bitsHurra, der Digitalgipfel war da

Die Bundesregierung hat ihren 15. Digitalgipfel abgehalten. Die engagierte digitale Zivilgesellschaft kam dabei mal wieder kaum vor. – Die Debatte um Hintertüren dreht sich weiter in die falsche Richtung. – Die Video-Serie „Baseballschlägerjahre“ thematisiert die traumatischen Erfahrungen vieler Menschen in der Nachwendezeit im Osten. – Der Tagesrückblick.

Unser wochentäglicher bits-Newsletter erscheint natürlich auch am Dienstag.
Unser wochentäglicher bits-Newsletter erscheint natürlich auch am Dienstag. CC-BY 4.0 netzpolitik.org

Hallo,

die Bundesregierung hat die vergangenen zwei Tage ihren Digitalgipfel 2020 abgehalten. Auf dem ehemaligen „nationalen IT-Gipfel“ kommen einmal im Jahr Bundesregierung, Wissenschaft und die IT-Industrie (vor allem in Form des Lobbyverbandes Bitkom) zusammen und stellen dabei Projekte vor. Im Hintergrund werden dabei Fördergelder verteilt.

Dieses Jahr fand der Digitalgipfel anlässlich der Corona-Pandemie in erster Linie online statt. Etwas verwundert war ich, dass man sich mit einer Mailadresse registrieren musste, um den Livestream verfolgen zu können. Das kann man machen, und die offensichtlich automatisierte Mail mit Zugangscode kam auch schnell an. Aber als Bundesregierung sollte man auch den Anspruch haben, offen zu sein und eine Teilhabe auch ohne hinterlassene Mailadresse zu ermöglichen.

Sonst bleibt das Grundproblem des Digitalgipfels bestehen: Die in Deutschland sehr engagierte und wichtige Zivilgesellschaft findet in diesem Rahmen kaum statt.  Stattdessen gehört zum Setting, dass immer der jeweilige Bitkom-Präsident selbstverständlich mit der Bundeskanzlerin auf der Bühne diskutiert. Einige Panels waren voller Vertriebs-Präsentationen beteiligter IT-Unternehmen, ein echter Dialog über inhaltliche Themen fand selten statt.

Das ist natürlich erfreulich transparent in die Richtung, dass damit immer schön offengelegt wird, wer für die Bundesregierung der relevante Ansprechpartner für alle digitalen und netzpolitischen Fragen ist. Aber es zeigt sich auch immer sehr klar, dass gemeinwohlorientierte Positionen außerhalb der engagierten und diesmal mehr beteiligten Wissenschaftler:innen von der Bundesregierung kaum beteiligt werden. Und das ist bei der 15. Runde immer noch peinlich und bildet die gesellschaftlichen Debatten nicht ab.

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Anlässlich unserer Jahresend-Kampagne zur Ausfinanzierung unserer Arbeit hat unsere Kreativ-Abteilung mit datenscham.org eine kleine Plattform erstellt, wo man sich anhand einiger Fragen zum persönlichen Online-Nutzungsverhalten einen Privacy-Score errechnen kann.

Kurze Pausenmusik:

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Neues auf netzpolitik.org

Andre Meister hat den Referentenentwurf für das geplante BND-Gesetz veröffentlicht und eingeordnet: Ausspähen unter Freunden wird legalisiert und ausgeweitet.

Der Bundesnachrichtendienst soll in seiner Vorratsdatenspeicherung auch die Verbindungsdaten von Deutschen speichern dürfen, wenn er einige Daten unkenntlich macht. Das steht im neuen Entwurf zum BND-Gesetz, den wir veröffentlichen. Um diese Daten zu sammeln, soll der Geheimdienst auch Mobilfunk- und Internetanbieter hacken.

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Leonhard Dobusch kommentiert die Ankündigung der CDU-Landtagsfraktion, einer Erhöhung des Rundfunkbeitrages nicht zuzustimmen, die von ihrem CDU-Ministerpräsidenten fertig ausgehandelt wurde: Es geht nicht um 86 Cent, es geht um Grundsätzliches.

In der Debatte um die (Zustimmung der CDU in Sachsen-Anhalt) zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist die Debatte selbst das Problem. Und damit potentiell auch dieser Blogeintrag. Deshalb der Versuch einer paradoxen Intervention.

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Arne Semsrott schreibt über: Bundesregierung lässt weiterhin zivilgesellschaftliche Organisationen von Geheimdienst überprüfen.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte bemängelt, dass Auskunftsanfragen von Bundesministerien beim Bundesamt für Verfassungsschutz keine gesetzliche Grundlage haben. Am Montag entscheidet das Berliner Verwaltungsgericht erstmals, ob das Familienministerium die Namen der überprüften Organisationen herausgeben muss.

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Tomas Rudl hat sich angeschaut, was die Bundesnetzagentur zu „smarten Geräten“ meint: Aufpassen beim „smarten“ Weihnachtseinkauf.

„Smarte“ Puppen, Uhren oder sonstige Spielzeuge können unter Umständen in Deutschland verboten sein. In der Vorweihnachtszeit warnt die Bundesnetzagentur nun vor voreiligen Einkäufen übers Internet. Zudem macht die Behörde auf mögliche Gesundheitsrisiken aufmerksam, die den Preisvorteil von Billigprodukten zunichte machen können.

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In einem Gastbeitrag kritisiert Dominik Theis: Zwölf Millionen Euro für Open Educational Ressources – ein Tropfen auf dem heißen Stein?

