Haushalt 2021Zwölf Millionen Euro für Open Educational Ressources – ein Tropfen auf dem heißen Stein?

In der Coronapandemie will sich die Bundesregierung erstmals für freie Bildungsmaterialien einsetzen. Doch die Initiative bleibt hinter den Erwartungen zurück. Ein Gastbeitrag aus dem Bündnis freie Bildung.

Tropfen auf dem Stein
CC-BY-NC 2.0 Tobi Firestone

Dominik Theis ist Projektmanager für Bildungspolitik bei Wikimedia Deutschland e. V. und koordiniert seit Mitte des Jahres 2018 das Bündnis Freie Bildung. Er setzt sich für die Öffnung von Lehren, Lernen und Bildung sowie die Förderung Freien Wissens ein. Gemeinsam mit den Mitgliedern des Bündnisses setzt er Impulse für einen politischen Wandel mit dem Ziel der zeitgemäßen Bildung in einer offenen, digitalen Gesellschaft.

Am Donnerstag, den 26. November wurde in der sogennanten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses über den Bundeshaushalt für das kommende Jahr beraten. Der Haushaltsentwurf, der in 50. Kalenderwoche beschlossen werden soll, umfasst neben Corona-Hilfen und -Maßnahmen auch Digitalvorhaben in Millionen und Milliardenhöhe. Auch in digitale Bildung soll neben den Corona-Sonderprogrammen zum Digitalpakt Schule nachhaltig investiert werden.

Im aktuellen Haushaltsentwurf sind nun Mittel für den Aufbau einer nationalen Bildungsplattform und Bildungskompetenzzentren eingeplant. Darüber hinaus die verkündete die SPD-Abgeordnete Marja-Liisa Völlers, dass die Förderung von Open Educational Ressources (OER) nun mit 12 Millionen betitelt wurde, eine Steigerung von 50 Prozent im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf. In ihrem Tweet ließ die Bildungsexpertin der SPD-Fraktion durchklingen, dass das CDU-geleitete Bundesministerium für Bildung und Forschung sich nicht für eine Erhöhung des Etats einsetzte. Dass sich das BMBF nicht selbst für die Stärkung von freien Bildungsmaterialien und -infrastrukturen stark machte, überrascht nicht.

Die „OER-Strategie“, die damals in den Koalitionsvertrag der großen Koalition geschrieben wurde, wurde lange Zeit vom Ministerium vor sich hergeschoben und diente schon fast als Ausrede bei Nachfragen zu Konzepten für zeitgemäße, digitale Bildung des Bundes: Man solle doch Geduld haben, da komme noch etwas. Bereits letztes Jahr wurde anlässlich der Verabschiedung der „OER Recommendation“ der UNESCO verkündet, dass man sich nun endlich mit dem Thema befasse.

Ein Jahr und mehrere Anfragen der Opposition später – etwa die Anfrage zu “Freien Bildungsressourcen für Alle” der FDP – treten wir noch immer auf der selben Stelle. Die aktuellen Umstände und die Corona-bedingten Herausforderungen im Bildungsbereich machen jetzt noch einmal deutlicher, dass Deutschland noch stark nachjustieren muss. Die Corona-Hilfen als Zusatzvereinbarung zum Digitalpakt Schule sind hier gute erste Schritte auf einem Weg, den man schon viel früher hätte begehen müssen.

Offene Bildung bleibt ein Randthema

Die Dringlichkeit ist somit auch dem Bundesministerium klargeworden und man spricht nun tatsächlich auch von einer Förderung von Open Education im kommenden Jahr. Was genau aus dem Haushaltsposten finanziert werden soll, ist noch nicht klar. Klar ist jedoch, dass offene Bildung aufgrund des geringen Umfangs des Haushaltspostens weiterhin ein Randthema bleiben wird. Die Sofortprogramme in Höhe von 500 Mio. und die 90 Mio. Euro für die bundesweite Bildungsplattform und die Kompetenzzentren übertönen hier die Anstrengungen und Erfolge der Open-Education- und Open-Source-Gemeinschaft.

Die communitybasierte Mitmach-Plattform “WirLernenOnline” ist ein Zeugnis dafür, wie effizient offene und zeitgemäße Lösungen für Herausforderungen in der Bildung entwickelt und umgesetzt werden können. In solche Bottom-Up-Initiativen sollte der Bund mehr investieren – auch um kommerzielle Abhängigkeiten zu kommerziellen Anbietern zu verhindern.

Die Förderung von Open-Education- und Open-Source-Projekten ist nachhaltig und sorgt für eine Verringerung von Bildungsungerechtigkeit. Politische Interessen der einzelnen Parteien und der Länder dürfen hier einer gerechten, offenen und inklusiven Bildung nicht im Wege stehen. Die Bildungspolitiker*innen der Bundestagsfraktionen scheinen sich bereits einig und auch die zwei Bildungsplattformen der Länder und des Bundes haben bereits Kooperationsinteresse geäußert, dem sie schnellstmöglich nachgehen sollten.

Mehr Transparenz, Miteinander und Offenheit

Auch die beiden genannten Haushaltstöpfe sollten zusammengedacht werden: Eine nationale Bildungsplattform und Kompetenzzentren funktionieren nur auf Basis von Offenheit, gemeinsamen Standards, Vernetzung und das Schaffen von Synergieeffekten. Darüber bestand auch Einigkeit beim Symposium Digitale Bildung, das Anfang Oktober von Saskia Esken einberufen wurde. Die im Schulgipfel verabschiedeten Handlungsstränge zur Stärkung des Schulsystems in der Coronapandemie bieten hier auch bereits gute Ansatzpunkte.

Um zu garantieren, dass der Bildung in Deutschland der Sprung ins 21. Jahrhundert gelingt, brauchen wir ein schnelles, umfassendes und nachhaltiges Handeln. Damit wir nicht wieder abgehängt werden, müssen wir alle – Politik, Praxis und Zivilgesellschaft – an einem Strang ziehen. Ihr volles Potenzial kann die Digitalisierung der Bildung nur dann entfalten, wenn sie offen erfolgt, so dass jeder und jede auf sie zugreifen und zu ihr beitragen kann.

Das Bündnis Freie Bildung spricht sich für mehr Transparenz, Miteinander und Offenheit aus, bereitet sich auf die für Frühjahr 2020 angekündigte offene Beratschlagung zur OER-Strategie vor und möchte so dafür sorgen, dass die bildungspolitischen Vorhaben als Tropfen Wellen auslösen und nicht auf dem heißen Stein verdampfen.

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