Spekulation abwendenWie Frag Den Staat die Berliner Wohnungspolitik transparenter machen will

Wenn die Stadt Berlin auf ihr Vorkaufsrecht für geschützte Häuser verzichtet, behält sie die genauen Verabredungen mit Immobilienkonzernen meist für sich. Jetzt wollen Aktivist:innen diese Abwendungsvereinbarungen öffentlich machen und rufen zum Mitmachen auf.

Berliner "Skyline"
Berlin von oben mit Blick auf Alexanderplatz, Fernsehturm, Rotes Rathaus und Berliner Dom. CC-BY 2.0 dronpicr

Welche Deals trifft die Berliner Verwaltung mit Immobilienkonzernen, damit die Stadt auf ihr Vorkaufsrecht für Häuser in Milieuschutzgebieten verzichtet? Diese Frage will das Transparenzportal Frag den Staat in einer neuen Kampagne klären: Mieter:innen können über die Plattform die meist geheim gehaltenen Abwendungsvereinbarungen für ihre Häuser anfragen und veröffentlichen.

Wenn private Akteur:innen Häuser in milieugeschützten Gebieten aufkaufen, sind Abwendungsvereinbarungen ein beliebtes Mittel der Verwaltung, um Anwohner:innen vor Verdrängung zu schützen und den Erhalt der Sozialstruktur im Kiez sicherzustellen. Sie sollen Mieter:innen einen gewissen Schutz garantieren, ohne dass die Stadt selbst Geld in die Hand nehmen und Wohnungen kaufen muss. Die neuen Eigentümer:innen verpflichten sich damit zu sozialen Erhaltungsmaßnahmen. So dürfen Mietwohnungen häufig für einen bestimmten Zeitraum nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt und keine unangebrachten Modernisierungsbauten vorgenommen werden. Den genauen Inhalt der Vereinbarungen veröffentlichen die Bezirke jedoch nicht.

Erst Mitte Juli wurde eine solche Vereinbarung mit der Deutsche Wohnen für 16 Häuser in Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Neukölln, Treptow-Köpenick und Tempelhof-Schöneberg geschlossen. Die Bewohner:innen hatten zuvor gegen die Übernahme durch den umstrittenen Dax-Konzern protestiert und die Bezirke aufgefordert, ihr Vorkaufsrecht zu nutzen. Auch über diese Einigung mit der Deutsche Wohnen sind nicht alle Details bekannt.

Bezirke sperren sich gegen Transparenz

Mieter:innen sind deshalb nun dazu aufgerufen, diese Grauzone der Wohnungs- und Mietenpolitik auszuleuchten. Über das Transparenzportal lassen sich die über 130 Abwendungsvereinbarungen in der Hauptstadt anfragen. Die Grundlage der Kampagne „Spekulation abwenden!” ist das Berliner Informationsfreiheitsgesetz.

„Mieter:innen müssen die Kontrolle über ihre Wohnungen zurückgewinnen. Wenn Bezirke und Immobilien-Käufer:innen Vereinbarungen über Gebäude schließen, müssen die Anwohner:innen wissen, was da drin steht“, fordert Lea Pfau von Frag Den Staat. Bislang sperren sich die Bezirke jedoch gegen die Transparenz.

In Pankow etwa durfte 2019 nach dem Abschluss einer Abwendungsvereinbarung für die Paul-Robeson-Str. 17 nur eine kleine Gruppe von Mieter:innen die Vereinbarung im Büro des zuständigen Bezirksstadtrats einsehen. Kopien oder Fotos durften sie nicht anfertigen; über die Inhalte sei „Stillschweigen“ vereinbart worden.

Diese Geheimniskrämerei nähre Zweifel an der Qualität der Verabredungen, kritisiert Pfau. Die Stadt müsse deshalb künftig alle Abwendungsvereinbarungen mit Immobilienkonzernen aktiv veröffentlichen. Bis das soweit ist, können Mieter:innen auf der Kampagnenseite herausfinden, ob es für ihr Haus eine Abwendungsvereinbarung gibt, und diese dann unkompliziert anfragen.

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