Mein Team wird sich melden: Mark Zuckerberg düpiert das EU-Parlament

Der Facebook-Chef zeigte sich bei der Anhörung in Brüssel allzu selbstsicher und vermied Antworten auf einige gute Fragen der Abgeordneten. Mit seinem arroganten Auftritt weckt er aber womöglich schlafende Hunde der Europäischen Union. Ein Kommentar.

Mark Zuckerberg in Brüssel mit EU-Parlamentspräsident Tajani
Nur mit festem Händedruck kann man Leute über den Tisch ziehen: Mark Zuckerberg in Brüssel mit EU-Parlamentspräsident Tajani CC-BY-NC-ND 2.0 Europäisches Parlament

Mark Zuckerberg war sich seiner Sache ziemlich sicher. Er werde ein paar Fragen beantworten, so gut es eben gehe, sagte der Facebook-Chef gestern bei seiner Anhörung vor dem Europaparlament in Brüssel. Zum Abschied ließ er noch seinen Lieblingssatz aus der Anhörung im US-Kongress anklingen: „My team will follow up“ – mein Team wird den Rest beantworten. Streckenweise klangen die nur 23 Minuten dauernden Antworten Zuckerbergs wie eine Facebook-Werbeeinschaltung.

Der Facebook-Gründer hatte vorige Woche nach langem Drängen aus Brüssel die Einladung des Europaparlaments angenommen, nach dem Datenskandal um Cambridge Analytica Auskunft über den Umgang seiner Firma mit Datenschutz und Wahlmanipulation zu geben. Für die Anhörung waren von vornherein nur knappe 75 Minuten einberaumt und erst nach erheblichem Druck stimmte Zuckerberg überhaupt einem öffentlichen Auftritt zu. Seine Antworten gestern Abend waren kurz und im Wesentlichen eine Reprise vorheriger Äußerungen zum Thema.

Zuckerberg in Gönnerlaune: Das hatten sich die Parlamentarier sicher anders vorgestellt. Führende Figuren unter den Abgeordneten zeigten sich hinterher empört über das unpassende Format, das keine Rückfragen erlaubte. Lediglich Parlamentspräsident Antonio Tajani, ein Altpolitiker der Berlusconi-Partei Forza Italia, bezeichnete die Anhörung mit Zuckerberg als „Erfolg“. Dieser muss allerdings sogar ihm selbst schal erschienen sein. Das wäre die Chance für das Europaparlament gewesen, sich auf die Füße zu stellen und den Facebook-Konzern zur Ordnung zu rufen. Sie wurde leider versäumt.

The Zuck fühlt sich sicher

Der Inhalt der Äußerungen Zuckerbergs macht deutlich, dass Facebook sich trotz des Wirksamwerdens der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) am Freitag vor den europäischen Gesetzen sicher fühlt. Etwa bei dem Missbrauch von externen Apps bei Facebook wie im Fall von Cambridge Analytica: Zuckerberg erklärte salopp, die Untersuchung der „vielen Tausenden“ von Apps innerhalb des eigenen Ökosystems werde noch „viele Monate“ in Anspruch nehmen. Bis dahin sollen die User wohl hoffen und beten, dass ihre Daten niemand abgreift.

Ähnlich bei den umstrittenen Schattenprofilen, den Datensammlungen, die Facebook über Nicht-Nutzer anlegt. Zuckerberg wich sogar einer expliziten Wiederholung der Frage dazu aus, die trotz des mühsamen Formats der Anhörung gestellt werden konnte. Liberalen-Fraktionschef Guy Verhofstadt kritisierte zudem, Facebook habe noch rasch vor Wirksamwerden der DSGVO die Daten aller Nicht-Europäer von seinen Servern in Europa geräumt, um die dann höheren Datenschutz-Standards nicht auf diese Nutzer anwenden zu müssen. Und das trotz der Beteuerung Facebooks, künftig gelte das Datenschutz-Niveau Europas für die ganze Welt.

Gretchenfrage Wettbewerb

Bei der heikelsten aller Fragen kniff Zuckerberg: der Frage des Wettbewerbs. Der Liberale Verhofstadt erinnerte die Zuhörer daran, dass selbst ihm als Marktliberalem das unbegrenzte Wachstum und die zunehmende Oligopolisierung des Internets unheimlich seien. Auf die Frage, ob Facebook denn eigentlich noch Konkurrenten habe, antwortete der Facebook-Gründer aber bloß: „Es gibt jeden Tag neue Mitbewerber.“ Ähnlich war das schon bei der Anhörung im US-Kongress, wo Zuckerberg sich auf die Gretchenfrage nach einem möglichen Monopol Facebooks mit einem nonchalanten „es fühlt sich nicht so an“ gerettet hatte. Das sollte von Europas Kartellwächtern als indirekte Aufforderung zur Intervention gewertet werden.

