Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.
Im Jahr 2020 steht ein umfassender Relaunch des digitalen ZDF-Nachrichtenangebots an. Unter der Dachmarke von heute.de sollen dann digitale Nachrichtenangebote stärker gebündelt werden. In einem Interview mit dem Branchendienst DWDL schwärmt ZDF-Intendant Thomas Bellut zwar vom „Traum“ eines „öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanal[s]“. Da ein solcher politisch aber nicht gewünscht sei, gelte die Aufmerksamkeit dem digitalen Nachrichtenangebot:
Wir haben im Augenblick ein ganz anderes Projekt vor uns, das 2020 für das ZDF von großer Bedeutung ist: Die Weiterentwicklung von „heute“ im digitalen Bereich.
Wie sich beim öffentlich-rechtlichen Jugendangebot Funk gezeigt hat, ist es wahrscheinlich sogar von Vorteil, dass Belluts Traum eines Nachrichtenkanals unerfüllt bleibt. Denn das erlaubt es, sich voll und ganz auf die Anforderungen und Chancen dieses Digitalangebots zu konzentrieren. Wie schwierig es nämlich ist, lineare und nicht-lineare Nachrichtenangebote unter einen Hut zu bringen, haben die Erfahrungen mit den Spätnachrichten „heute+“ gezeigt: die Bedeutung der klassisch-linearen Sendung mit fixem Ausstrahlungstermin war kreativen und neuen Online-Ideen eher im Weg. Das dürfte mit ein Grund dafür sein, dass es für heute.de ein eigenes Team geben wird:
So ist es, es gibt ein Team, das eng mit den Kolleginnen und Kollegen der Sendungen zusammenarbeitet, aber gezielt für heute.de produziert. Inhaltlich und technisch. Die unterschiedlichen Endgeräte der Nutzer erfordern verschiedene Videoformate und Aufbereitungen, aber sie machen auch ganz neue Formen der Informationsvermittlung möglich.
Verlinkung und „zweite Meinung“?
Ausgespart wurde im Interview jedoch die Frage, inwieweit in das neugestaltete Angebot von heute.de auch Nachrichteninhalte anderer öffentlich-rechtlicher Online-Angebote eingebunden werden. Denn der seit 1. Mai diesen Jahres geltende 22. Rundfunkstaatsvertrag erlaubt endlich eine stärkere Verlinkung und Verschränkung öffentlich-rechtlicher Angebote.
Konkret könnte das zum Beispiel bedeuten, Kurzmeldungen auf heute.de mit längeren Beiträgen oder Radio-Features des Deutschlandfunks zu verknüpfen. Spannend könnte auch sein, regelmäßig auf die Berichterstattung und Kommentare der ARD-Schwester Tagesschau.de zu verlinken. Als Hinweis auf eine „zweite Meinung“ eines anderen öffentlich-rechtlichen Angebots wäre damit die Chance verbunden, öffentlich-rechtlichen Binnenpluralismus in die Auslage zu stellen. Ähnliches gilt für portalübergreifende Listen mit meistgelesenen, meistgeteilten oder meistkommentierten Beiträgen.
Keine Fusion, sondern Vernetzung
Die Forderung nach einer offensiven Einbindung von anderen öffentlich-rechtlichen Nachrichtenangeboten in heute.de ist deshalb auch keineswegs ein Plädoyer für eine Vereinheitlichung oder gar Fusion. Im Gegenteil, die redaktionelle Eigenständigkeit gerade auch bei der Verlinkung von anderen öffentlich-rechtlichen Inhalten sollte unbedingt gewahrt bleiben. Die Redaktionen entscheiden, welche Inhalte sie aufgreifen, verlinken oder vielleicht sogar kritisieren.
Aber nur wenn es zu dieser stärkeren Vernetzung kommt, kann die von ARD-Vorsitzendem Wilhelm und ZDF-Intendant Bellut gemeinsam propagierte Vision eines „öffentlich-rechtlichen Kosmos“ auch Wirklichkeit werden. Und ein solcher Kosmos oder, wenn auch das Publikum stärker mit einbezogen würde, ein öffentlich-rechtliches Ökosystem ist die Voraussetzung für öffentlich-rechtliche Netzwerkeffekte, die es erlauben mit großen kommerziellen Plattformen besser mitzuhalten.
Der Relaunch von heute.de wird der erste Prüfstein dafür sein, wie ernst es zumindest dem ZDF mit einer öffentlich-rechtlichen Netzwerkstrategie ist. Die Anzahl und Art der Einbindung von Inhalten anderer öffentlich-rechtlicher Angebote wird dafür die Messgröße sein.
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