Das Bundeskartellamt hat eine Sektoruntersuchung zu Messenger-Apps wie WhatsApp, Telegram oder Facebook-Messenger eingeleitet. Die Behörde vermutet Verstöße gegen Verbraucherrechte, teilte sie heute in einer Pressemitteilung mit. Die Untersuchung der Messenger-Branche bezieht sich auf Medienberichte über wiederholte Verstöße gegen die Datenschutzrechte der Nutzer:innen.
Eine Sektoruntersuchung kann das Bundeskartellamt nach eigenen Angaben bei „begründetem Verdacht auf gravierende Verstöße gegen verbraucherrechtliche Vorschriften“ durchführen, wenn „erhebliche, dauerhafte oder wiederholte Verstöße vorliegen“, die sehr viele Verbraucher:innen betreffen. Das Bundeskartellamt sieht diese Schwelle im Bereich der Kommunikationsanwendungen überschritten, da die Chat-Programme durch die Verbreitung von Smartphones zum digitalen Alltag geworden sind.
Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, kündigte an, dass bei der Untersuchung auch die Frage der Interoperabilität, also der Kommunikation zwischen unterschiedlichen Messenger-Diensten, eine Rolle spielen wird:
Messenger-Dienste sind als Kommunikationsweg im Alltag der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht mehr wegzudenken. Unsicherheit besteht aber darüber, ob und inwieweit persönliche Daten bei den verschiedenen Diensten geschützt sind. Wir wollen darüber und über mögliche Verstöße gegen Verbraucherrechte aufklären. Außerdem können die Nutzerinnen und Nutzer verschiedener Messenger-Dienste darüber meistens nicht miteinander kommunizieren. Wir werden auch untersuchen, welchen Einfluss hier eine verbesserte Interoperabilität u. a. auf die Auswahl datenschutzfreundlicher Anbieter hätte.
Trotz datenschutzfreundlicher Alternativen wie Threema oder Signal wird der Messenger-Markt in Deutschland von Facebooks WhatsApp dominiert. Verbraucherschützer:innen und Wettbebewerbsrechtler:innen hegen die Hoffnung, dass es Menschen leichter fallen würde, den datenhungrigen Kommunikationsdienst zu wechseln, wenn sie dadurch nicht die Möglichkeit verlieren würden, mit ihren alten Kontakten in Verbindung zu bleiben. Als positives Beispiel wird hier häufig das Mail-Protokoll hervorgehoben, das es Menschen ermöglicht, unabhängig von ihrem Mail-Anbieter miteinander zu kommunizieren.
Untersuchung ohne Eingriffsbefugnisse
Für die Untersuchung wird das Bundeskartellamt in den kommenden Monaten Expert:innen und Menschen aus der Branche interviewen. Die Ergebnisse der Sektoruntersuchung sollen auch eine verändernde Wirkung haben. Datenschutzfreundliche Alternativen im Messenger-Markt sollen durch die Untersuchung aus verbraucherrechtlicher Sicht gefördert und vermehrt genutzt werden, teilte das Bundeskartellamt in seiner Pressemitteilung mit.
Im Bereich des Verbraucherschutzes kann das Bundeskartellamt nicht direkt gegen eventuell aufgedeckte Verstöße vorgehen. Da die Große Koalition die mehrfach diskutierte Idee, dass Amt auch mit Befugnissen im Bereich des Verbraucherschutzes auszustatten, verworfen hat, kann es behördliche Verfügungen nur bei Wettbewerbsverstößen aussprechen. Dennoch erhofft sich das Bundeskartellamt von der öffentlichen Vorstellung der Ergebnisse der Sektoruntersuchung in einigen Monaten einen Anstoß zur Verbesserung der Verbraucherrechte bei Messenger-Apps.
Komisch, dass sich so viele Menschen für genau den Dienst entscheiden, vor dem die Behörden am meisten warnen. Und dass viele junge Leute die wunderbar protokoll-offene E-Mail gar nicht mehr nutzen.
Es gibt kaum einen Bereich, in dem Behörden so weit von den Nutzerwünschen und -erwartungen weg sind wie beim Datenschutz. Datenschutz ist den allermeisten Leuten heute eben nur auf dem Papier wichtig, aber nicht in der Praxis.
Leider galt das ja auch für staatliche Schnüffelei. Union und SPD sind immer für mehr Überwachung und Grüne und FDP immer genau dann, wenn sie gerade in der Regierung sind? Egal, wir wählen sie trotzdem.
Was die Behörden hier WIRKLICH austragen, ist ein Kampf des abgeschlagenen Europas gegen die führenden USA. Handelsrechtlich kann man nichts machen, also sucht man sich Rechtsgebiete, in denen man noch Entscheidungshoheit hat.
