Netzpolitischer Wochenrückblick KW 50: Eisenhart gegen Samples und sexfrei auf Facebook

Diese Woche beschäftigten uns unter anderem das europäische Urheberrecht, Fahrverbote und das langerwartete Urteil zu unserer Klage gegen die Bundesregierung. Um unseren Einsatz für digitale Freiheitsrechte wie gewohnt fortsetzen zu können, bitten wir zum Jahresende um Eure Spenden.

Ein Hirsch schaut aus einem Hintergrund grüner Blätter und Buschwerk
Na, das sind ja herrliche Aussichten. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Chris Greenhow

Unser Wochenrückblick wird auch als wöchentlicher Newsletter verschickt. Hier könnt Ihr Euch anmelden.

Wir kommen der Sache immer näher, aber ganz haben wir unser Spendenziel für 2018 noch nicht erreicht. Du bist Dir noch unsicher, weshalb es sich lohnt, unsere Arbeit und damit freien und unabhängigen Journalismus mit einer Spende zu unterstützen? Hier haben wir zwölf gute Gründe für Dich zusammengestellt.

Vor Gericht

Wir haben geklagt, das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden. Nach fünf Jahren Verfahren fiel in dieser Woche das Urteil. Unter Verschluss bleibt zwar weiterhin, wie die Bundesregierung über das Leistungsschutzrecht verhandelt hat, aber wir bekommen zumindest mitgeteilt, wer anwesend war.

Bei dem Rechtsstreit um den zweisekündigen Ausschnitt aus dem Track „Metall auf Metall“ der deutschen Elektro-Pop Gruppe Kraftwerk ist auch nach 20 Jahren kein Ende in Sicht. Der EuGH-Generalanwalt bleibt passend zum Song eisenhart und sieht im EU-Urheberrecht ohne Einzelfallentscheidung keine Erlaubnis für noch so kurze Samples.

In Hamburg ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der Cum/Ex-Recherchen gegen Correctiv Chefredakteur Oliver Schröm und nicht etwa gegen die Banken, die der Gesellschaft Milliarden kosteten.

Mit einer eindeutigen Mehrheit wurde in dieser Woche außerdem die Schriftstellerin, Juristin und Überwachungskritikerin Juli Zeh in Brandenburg zur Verfassungsrichterin gewählt.

Mehr Daten für die Behörden

Während die EU unter hohem Aufwand weiter daran arbeitet, ihre gesammelten Daten den Behörden noch effizienter zur Verfügung zu stellen und dafür fünf EU-Datenbanken mit biometrischen Daten zu einem „gemeinsamen Identitätsspeicher“ zusammenlegt, werden in Albanien versehentlich Geheimdienstdaten mit sensiblen Informationen von Mitarbeitern und hohen Beamten einfach ins Netz gestellt. In Deutschland hat der Landtag Nordrhein-Westfalen in dieser Woche für das neue Polizeigesetz gestimmt, das unter anderem den Einsatz des umstrittenen Staatstrojaners beinhaltet.

Auf vier Rädern oder zwei

Um Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge durchzusetzen, will die Bundesregierung eine automatisierte Kennzeichenerfassung auf den deutschen Straßen einführen. Im Interview mit netzpolitik.org sagt die FDP-Politikerin und ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, dass diese Massenüberwachungsmaßnahme unverhältnismäßig wäre.

Ebenfalls auf vier Rädern rollt seit Längerem die Debatte um das Eigentumsrecht auf Daten, denn die Automobilindustrie drängt die Bundesregierung zu dieser gravierenden Änderung des Datenrechts. VerbraucherschützerInnen warnen vor der zunehmenden Kommerzialisierung grundrechtssensibler Bereiche.

Neben den vierrädrigen Verkehrsteilnehmern bereiten auch einige Fahrräder in Berlin DatenschützerInnen Sorge. Der chinesische Bike-Sharing-Anbieter Mobike sammelt über die NutzerInnen des Angebots Nutzung- und Standortdaten, um damit im eigenen Land individuelle Score-Werte zu berechnen. Die Berliner Datenschutzbehörde prüft den Fall nun.

70 Jahre Menschenrechte

Anlässlich des siebzigsten Geburtstags der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hat Amnesty International eine Bestandsaufnahme gemacht. Die befragten BürgerInnen der Umfrage wünschen sich von der Bundesregierung und dem Bundestag einen stärkeren Einsatz für die Durchsetzung der Menschenrechte. Mit diesem Auftrag wurden der Bundestagsvizepräsidentin in dieser Woche 709 Exemplare der Menschenrechtserklärung für die Abgeordneten von Amnesty übergeben. Auch Gerhart Baum stellt klare Forderungen anlässlich des Jubiläums. Das Menschenrecht auf Privatsphäre sieht er durch staatliche und kommerzielle Überwachung in den vergangenen siebzig Jahren zunehmend in Gefahr und fordert eine Genfer Konvention zu Cyberwar.

