Politische Verfolgung durch diktatorische und unterdrückerische Regime kann Menschen zur Flucht zwingen. Personen, die sich politisch oder sozial engagieren, bleibt in Ländern mit solchen Regierungen oftmals nur der Weg außerhalb des Landes. Für viele Geflüchtete endet die politische Verfolgung jedoch nicht hinter der Landesgrenze. Betroffene werden auch nach der Flucht in vermeintlich sichere Drittstaaten durch die Regierung ihres Herkunftslandes digital unterdrückt.
Eine Studie des kanadischen Forschungsinstituts Citizen Lab betrachtet diese Situation der so genannten digitalen transnationalen Unterdrückung in Kanada. Die Untersuchung zeigt, dass Aktivist:innen, die nach Kanada ausgewandert oder geflohen sind, auch in Kanada von digitaler Überwachung durch die Regierungen der Herkunftsländer betroffen sind. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf die Betroffenen, sowohl gesundheitlicher als auch politischer Art. In einem Erklärvideo verdeutlicht Citizen Lab die Konsequenzen für die Betroffenen.
Eine der Autor:innen ist Noura Al-Jizawi. Die Wissenschaftlerin war politische Aktivistin während des Arabischen Frühlings in Syrien, wurde dort verhaftet und während ihrer Haft gefoltert. Nach ihrer Freilassung floh sie in die Türkei und ging später nach Kanada. Obwohl sie Syrien verlassen hatte, wurde auch sie Opfer der digitalen Verfolgung durch das syrische Regime.
Die Autor:innengruppe um Noura Al-Jizawi hat in dem Bericht 18 Personen interviewt. Die Befragten lebten zu der Zeit der Interviews in Kanada und sind zuvor von einem anderen Staat nach Kanada gezogen oder geflüchtet. Außerdem haben sie angegeben, dass sie sich im Land ihrer Herkunft politisch oder sozial engagiert haben. Sie lebten zuvor unter anderem Syrien, Jemen, Ruanda, Afghanistan oder China. Die Bandbreite der digitalen Angriffe auf die Befragten ist groß: Hacking, Phishing, Kontoübernahmen, Drohungen, Desinformationskampagnen oder Troll- und Bot-Kampagnen in Sozialen Medien, all das ist den Befragten in Kanada passiert.
Übergriffe mit psychischen Auswirkungen
Die Folgen für die Betroffen wirken sich nicht nur auf ihre politische Arbeit aus. So berichteten die Befragten von Ängsten, psychischer und emotionaler Belastung oder Burnout. In der Studie berichtet beispielsweise ein aus Äthiopien geflüchteter Mann, dass die Überwachung der äthiopischen Regierung mittels der Spionagesoftware von FinFisher „bei ihm ein Gefühl der Unsicherheit und des Unbehagens hervorrief, als ob er ständig beobachtet würde.“
Auch Selbst-Zensur ist eine häufige Konsequenz der digitalen Übergriffe. So berichtet ein politischer Aktivist, dessen Familie aus dem Iran geflohen ist, dass er nach beispielsweise Phishing-Angriffen oder Online-Imitationsversuchen, politische Gespräche mit der Familie einschränkt und besonders vorsichtig ist, bei Personen, die er nicht kennt.
Nachdem ihn politische Gegner:innen auch offline bedroht haben, gibt er an, dass er sich „große Sorgen um die Sicherheit und den Schutz seiner persönlichen Daten und seiner körperlichen Unversehrtheit“ mache. Außerdem sorge er sich „um die Sicherheit von Freunden und Familie, da die Drohungen jeden betreffen, mit dem er in Kanada oder im Iran in Kontakt steht.“ So hat die digitale Verfolgung auch Auswirkungen auf die politische Arbeit sowie die Vernetzung der Betroffenen in Kanada als auch im Herkunftsland.