Die Anhörung ist zweifelsohne in ihrem Anspruch missglückt, den Facebook-Chef zur Antwort auf wichtige Fragen zu zwingen. Dennoch war sie wichtig, denn erstmals wurden vor laufenden TV-Kameras von führenden EU-Politikern einige entscheidende Fragen zu den dubiosen Datenpraktiken und dem problematischen Geschäftsmodell Facebooks gestellt. Die Antworten und Nicht-Antworten Zuckerbergs sollten unsere Entschlossenheit stärken, entschiedener gegen problematische Praktiken und die Marktmacht der Datenkonzerne vorzugehen. Bei seinem Auftritt in Brüssel hat Zuckerberg allzu sicher gewirkt. Vielleicht war die missglückte Anhörung ein notwendiger Weckruf für die Politiker in der EU-Metropole.

18 Ergänzungen

  1. Facebook und seine CEOs gehören vor einen Menschenrechtsgerichtshof: Mit deren „Tools“ wurden und werden in technologisch, teilweise auch zivilisatorisch, rückständigen Gebieten Asiens, Afrikas und Südamerikas die Massen manipuliert und im Sinne der US-Geführten profitbasierten Ökonomie ausgebeutet und herum experimentiert!

    Aufwiegeln, niederschlagen der Proteste mit lebenslanger Verfolgung der Aktivisten in Ägypten, Türkei und Ukraine. Hetze und Organisation von Gemetzeln in Myanmar – ohne Tools von Facebook heutzutage undenkbar! Das ist lange nicht alles: Welches Chat-System werden die Milizen in Libyen, Irak und demnächst vielleicht in Iran „usen“? Welches nutzen indische Taxi-Fahrer und pakistanische Militärs?

    Wie lang muss die Liste der Anschuldigungen werden? Wie lang ist sie wirklich? D:

    1. Hier der Link zur Befragung der FB-CEOs durch ihre Aktionäre. Ich habe den ursprünglichen Handy-Sound mit OpenSource-„Tools“ so hingemodelt, daß es vielleicht mehr wie eine Konferenz aus den 70er klingt und dazu eine Visualisierung gebastelt, damits auch als Youtube-HD-Video durchgeht. Wenn schon, denn schon:

      https://www.youtube.com/watch?v=wAFXEokWhpU

      Dauert ca 1:22 Std. –

  2. Der SPIEGEL hat das ganz anders gesehen (ausser Sascha Lobo). Er sprach von einer Blamage des EU-Parlaments.
    http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/anhoerung-von-mark-zuckerberg-im-europaparlament-wird-zum-desaster-a-1209003.html
    Ich fand die Selbstdarsteller der Abgeordneten auch widerlich. Sie klangen wie Wutbürger, hielten sich nicht an den Zeitplan. Wem hilft eine Anhörung, wenn man dem Anzuhörenden die Zeit stiehlt?
    Ansonsten sollten die Wutbürger mal wieder auf den Teppich zurück zu Rechtsstaat und Demokratie. Und da sieht es bei den Kritiker übel aus:
    – es gab keine Rechtsgrundlage , dass Herr Zuckerberg dort aussagen musste. Er kam freiwillig.
    – das grüne Mantra „Druck hilft“ war gelogen. Herr Zuckerberg wude fernmündlich gebeten, das Streamen zuzulassen, was er dann auch tat. Aber seit den Kriegen in Jugoslawien wissen wir, dass die Grünen die Wähler erst als Friedenspartei antäuschen, und dann mit Fischer und Özdemir keinen Krieg mehr auslassen, der sich ihnen bietet. So auch bei der DSGVO: mit Hass versucht man Facebook finanziell zu schaden (ein europäisches Parlament einen US-Konzern, wobei die Europäer keinen Bock auf UN habe und Ihr eigenes Recht in den USA durch setzen wollen. Fern des Rechtsstaates. Kommen jetzt auch europäische Atomwaffensperrverträge von diesen Entrückten?
    – der Hinweis oben auf „unheimliche Monopole“ ist auch dummes Zeug. In unserer Rechtsordnung sind Oligopole und sogar Monopole erlaubt. Nur missbrauchen darf man sie nicht.
    In parlamentarischen Demokratien der Westens ist es die Sitte, dass Parlamente Gesetze machen und die Exekutive dann Verstöße ermittelt und die Judikative Rechtsbrüche ahndet.
    Doch die Selbstdarsteller des EU-Parlamentes wollen diese Rechtsordnung zerstören. Sie tun so, als wenn es selbstverständlich wäre, dass sich Unternehmer vor einem Parlament zu verantworten hätten statt vor einem Richter. Dem Wut-Populismus wird damit der Boden bereitet und der Rechtsstaat abgebaut.
    Es leidet die Arbeit des Parlaments darunter: man wollte in antiamerikanischen Hass Facebook treffen und man mit einer DSGVO miserabelster Qualität Europa insbesondere Deutschland geschadet. Ehrenamt, Blogger, kleine Unternehmen zahlen den Preis für die Facebookhasser. Und Zuckerberg kann seine EU-Besuch noch von den Steuern absetzen.
    Unser rechter Rand wird sich freuen, von den Wutbürger solche Steilvorlagen für ihre Irrationalität kostenlos zu bekommen. Und Datenschutz? Ja, da werden jetzt die Säulen der Gesellschaft diskutiert: Was machen wir mit Visitenkarten. Eine Lachnummer. Ich habe auf meinem Blog jetzt Kommentare gesperrt, weil ich keinen Bock habe, Aufwand für dne Facebookhass einiger Grüner zu investieren. So kehrt sich der Hass gegen Facebook zu einem Abbau dr Freiheit um. Wir werden weniger frei kommunizieren können mit eigenen Blogs, weil die Hassprediger uns die Abmahnzocker auf den Hals gehetzt haben.

