Googles Maildienst Gmail ist kein Telekommunikationsdienst, hat gestern das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden. Damit gelten für das Mailangebot des US-Unternehmens geringere Auflagen als beispielsweise für Mobilfunkanbieter, unter anderem beim Datenschutz.
Ausgangspunkt des jahrelangen Rechtsstreits waren Bescheide der Bundesnetzagentur aus den Jahren 2012 und 2014. Aus Sicht der Behörde handelt es sich bei GMail um einen Telekommunikationsdienst im Sinne des deutschen Telekommunikationsgesetzes.
Deshalb müsse Google die daraus folgenden Pflichten umsetzen, forderten die Regulierer, und etwa Meldepflichten beachten, Abhörschnittstellen für Ermittlungsbehörden einrichten oder höheren Auflagen beim Datenschutz nachkommen.
Streit um „Signalübertragung“
Gegen diese Bescheide ging Google juristisch vor, verlor jedoch zunächst vor dem Verwaltungsgericht Köln. Im Vorjahr landete das Verfahren schließlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), der Google in einer Vorabentscheidung Recht gab.
Der US-Konzern machte damals geltend, Gmail sei kein Telekommunikationsdienst, da er selbst keine Signale übertrage. Diese Aufgabe würden Netzanbieter erledigen, Google übe darauf „weder tatsächliche noch rechtliche Kontrolle“ aus. Der EuGH folgte dieser Auffassung, nun schloss sich auch das Oberverwaltungsgericht Münster an und hob sowohl die Bescheide der Bundesnetzagentur sowie das Urteil aus Köln auf.
Es reiche nicht aus, so die Richter in Münster, dass die Übertragung über das Internet geschehe: „Dass Google bei dem Versenden und Empfangen von Nachrichten aktiv tätig werde, indem es den E‑Mail-Adressen die IP-Adressen der entsprechenden Endgeräte zuordne, die Nachrichten in Datenpakete zerlege und sie in das offene Internet einspeise oder aus dem offenen Internet empfange, damit sie ihren Empfängern zugeleitet werden, reiche für die Einstufung dieses Dienstes als Telekommunikationsdienst nicht aus.“
Im Wesentlichen seien die Internetzugangsanbieter der Absender und der Empfänger von E-Mails sowie die Betreiber der verschiedenen Netze, aus denen das offene Internet bestehe, für die Signalübertragung verantwortlich, bestätigte das Gericht. Dass Google eine eigene Netzinfrastruktur betreibe, ändere nichts an dieser Beurteilung.
Gesetzesänderung steht an
Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Allerdings kann die Bundesnetzagentur noch mit einer Beschwerde vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen. Zwischenzeitlich müsse die Behörde aber GMail aus dem öffentlichen Verzeichnis entfernen, wo es als Telekommunikationsdienst gelistet ist.
Ob dieser Rechtsstreit bis zum Ende durchgefochten wird, bleibt noch unklar. Noch in diesem Jahr soll eine Gesetzesänderung sogenannte „Over-the-Top-Dienste“ wie WhatsApp, möglicherweise aber auch Maildienste, herkömmlichen Telekommunikationsdiensten wie Telefonie oder SMS rechtlich gleichstellen.
„Um einen gleichwertigen und wirksamen Schutz der Endnutzer sicherzustellen, werden in einem modernisierten Rechtsrahmen auch die Begriffsbestimmungen stärker an der Funktionsweise und weniger technisch ausgerichtet“, heißt es in einem Eckpunktepapier der Bundesregierung. Somit könnte die Debatte darüber, wem bei der Signalübertragung welche Rolle zukommt, hinfällig werden.
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