Die E-Mail wird insbesondere auch aus Datenschutz-Sicht extrem skeptisch betrachtet. Das Problem mit dem Datenschutz ist bei WhatsApp nicht der Kommunikationsinhalt – der ist ERHEBLICH sicherer bei WhatsApp, als er es bei der archaischen E-Mail jemals war. (Tatsächlich so sicher, dass von staatlicher Seite weltweit gejammert wird, dass mensch uns viel weniger überwachen könne als gewünscht.) Problematisch ist meines Wissens insbesondere, dass WhatsApp die Kontaktlisten seiner Nutzer ausliest und verwendet und somit eine Übersicht über soziale Verbindungen erlangt, für die es keine rechtliche Grundlage gibt.
Also: Es stimmt schon, bei Datenschutz gehen Behörden- und Bürgerinteressen auseinander, nur eben anders als Sie es darlegen. Aber ja, dass hier vor allem gegen die Vormachtsstellung von US-Unternehmen angegangen werden soll, damit europäische Konkurrenz entstehen kann, daran ist sicherlich viel Wahres.
„Datenschutz ist den allermeisten Leuten heute eben nur auf dem Papier wichtig, aber nicht in der Praxis.“
Das ist ein viel zu kurze und nur sehr oberflächliche Sichtweise. Aus der soziologischen Einstellungsforschung bei Klimaschutz und Fleisch weiß man dass den vErbrauchern bestimmte Aspekte sehr wohl extrem wichtig sind. Aber sie wollen sich eben nicht damit beschäftigen, sondern habene eine Erwartungshaltung an den Gesetzgeber. Letzterer betreibt allerdings Arbeitsverweigerung und setzt auf „Freiwilligkeit“.
@ Titus von Unhold
Schon klar: Andere wissen besser als die Verbraucher, was die Verbraucher wirklich wollen. :)
Von einer „Kartell“-Behörde würde ich erwarten, dass sie ein Konzept erarbeitet mit dem ein Gesetz geschaffen werden kann, das dieses „natürliche Monopol“ und diese (prinzipielle) Beschränkung eines freien Marktes beendet und sich nicht um die Dinge kümmert für der Datenschutzbeauftrage zuständig ist.
Z.B. könnte die Kartell-Überwachung dafür sorgen, das Messegenger-Betreiber mit anderen Messengern „Gatwayen“ müssen.
Man stelle sich vor, man könne als Telekom-Kunde mur mit anderen Telekom-Kunden telefonieren. Ist ein Bekannter:in bei Vodaphone müßte man einen eigenen Vertrag bei Vodaphone abschliessen. Klingt grotesk, oder?
Aber genauso sieht es auf meinem Handy aus:
Ich habe Threema,Telegram,Signal, …und Whatsapp installiert.
gefühlt 99% meiner Bekanten finde ich auf WA, und für die (leicht aufgerundet) 1% „Rest“ brauche ich die anderen Apps, weil diese ebend nicht bei WA sein wollen.
Die einen wie die anderen sind mir gleichwichtig.
Klar könnten alle meine Bekannte zu Telegram wechseln.
Und was ist mit deren Bekannte?
Auch zu Telegramm umziehen?
Letzlich wären wir alle bei Telegramm, was wäre gewonnen?
Das die Server in Kasachstan stehen?
Das ist halt das Dilemma bei einem „natürlichen Monopol“.
Der Gesetzgeber ist gefordert, gatwaying vorzuschreiben.
Dann löst sich auch das Datenschutzproblem, weil man zu dem Wechseln kann, der den Besten Schutz bietet und nicht zu dem der die meisten Bekannten…
Gateways sind primaer ein Einfallstor fuer SPAM und ein Weg zu einer einheitlichen und uebergreifenden Ueberwachungsschnittstelle. Und wuerde zB die Daten und Metadaten von WhatsApp-Vermeidern dann eben doch fuer WhatsApp sichtbar machen, das will man ja gerade nicht.
Offenlegung der Protokolle wuerde multiprotokoll Clients/Apps erlauben, und damit auch Gruppen ueber Platformen hinweg. Ohne, dass eine Platform etwas von fremden Nutzern sehen koennte.
„Als positives Beispiel wird hier häufig das Mail-Protokoll hervorgehoben, das es Menschen ermöglicht, unabhängig von ihrem Mail-Anbieter miteinander zu kommunizieren.“
Bei eMail kann man sogar auch die unterschiedlichen Protokolle nutzen, nicht nur SMTP…
Aber der Vergleich hinkt, denn eMail war von anfangan und prinzipiell offen.
Und WA,fb sind weit mehr als „eMail“.
Einst (80er/90er) gab es auch „Mailbox Systeme“ (Compuserve,AOL, tausende kleiner „Points“ wurden zu festen Zeiten angerufen um eMail zu pollen…). Diese sperrten ihre Benutzer aber genauso ein wie die Messenger jetzt. Überlebt haben nur die, die offen waren, die Gateways z.B. ins Usenet betrieben und auch „PM“ per SMTP erlaubten.
Kommerzielle Anbieter sind an „Interoprabilität“ mit der Konkurrenz nicht interessiert.
Wer mag möge mal die Geschichte von „Schüler-VZ“ lesen.
Die so es so eilig hatten noch schnell auf den fb-Zug aufzuspringen, dass sich auf deren Servern angeblich originaler Code von fb befunden haben soll…