Netzpolitischer Wochenrückblick KW 29: Von künstlichen Intelligenzbeschwörern

Die Bundesregierung findet Künstliche Intelligenz gut, ohne zu definieren, was sie darunter versteht. Derweil verlangt die EU-Kommission eine Strafzahlung über 4,43 Milliarden Euro von Google. Gegen automatisierte Biometriezugriffe von Polizei und Co. gibt es jetzt eine Verfassungsbeschwerde. Was uns diese Woche beschäftigte.

Die Bundesregierung will glänzen.

Unser Wochenrückblick wird auch als wöchentlicher Newsletter verschickt. Hier könnt Ihr Euch anmelden.

Die Bundesregierung beschwor diese Woche die Segnungen der Künstlichen Intelligenz. Sie will Deutschland zu einer Spitzenposition in dem Bereich verhelfen. Dafür will das Kabinett neue Förderungsprogramme aufsetzen. Peinlich ist, wie unsere Analyse zeigt, dass die Bundesregierung in ihrem Papier grundlegenden Fragen ausweicht: Neben einer Definition von Künstlicher Intelligenz fehlt auch eine Position zu deren möglichem militärischen Einsatz. Unklar ist auch, wie viel Geld in die Förderung fließen soll. Deutlich wird dagegen in dem Papier, dass die Bundesregierung Forschung und Wissenschaft noch weiter in den Dienst der Wirtschaft stellen will.

In unserem Transparenzbericht für den Mai geben wir wieder Einblicke in unsere Einnahmen. Dank einer großzügigen Einzelspende haben wir ein leichtes Plus gemacht, außerdem haben wir schöne neue Fotos fast aller Redaktionsmitglieder!

Europa und die Digitalkonzerne

Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat diese Woche eine Rekordstrafe gegen Google verhängt. Die Alphabet-Tochter muss für faule Taktiken beim mobilen Betriebssystem Android 4,43 Milliarden Euro bezahlen. Die Entscheidung ist nur ein kleiner Schritt im Kampf gegen die Marktdominanz des Konzerns. Netzbetreiber wie Telekom und Vodafone nutzen derweil die löchrigen EU-Regeln zur Netzneutralitätsregeln aus. Sie nehmen bestimmte Dienste vom monatlichen Datenvolumen aus und entscheiden, welche Dienste sie unter welchen Bedingungen teilnehmen lassen. Damit rütteln sie heftig am offenen Netz.

Twitter hat am 25. Mai reihenweise Konten von Jugendlichen und Firmen unter 16 Jahren gesperrt – eine Folge der neuen europäischen Datenschutzregeln. Daten von unter 16-Jährigen dürfen seither nur noch mit Zustimmung der Eltern gespeichert werden. Für Firmen, aber auch für Vereine wie uns führt das zu mitunter absurd anmutenden Schriftverkehr mit dem Konzern. Für Jugendliche wird es dagegen zum Problem, wie unsere Autorin Chris Köver argumentiert. Denn Jugendliche finden online Hilfe, wichtige Informationen und Diskussionen, etwa über Verhütung und Sex – unabhängig von den Eltern, die möglicherweise nicht zustimmen würden.

Österreichische Ministerien und Ämter schützen heikle Dokumente gerne vor dem Licht der Öffentlichkeit. Doch neue Entscheidungen stärken die Informationsfreiheit. Journalisten in Österreich erhalten in Zukunft ein wenig einfacher Auskunft vom Staat. In Mecklenburg-Vorpommern wehrt man sich noch gegen Transparenz. 4.000 Euro Strafe soll ein Mann aus Schwerin bezahlen, wenn er noch einmal Mitschnitte des Livestreams aus dem Kommunalparlament veröffentlicht. Die Stadt Schwerin beruft sich in einer abenteuerlichen Begründung auf das Urheberrecht und forderte den Bürger auf, die vierminütige Rede zu löschen.

Viel mehr Biometrie

Im letzten Jahr hat die Bundesregierung den automatisierten Biometriezugriff durch Polizeien, Geheimdienste und weitere Behörden drastisch erweitert. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die gesetzliche Grundlage eingelegt. Unter den Beschwerdeführern sind Markus Beckedahl und Andre Meister aus unserer Redaktion. Nach jahrelangen Verhandlungen haben Europol und die israelische Polizei diese Woche eine engere Kooperation zum Austausch polizeilicher Daten, verabredet. Ein Abkommen über den Austausch personenbezogener Daten soll folgen.

Um Arbeitslosengeld zu erhalten, müssen Menschen sich gegenüber Jobcentern schon heute nackt machen. Mittlerweile werden die Akten zunehmend digitalisiert, gespeichert und durchsuchbar gemacht, wie eine Kleine Anfrage aus dem Bundestag zeigt. Verknüpft in einem zentralen Speicher, werden sie zu einer Grundlage für algorithmische Entscheidungssysteme, die in Zukunft möglicherweise eingesetzt werden. Deswegen ist es wichtig, jetzt darüber zu diskutieren, was in elektronischen Akten landen darin.

Unsere Gastautorin Eileen Hershenov von der Wikimedia Foundation berichtet über die bisher weitreichendste Blockade der Wikipedia, in der Türkei. „Die Abwesenheit türkischer Beiträge macht uns alle ärmer“, schreibt sie und fordert, dass die türkische Regierung die Sperre endlich aufhebt.

Wir wünschen ein schönes Wochenende.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

0 Ergänzungen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.