfacher ihren richtigen Namen und Geschlechtseintrag erhalten können. Es erleichtert auch keinen Zugang zu medizinischer Behandlung. Es ist wirklich nicht mehr und ich bin mir sehr sicher, dass 2023 das Selbstbestimmunggesetz kommen wird, egal wie Frau Vollbrecht und ihre Anhänger*innen das finden.

Alles gesagt?

Aber warum dieser Text? Es ist doch alles gesagt, oder? Nein, eine Sache fehlt noch. Es geht um Software und an die sollten Behörden, Unternehmen und sonstige Organisationen schon jetzt denken.

Viele Prozesse und auch Software beinhalten die „Falsehoods Programmers Believe About Names“. Eine der falschen Annahmen: Es gibt nur einen Namen. Und der ändert sich nie.

Klar, Menschen heiraten und ändern den Nachnamen, dafür gibt es – meistens – Prozesse. Bei der Vornamensänderung wird es direkt ein wenig schwieriger. Ich schaue da auf die Deutsche Bahn. Ich kann zwar heute auf der Website der Bahn meinen Nachnamen ändern, nicht jedoch meinen Vornamen. Dafür muss ich mich bei der Bahn melden.

Es ist noch viel zu tun

Wenn das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet wird, darf es nicht nur bei Ämtern einfacher werden, Namen und Geschlechtseintrag zu korrigieren. Auch andere müssen sich darauf vorbereiten – und da ist noch viel zu tun.

Banken haben wegen des Geldwäschegesetzes und der Abgabenordnung recht hohe Anforderungen an die Identifizierung der Kontoinhaber*innen. Bei der ING konnte ich dennoch einfach meinen aktuellen Personalausweis zusammen mit meinen Ergänzungsausweis der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) hochladen und zumindest meine Bankkarte wurde auf den von mir verwendeten Namen ausgestellt.

Das Konto läuft weiterhin auf meinen Deadname. Bei Briefen und Kontoauszügen, die ich digital bekomme, gibt es ein Vorsatzblatt mit meinem Namen. Dafür hat die ING in ihrem Online-Banking einen Prozess „Namensänderung“ und im Dokumentendropdown explizit den Ergänzungsausweis zur Auswahl gestellt. PayPal hat den Ergänzungsausweis ebenfalls akzeptiert und wenn ich jemanden Geld sende, steht auf der Empfangendenseite mein richtiger Name.

„Divers“ ist keine Anrede

Wenn Unternehmen und Behörden an den Namensfeldern ihrer Software arbeiten, denken sie hoffentlich auch an das Anrede-Feld. Meistens habe ich die Auswahl zwischen „Herr“ und „Frau“ und manchmal kann ich noch „divers“ auswählen. Das ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Denn „divers“ ist keine Anrede, sondern ein amtlicher Geschlechtseintrag, genauso wie Herr kein Geschlechtseintrag ist, sondern nur eine Anrede. Ich frage mich schon lange, warum ich nicht mehr Mails mit „Hallo“ oder „Guten Tag“ erhalte. DHL und PayPal machen das neben einigen anderen Unternehmen bereits seit längerem so.

Leider muss die Bahn wieder als schlechtes Beispiel dienen, dort stehen bisher Herr und Frau zur Auswahl. Die Bahn wurde verurteilt, dass sie auch andere Anreden anbieten muss. (Warum die Bahn eine Anrede benötigt, um eine Fahrkarte zu verkaufen, ist eine andere Frage.) Und für was braucht der Onlineshop von zum Beispiel Thalia eigentlich eine Anrede bei der Rechnungsadresse?

Amazon hingegen verzichtet komplett auf die Anrede, es gibt schlicht ein Feld für Vor- und Zunamen. Ausgerechnet Amazon muss als ein gutes Beispiel herhalten – sehr bitter.