In der Coronapandemie will sich die Bundesregierung erstmals für freie Bildungsmaterialien einsetzen. Doch die Initiative bleibt hinter den Erwartungen zurück. Ein Gastbeitrag aus dem Bündnis freie Bildung.

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Stefanie Talaska hat unseren Transparenzbericht für den September 2020 geschrieben und dabei eine überraschende Erkenntnis formuliert: Unsere Einnahmen und Ausgaben und eine stürmische See.

„Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, heißt es so schön. Eine Änderung auf netzpolitik.org läutet aber anscheinend den Untergang der netzpolitischen Berichterstattung ein. Im September haben wir Neues gewagt. Mit zwei interessanten Erkenntnissen.

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Arne Cypionka hat Details zu einem Überwachungsvorhaben auf kommunaler Ebene: Energieversorger plant automatisierte Videoüberwachung.

Die Stadt Karlsruhe will das „Sicherheitsgefühl“ in der Innenstadt verbessern. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine polizeiliche Videoüberwachung sind nicht erfüllt. Eine Entwicklung des Energiekonzerns EnBW könnte diese Hürde umgehen.

Was sonst noch passierte:

Leonhard Dobusch hat für das Momentum-Institut über die Message-Control-Strategie von Sebastian Kurz in Österreich geschrieben: News-Cycling wie Kurz: Der News Cycle, seine Folgen und was wir dagegen tun können.

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Erich Moechel hat die ausverhandelte Version der Hintertür-Resolution des EU-Ministerrats analysiert und darin deutlich die Handschrift der „Five Eyes“ gefunden, also von NSA, GCHQ und Co. Das ist keine Überraschung, aber vielen immer noch nicht bewusst: „Five Eyes“ hinter den Entschlüsselungsplänen des EU-Ministerrats.

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Derweil wurden die australischen Geheimdienste, Gründungspartner des Five-Eyes-Überwachungsnetzwerks, dabei erwischt, wie sie „aus Versehen“ über Monate Daten der australischen Corona-Warn-App überwacht haben. Das ist ein weiteres anschauliches Beispiel dafür, wie richtig und wichtig es war, dass die deutsche Corona-Warn-App genau das durch das technische Design verhindert: Australia’s spy agencies caught collecting COVID-19 app data.

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Aus der beliebten Kategorie „Gute Hintertüren, schlechte Hintertüren“: Einige der lautstarken Befürworter eines Huawei-Verbotes wegen befürchteter chinesischer Hintertüren wollen sich nicht zu Hintertüren in US-Produkten wie jenen des Netzwerkausrüsters Juniper äußern. Golem.de hatte verschiedene Politiker um ein Statement gebeten und von keinem eine Antwort erhalten: Deutsche Huawei-Gegner schweigen zu Juniper-Hintertüren.

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Stefan Mey hat für Heise-Online über den 25. Geburtstag des Tor-Projektes geschrieben, welches die wichtigste Infrastruktur für anonyme Kommunikation geschaffen hat: 25 Jahre Anonymisierung mit Tor, eine Geschichte mit Widersprüchen.

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Das Handelsblatt vermutet in neuen Recherchen, dass bei Wirecard noch mehr betrogen wurde als bisher bekannt ist: Jan Marsalek und der Coup des Jahrhunderts.

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Das dänische TV-Politikmagazin 21 SØNDAG hat mich anlässlich des Amazon-Starts in Dänemark zu unseren deutschen Erfahrungen mit dem Handelskonzern interviewt. Das wurde am Sonntag ausgestrahlt und man kann sich das hier anschauen. Allerdings ist das weitgehend in dänisch und das klingt alles sehr nett und charmant, aber außer Amazon hab ich nichts verstanden.

Audio des Tages: Interoperabilität

In Folge vier des EFF-Podcasts „How to Fix the Internet“ sprechen Cindy Cohn, Danny O’Brien und Cory Doctorow über Interoperabilität. Das ist ein Dreamteam, dem ich stundenlang zuhören kann.

Video des Tages: Baseballjahre mit AlphaGo

Ich bin im Westen groß geworden und hab erst spät durch Freund:innen mitbekommen, wie es war, in der Nachwendezeit im Osten sozialisiert worden zu sein, als rechtsextremes Gedankengut und Handeln groß wurde. Als es normal war, dass man an vielen Orten Angst haben musste, von Nazis verprügelt zu werden. Für die meisten jungen Menschen waren das traumatisierende Erfahrungen, die für viele ein Grund wurden, dort wegzuziehen. Was auf lange Sicht das Problem natürlich noch verschärfte, siehe AfD-Popularität im Osten, aber ich verstehe jede/n Einzelne/n, wenn man in einer solchen Atmosphäre nicht leben möchte. Der Journalist Christian Bangel hatte über diese ihn prägende Zeit auf Zeit-Online geschrieben und den Begriff „Baseballschlägerjahre“ geprägt. Viele fühlten sich verstanden. Jetzt hat der RBB zusammen mit Zeit-Online und Christian Bangel das Thema in mehreren Videos aufgerollt: Die Wendegeneration und rechte Gewalt – Baseballschlägerjahre.

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Christian Stöcker beschreibt in seinem aktuellen Buch „Das Experiment sind wir“ sehr anschaulich die Geschichte von AlphaGo und die Auswirkungen auf die Debatte über „Künstliche Intelligenz“. Zufällig (oder etwa nicht?) hat mir Youtube jetzt eine Dokumentation zum Thema empfohlen: AlphaGo – The Movie.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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