Europol hat zum wiederholten Mal einen „Aktionstag“ zur Entfernung von Internetinhalten durchgeführt. Im Fokus stand diesmal der Online-Musikdienst Soundcloud. Die EU-Polizeiagentur meldete dem Anbieter laut eigenen Angaben rund 1.100 illegale Audiodateien und Nutzerprofile mit terroristischen oder extremistischen Inhalten.
Die Maßnahmen erfolgten unter Leitung des Zentrums für Terrorismusbekämpfung, das von den EU-Innenminister:innen 2015 bei Europol eingerichtet wurde. Dort ist auch die Meldestelle für Internetinhalte (EU IRU) angesiedelt, die für das Aufspüren und Melden von Inhalten zuständig ist.
Vom BKA initiiert
Die Aktion wurde laut Europol vom deutschen Bundeskriminalamt (BKA) initiiert. Dort gibt es wie bei Europol seit 2019 eine nationale Meldestelle. Zu den weiteren Teilnehmer:innen des „Aktionstages“ gehörten demnach Strafverfolgungsbehörden aus Dänemark, Ungarn, Portugal und Spanien. Trotz Brexit war auch Großbritannien beteiligt.
Die Ermittler:innen haben nach eigenen Angaben „dschihadistische, rechtsterroristische und gewalttätige extremistische Propaganda“ in mehreren Sprachen aufgespürt. Einige dieser Inhalte sollen bereits mehrere tausend Aufrufe erzielt haben.
Die Meldestelle für Internetinhalte war ursprünglich ausschließlich zur Verfolgung von islamistisch motiviertem Terrorismus gegründet worden. 2016 folgte die Ausweitung auf Migrantenschmuggel. 2019 beschlossen die Innenminister, auch Rechtsextremismus und -terrorismus zu verfolgen.
SoundCloud nimmt Inhalte offline
Die als rechtswidrig erkannten Profile und Audiodateien wurden an SoundCloud gemeldet. Nach einer Überprüfung habe die Firma jene Inhalte, die als Verstoß gegen ihre Geschäftsbedingungen angesehen wurden, offline genommen. In welchem Umfang dies geschah, schreibt Europol nicht.
Noch handeln die Internetanbieter freiwillig, wenn sie ein Ersuchens zur Löschung der Inhalte befolgen. Am 7. Juni tritt in der EU jedoch die Verordnung zur Entfernung terroristischer Onlineinhalte (TCO-VO) in Kraft. Dann müssen die Anbieter zumindest im Fall dschihadistischer Dateien und Profile sofort tätig werden.
Für die weitere Speicherung entfernter Inhalte nutzt Europol das vom BKA gegründete Analyse-Projekt „Check-the-Web“. Damit soll es möglich sein, die Dateien auch in späteren Ermittlungen zu nutzen. Bislang ist „Check-the-Web“ nur auf dschihadistische Inhalte beschränkt. Derzeit wird auch hier die Ausweitung auf Rechtsextremismus diskutiert.
Zentrale Plattform für Löschaufforderungen kommt
Zur Sammlung und Weiterleitung von Entfernungsaufforderungen hat Europol die sogenannte PERCI-Platform (Plateforme Européenne de Retraits des Contenus illégaux sur Internet) eingerichtet. Das zentrale Informationssystem ermöglicht die Erkennung mehrfach gestellter Ersuchen zur Entfernung.
Mitgliedstaaten können darüber außerdem einen Hinweis hinterlassen, wenn Profile ausdrücklich nicht gelöscht werden sollen, etwa weil diese von Geheimdiensten oder Polizeien in Ermittlungsverfahren beobachtet werden (das sogenannte Deconfliction-Verfahren).
Einen Tag vor Inkrafttreten der TCO-VO soll PERCI einsatzbereit sein, mehrere Länder testen die Plattform bis dahin. Möglicherweise war sie auch beim jetzigen „Aktionstag“ im Pilotbetrieb. Für die Verwaltung von PERCI hat Europol eine sogenannte Fokus-Gruppe eingerichtet. Demnächst soll eine Untergruppe für die Deconfliction-Verfahren folgen.
Deutscher Gesetzesvorschlag im Mai
Die Verordnung zur Entfernung terroristischer Onlineinhalte muss in den einzelnen Mitgliedsstaaten erst in Gesetzen umgesetzt werden. Nach derzeitigem Stand wird die Bundesrepublik das nicht bis zum 7. Juni schaffen. Erst am 4. Mai hat die Bundesregierung einen endgültigen Vorschlag für ein „Terroristische-Online-Inhalte-Bekämpfungs-Gesetz“ (TerrOIBG) vorgelegt, der nun in den zuständigen Ausschüssen beraten wird. Darin werden auch die deutschen Kontaktstellen geregelt.
Werden die Anordnungen von den betroffenen Hostingdiensteanbieter nicht innerhalb einer Stunde nach Erhalt befolgt, droht laut der EU-Verordnung und dem deutschen Gesetzesvorschlag ein Zwangsgeld von bis zu fünf Millionen Euro. Ordnungswidrig handelt auch, wer einen Inhalt „nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig wiederherstellt“ oder entsperrt.
Zentrale Ansprechstelle für die Entgegennahme von Entfernungsanordnungen aus den Bundesländern ist laut Entwurf das BKA. Die Behörde soll auch eigene Anordnungen erlassen können. Zur Überprüfung, ob es sich tatsächlich um terroristische Inhalte im Sinne der EU-Verordnung handelt, soll das BKA mit den Landesmedienanstalten zusammenarbeiten.
Jährliche Kosten von 2,3 Millionen Euro
Ob die Hostingdiensteanbieter den Aufforderungen nachkommen, soll die Bundesnetzagentur beobachten. Sowohl diese als auch das BKA wären ab Ende März 2023 verpflichtet, dazu Transparenzberichte vorzulegen.
Der nun vorgelegte Gesetzentwurf sieht außerdem Änderungen des BKA-Gesetzes und des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes vor. Dort müssen Klarstellungen zu terroristischen Inhalten eingefügt werden.
Zur Umsetzung der Verordnung entstehen dem BKA nach Angaben der Bundesregierung einmalige Kosten in Höhe von 3 Millionen Euro und jährliche Personalkosten in Höhe von 1,35 Millionen Euro. Die Bundesnetzagentur soll jährlich rund eine Million Euro für „Personal-, Sacheinzel- und Gemeinkosten“ ausgeben.
Soundcloud löscht auf Zuruf von Polizeien im großen Stil
Alles ohne irgendwelche Gerichte?
So stelle ich mir die westlichen Werte vor.