Natürlich müssen auch die Mitarbeitenden – egal ob in Behörden oder anderswo – geschult werden, wie Namensänderungen in einer Organisation ablaufen. Und natürlich müssen sie dafür sensibilisiert werden, dass Menschen ihren Namen ändern und auch Wünsche äußern, wie sie angesprochen werden sollen.

Keine Person, die ihren Namen und Geschlechtseintrag korrigiert, tut dies leichtfertig und möchte dann abwertende Kommentare hören oder in Frage gestellt werden, wenn sie ihre Identität mitteilt.

Denen zuhören, um die es geht

Bis zu Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes ist zwar noch Zeit, auch wenn Unternehmen sowieso schon Prozesse für soetwas bräuchten. Denn natürlich finden Namensänderungen bereits sowohl nach Personenstandsgesetz als auch nach dem Transsexuellengesetz statt – die Erfahrung zeigt aber, dass oft weder Prozesse noch Ansprechpartner*innen für die Änderung bekannt sind.

Die menschenverachtenden Hürden, die das Transsexuellengesetz bisher aufgebaut hat, werden fallen. Mehr Menschen werden endlich dazu in der Lage sein, ihre richtige Identität auch im Rechtsverkehr zu verwenden. Es ist also spätestens jetzt an der Zeit, Software und Prozesse darauf abzustimmen und Mitarbeitende zu schulen. Es werden sicherlich bei der Umsetzung Fehler passieren. Dabei ist am Wichtigsten, denjenigen zuzuhören, um die es geht: trans, inter und nicht-binäre Menschen.

Glaubt ihnen, wenn sie euch sagen, dass da noch etwas falsch läuft oder diskriminierende Formulierungen gebraucht werden. Nach den vielen Jahren des entwürdigenden Umgangs mit geschlechtlicher Vielfalt können jetzt Behörden, Unternehmen und Organisationen zeigen, dass sie zu Recht zum CSD die Regenbogenfahne hissen – und es einmal richtig machen.

10 Ergänzungen

  1. Die Annahme, dass kurzsichtige Programmierer Namensänderungen verhinderten, halte ich für sehr weit hergeholt. Änderungen eines Teils den Namens oder Prüfungen auf „Validität“ sind konkrete Anforderungen die zuerst technisch umgesetzt werden müssen.

    Das Beispiel der Bahn zeigt eigentlich einen Frage hin. Wie kann ein System die Identität eines Benutzers sicherstellen wenn sich Namen frei ändern lassen? Ich nehme an die Bahn will mit der Restriktion verhindern, dass sich mehrere Personen einen Account oder ein Ticket teilen oder übertragen können. Der Vorname ist dafür allerdings aus vielen Gründen eine denkbar schlechte Lösung dafür.

    1. Je nach dem um welche Art von Softwaresystem es sich handelt sollte eine Namensänderungen auch entsprechend geprüft werden. Das sollte normalerweise nicht vom Benutzer aus ohne jegliche weitere Prüfungen möglich sein. Der Prozess und die Anforderungen dafür kommen aber eigentlich nicht vom Programmierer. Wenn mir fehlende Anforderungen auffallen würde ich den Auftraggeber natürlich darauf hinweisen. D.h. wenn es nicht spezifiziert ist würde ich es auch nicht implementieren. Das halte ich nicht für kurzsichtig sondern vorrausschauend.

      Ich stelle mir gerade vor wie jemand nach einer Scheidung den Namen des Expartners annimmt um dann Schabernack oder Schlimmeres zu betreiben.