Künstliche Probleme

Alle Welt spricht über Künstliche Intelligenz (KI) und große Konzerne liefern dabei den größten Teil der Medienberichterstattung. Das fand eine Studie des Reuters-Instituts für Journalismusforschung heraus, in der sie Artikel rund um das Thema KI untersuchten. Frauen und nicht-weiße Menschen dürfen sich in der Forschung zu Künstlicher Intelligenz allerdings unverhältnismäßig wenig zu Wort melden. Auf der weltgrößten Konferenz NeurIPS sollte das endlich einmal anders aussehen, aber die kanadischen Einreisebedingungen erschweren die Bemühungen der VeranstalterInnen.

Die Bundesregierung setzt auf Gesichtserkennung als Lösung vieler Probleme und dabei könnte genau diese algorithmengestützte Überwachungsmaßnahme das Kernproblem der Zukunft sein. Zu diesem Schluss kommt zumindest das New Yorker Forschungsinstitut AI Now in seinem Jahresbericht.

Bei der ganzen Aufregung um Social Bots sollte man hingegen nicht vergessen, dass Accounts, hinter denen Menschen oder staatlich-kontrollierte Medienunternehmen sitzen einen deutlich größeren Einfluss auf die Meinungsmache der Gesellschaft haben, wenn es jetzt beispielsweise um den UN-Migrationspakt oder die Proteste der Gelb-Westen in Frankreich geht.

Uploadfilter und Urheberrecht

Uploadfilter und Abhören von verschlüsselten Nachrichten sind laut dem EU-Parlament die neuen Wundermittel im Kampf gegen die Verbreitung terroristischer Inhalte im Internet. Weniger Beachtung finden dabei die Einhaltung der Grundrechte. Die Reform des EU-Urheberrechts hat derweil eine ganz andere Richtung eingeschlagen. Eigentlich sollten die Positionen von Kunstschaffenden im Internetzeitalter gestärkt werden. So wie es im Bericht von Lobbywächtern derzeit aussieht, werden durch die Reform allerdings vor allem große Firmen profitieren.

Datenschutzgrundverordnung und -anpassungsgesetz

Andrea Voßhoff äußerte bei ihrem letzten Auftritt im Bundestag als bald ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Kritik an der medialen Debatte zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und der mangelhaften Kommunikationspolitik der Bundesregierung. Aus knapp sechs Monaten DSGVO fasste sie außerdem zusammen, dass knapp ein Viertel aller Datenschutzbeschwerden aus Deutschland stammen.

Ein Sachverständigenrat kritisierte in einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags das geplante Datenschutzanpassungsgesetz und fokussierte sich dabei unter anderem auf die Verunsicherung durch mögliche Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen.

Let’s talk about sex

Oder eben auch nicht: Auf Facebook darf künftig nicht mehr von Sex die Rede sein. Selbst vage Formulierungen der sexuellen Kontaktaufnahme sind laut neuer Richtlinien in Postings untersagt und werden bei Meldung rigoros gelöscht.

In der Wikipedia Community sind weibliche Editorinnen wenig vertreten. In einem Gastbeitrag zeigt Carolina Schwarz anhand eines konkreten Beispiels einmal auf, wie mit Frauen in der Wikipedia umgegangen wird.

Kommunikationsfreudig

In einer Untersuchung hat sich herausgestellt, dass sich ein Drittel aller Android-Apps gern mit dem Social-Media-Konzern Facebook unterhält. Selbst ohne eigenen Account werden Daten der Nutzer heimlich übermittelt. In einer anderen Recherche der New York Times wird einmal deutlich gemacht, wie uns Smartphone-Apps durch Standortdaten hinterher spionieren.

Digital und sozial

Mit einem Diskussionspapier stellt die Initiative „Konzernmacht beschränken“ Regulierungsforderungen an die Bundesregierung. Mittels Gesetzesänderungen soll der Monopolbildung von großen Konzernen auf dem Digitalmarkt verhindert werden. Auch Tilman Santarius appelliert in einem Gastbeitrag an die Politik und fordert eine sozial-ökologische Digitalpolitik.

Nach dreizehn Jahren schließt der Hoster Blogsport.de metaphorisch seine Pforten. Der Betreiber der alternativen Plattform für Blogs sagt im Gespräch mit netzpolitik.org: „Wir sind erschöpft“.

Erste Hilfe

In einem kleinen Text-Adventure klärt die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch über Verschlüsselung im Alltag auf, am Helpdesk erhalten derweil Betroffene erste Hilfe in Sachen Hass im Netz und über das Portal OffeneGesetze.de lassen sich jetzt kostenlos alle Bundesgesetzblätter einsehen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

0 Ergänzungen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.