    1. Und wieder die Vorzensur als Abbau der Freiheit, die wir mal hatten:

      Wolfgang Ksoll sagt:
      23. Mai 2018 um 16:21 Uhr
      Dein Kommentar wartet auf Freischaltung.

  3. Die ganze Facebookdebatte findet fast ausschließlich unter „Netzaktivisten“ statt.

    Den Normalbürger/Nutzer/Nichtnutzer und alle Geschäftspartner intressiert die ganze Aufregung wenig.
    Nach bekantwerde des „Datenskandals“ ist die Facebook-Aktie wieder auf altem Kurs.

    Das Unternehemen läuft und die Netzaktivisten ärgern sich schwarz und diskutieren bis sie die nächste Sau durch Netzdorf jagen können.

    1. Ja, und? Ganz viele Menschen regen sich auch nicht auf, wenn es um Themen wie Hebammen-Bezahlung, Lebensmittelinhaltsstoffe-Verordnungen oder Milliarden für irgendein Militärprojekt geht. Wahrscheinlich so wenig, wie sie der Aktienkurs von Facebook interessiert. Und wen es nicht interessiert, dass da mal weltweit achtzig Millionen Leute betroffen sind, den zwingt doch niemand dazu.

      Ich hab übrigens mal bei uns rumgefragt: Keiner hier hat sich schwarz geärgert, kann aber auch daran liegen, dass es hier nicht allzuviele Facebook-Nutzer gibt.

      1. Ich ärgere mich höchstens, dass Staaten das zulassen.

        Ich bin enttäuscht von eigentlich intelligenten Menschen, die nach wie vor Facebook & Co nutzen und das sich und anderen gegenüber durch hohle Phrasen rechtfertigen (anstatt zuzugeben dass sie schlicht zu faul sind und ihnen Convenience wichtiger ist, als Menschenrechte oder Freiheit).

        Ansonsten lache ich. Ich lache jetzt noch innerlich und wenn es bald erste ernsthafte Konsequenzen für den Otto-Normal-Opportunisten gibt, dann lache ich ganz laut. Ich warte auf diese popkornwürdigen Momente àla „Ja Herr Müller, das hätten Sie sich lieber mal vorher überlegt was sie da so liken / mit wem Sie befreundet sind“.

        Deichkind hat es doch wunderbar formuliert mit „Like mich am A****“ :-D

        1. Ich suche schon nach ’nem Daten-Anwalt, oder besser einer Plattform/Forum, wo sich Bürger und Datenanwälte treffen, austauschen und Zusammenfinden können? Die werden ja demnächst sicher seehr viel zu tun bekommen.

    2. Der Aktienkurs als Kennzahl dafür was die Mehrheit denkt? Nur eine kleine Minderheit hat (hierzulande) Aktienbesitz. Dass die, die mit der Sauerei Geld machen, kein Problem mit der Sauerei haben, verwundert auch nicht.

  4. Bei der Schlagzeile hatte ich eigentlich auf ein paar O-Töne von Parlamentariern gehofft, die das Auftreten nicht so toll fanden.

  5. Wenn Zuck seine „Mitglieder“ und die von Whatsapp „vermarktet“, ist es deren Sache. Die wissen worauf sie sich einlassen. Sie haben den AGB zugestimmt.

    Aber dass die weltweite „Politik“ den Schattenprofilen von Nichtnutzern der Plattformen keinen Riegel vorschiebt, zeigt, dass weltweit „Politiker(innen)“ zahnlose Tiger sind.

    Das bekannte Mittel der Wahl sind Adblocker, wie uBlock origin mit entsprechenden Einstellungen oder sogar der Tor Browser, bei dessen Nutzung man seine Daten vermutlich nur mit der NSA „teilt“. Die dürfte für Normalo kein sonderliches Problem sein.

  6. Ihr regt auch darüber auf, dass ein Nerd sich benimmt wie ein Nerd, und nicht wie ein echter Kerl?

    Aber ich fände es ja auch irgendwie gut, wenn wir da endlich eine großdeutsch…räusper… europäische Lösung finden! – Wird nur leider sehr schwierig, wenn zunehmend weniger Multikulti und kreatives Miteinander möglich ist. So angenehm der Schutz sicherer Grenzen und eine starke Polizeigewalt auch sind :-D

  7. warum wird nicht, wie von anderen auch, auf die Einhaltung des Rechts gepocht und bei Verstößen geahndet, ist mir da etwas entgangen?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.