      1. Inwiefern ist die Prüfung einer Namensänderung denn schwieriger oder anders als die Prüfung des Namens bei der allerersten Anmeldung? Wenn die Anmeldung eines Namens schon bei der Erstanmeldung ohne weitere Prüfung passiert, dann ist das System anfällig gegenüber Sperenzchen, und das hat überhaupt nichts mit Namensänderungen, ob des Vor- oder des Zunamens zu tun. Der im Beitrag zitierte Artikel „Falsehoods Programmers Believe About Names“ zeigt auf, an welchen anderen Stellen die Erwartung, dass in den allermeisten Fällen Vor- und Zuname gleich bleiben sollten, mindestens global gesehen häufiger die Ausnahme als die Regel ist. Wenn Systeme das in einer sich – ja bei weitem nicht nur vor Gendergesichtspunkten! – diversifizierenden Welt aus vermeintlichen Sicherheitsbedenken nicht abbilden, ist das meiner Ansicht nach durchaus ein Versäumnis.

  2. „Ich nehme an die Bahn will mit der Restriktion verhindern, dass sich mehrere Personen einen Account oder ein Ticket teilen oder übertragen können. Der Vorname ist dafür allerdings aus vielen Gründen eine denkbar schlechte Lösung dafür.“

    Nicht einmal die bei der Telekom übliche Kombination aus Vor-&Nachname & Geburtsdatum reicht zur Unterscheidung aus: In Österreich gab es Ende der 90er Jahre eine zweistellige Anzahl mehrfach auftretender von Vor-& Nachnamenskombinationen sowie eine einstellige Zahl von Fällen, in denen auch das Geburtsdatum übereinstimmte. Für D sind mir keine Zahlen erinnerlich; ich weiss nur, dass die Beamten in den Einwohnermeldeämtern angehalten sind Doppelungen bezogen auf die Kombination von Vor-&Nachnamen, Geburtsdatum & Geburtsort durch Beratung zu vermeiden.

    Eine eindeutige Lösung wäre die Verwendung der Steuer-ID als Personenkennziffer, aber genau solche Verwendungszwecke waren bei deren Einführung nominell nicht intendiert.

  3. naja, online ist so eine „Anrede“ komplett überflüssig.

    Wenn sich aber Heten an „divers“ stören, dann liegt das Problem genau bei diesen Menschen.

    1. Das Leben findet nicht nur online statt.

      Erstaunlich viele Leute empfinden online wie offline eine korrekte Anrede als gueltige Konvention der Hoeflichkeit.

      Den eigenen Horizont und Praeferenzen als allgemeingueltig erklaeren ist doch der Standardvorwurf an die alten weissen Maenner, oder?

  4. zur Teilüberschrift „Einmal richtig machen“; genau das sollte geschehen und in einem Land in dem die Normung relativ gut funktioniert sollte es auch möglich sein, die DIN „Benutzerdaten und Anrede“ festzuschreiben, so dass nicht dreissigtausend Web-Entwickler wieder ein eigenes Süppchen kochen und 1 bit für M/F spendieren (weil, sie kennen ja keine anderen Fälle).

    Ich traf vor kurzem einen Datenbankprogrammierer (wird dieses Jahr 83 Jahre alt) und der hat (aus völlig anderem Hintergrund) auch gemeint, das es die Höflichkeit gebietet die Leute so anzusprechen, wie sie angesprochen werden möchten und nicht den Bürokraten nachzugeben die einfach gerne Leute in künstliche Gruppen einsortieren (er meinte zwanghaft).

    Vorname, Nachname, Anrede

  5. Ich finde es generell schwierig, Respekt und Verbiegungen für eine kleine Teilgruppe zu fordern, gleichzeitig aber mich Beschimpfungen der Mehrheitsgesellschaftern (“Hetzen, Hetenfeindlichkeit”) zu kokettieren.

    Das hilft der eigenen Sache nicht, lieber Jascha.

    1. Ich finde es generell schwierig eine Mehrheitsgesellschaft, die von Minderheiten Respekt und Verbiegung fordert, nicht zu beschimpfen.

      1. Es funktioniert für die Mehrheit halt gut genug. Maximaldifferenzierung funktioniert für die Mehrheit nicht, ist auch ein gewolltes Distinktionsmerkmal.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.