In der Vergangenheit war es für diktatorische Regime schwieriger, über Landesgrenzen hinweg politische Aktivist:innen zu überwachen und zu unterdrücken. Mit der einfachen und günstigen Verfügbarkeit von Staatstrojanern hat sich das grundlegend verändert. „Überwachungstechnologien ermöglichen es unterdrückerischen Regimen heute, anspruchsvolle, privatisierte Unterwanderungs-Kampagnen gegen ihre Gegner so einfach zu bestellen wie bei Ebay“, erklärt Noura Al-Jizawi in einem Interview.
Frauen in besonderem Maße betroffen
Die Wissenschaftlerin führt aus, dass es auch geschlechtsspezifische Aspekte von digitaler transnationaler Verfolgung gibt. Die befragten Frauen erlebten beispielsweise misogyne Äußerungen oder geschlechtsbezogene Gewalt.
Täter:innen brachten zum Beispiel mit Photoshop bearbeitete Nacktbilder in Umlauf oder posteten eine Vergewaltigungsdrohung öffentlich auf dem Social-Media-Profil einer betroffenen Frau. Die Auswirkungen solcher Übergriffe spüren die betroffenen Frauen jedoch nicht nur durch den Übergriff an sich: Die Gemeinschaft, Familie oder Freunde verurteilen oder schließen die Betroffenen oft aus, erklärt Noura Al-Jizawi im Interview.
Betroffene werden allein gelassen
Die Studie macht deutlich, dass die Betroffenen kaum das Gefühl haben, von der kanadischen Polizei oder dem Geheimdienst Hilfe erwarten zu können. Manche der Befragten gaben an, dass sie Angst hätten, sich an die Polizei zu wenden oder dass es nutzlos gewesen wäre, den Übergriff zu melden. Die Autor:innen der Studie haben deshalb verschiedene Forderungen an die kanadische Regierung gestellt.
Zum einen wollen sie erreichen, dass die kanadische Regierung und die Sicherheitsbehörden digitale transnationale Unterdrückung als Straftaten mit Auswirkungen auf die Betroffenen anerkennen und dass sie die Betroffenen unterstützen. Zum anderen hoffen sie, dass die Verursachenden der digitalen Gewalt für diese Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Außerdem fordern sie, dass die kanadische Regierung auch die Unternehmen betrachtet, die in die Infrastruktur der digitalen Verfolgung verwickelt sind oder diese bereitstellen. Dazu zählen die Autor:innen auch Social-Media-Unternehmen, sie erhoffen sich durch die Zusammenarbeit mit den sozialen Medien einen besseren Schutz ihrer Konten und somit vor der digitalen Gewalt.
Auch Noura Al-Jizawi fühlt sich nach wie vor nicht geschützt in Kanada. „Ich kann mich nicht an einen Tag erinnern, an dem ich mich zu 100 Prozent sicher gefühlt habe“, bemerkt sie im Interview mit The Record. Sie habe jedoch nicht nur Angst vor sichtbarer digitaler transnationaler Verfolgung durch zum Beispiel verdächtige Links. Jedes autoritäre Regime mache ihr Angst und vor allem die Möglichkeit, „von Pegasus oder einem anderen Staatstrojaner angegriffen zu werden.“
Ich nenne so etwas schlicht Terror, Staatsterror und als solches sollte es auch Strafrechtlich mit allen Konsequenzen verfolgt werden.
Unser Problem ist die Samthandschuhdiplomatie , derartige Staaten verstehen nur die Sprache der Faust, Drohung und Gewalt.
Mit dem Ukrinekrieg ist diese Samthandschuhdiplomatie fundamental gescheitert ist, bleibt zu hoffen das unser Politik jetzt endlich aufwacht!
Könnte man das Youtube-Video nicht auch so (ähnlich) einbinden?:
https://invidio.xamh.de/watch?v=FkPCec7jG5I
Ansonsten: Gratulation – Sehe ich fast ebenso.